c durstJo Nesbøs elfter Harry Hole Krimi aus dem Ullsteinverlag schlägt wieder ein 

Hanswerner Kruse

Schlüchtern (Weltexpresso) - Soeben ist er erschienen, dieser neueste Streich Nesbøs - und schon ist Harry in Schwierigkeiten. Der Weg ist ihm versperrt, denn: ‚Er kann sich nicht ausweisen’, protestierte der Polizist. ‚Das ist Harry Hole’, rief Katrine. ‚Wirklich? Ich dachte, sie wären bloß eine Legende’, sagte er.“

Der norwegische Kommissar und Spezialist für Serienmorde ist wirklich eine Legende. Seine zahllosen Fans erwarteten sehnsüchtig den soeben erschienenen 11. Band der Harry-Hole-Reihe. Für neue Leser ist gerade „Durst“ ein guter Einstieg, denn Nesbø kehrt nicht nur zu seinem alten Erzählstil zurück, sondern entfaltet auch eine ganz außergewöhnliche und natürlich sehr spannende, in sich abgeschlossene Kriminalgeschichte.

In Oslo treibt sich entweder ein Vampir oder ein Serienkiller herum, der seine Opfern mit einem eisernen Spezialgebiss tötet und ihnen das Blut aussaugt. Da die norwegische Polizei nur anfangs an Vampirismus glaubt, soll Harry Hole als Spezialist für Mordserien wieder eingesetzt werden. Der Kommissar ist endlich mit Rakel, seiner langjährigen Liebe, verheiratet, unterrichtet erfolgreich an der Polizeischule und will kein aktiver Ermittler mehr sein. Doch der Polizeipräsident erpresst ihn zur Mitarbeit, denn Rakels Sohn ist einst straffällig geworden und Hole hat das gedeckt. So ganz unangenehm ist ihm die aktive Polizeiarbeit jedoch nicht, obwohl er weiß, dass Arbeitsstress sein heftiges Alkoholproblem begünstigt und sein Privatleben gefährdet. Denn zur Hochzeit hatte er Rakel geschworen, nie wieder als Ermittler zu arbeiten.

Holt folgt wie immer seinen Intuitionen, seine Ermittlungsmethoden sind, wie in allen vorausgegangenen Romanen, recht abenteuerlich und oft am Rande der Legalität. Wir werden hier natürlich nicht die komplexe Lösung des Falls verraten. Manchmal ahnt man als Leser jedoch, wer hinter den Morden stecken könnte oder denkt, es könnten möglicherweise auch zwei Täter sein: „Der Beißer“ kann kein getriebener Psychopath sein, dazu handelt er zu planvoll, vielleicht ist er ein krimineller Wissenschaftler? Wie immer wird die Handlung nicht gradlinig aus der Perspektive des Kommissars erzählt, sondern ebenfalls aus der Sicht der Opfer und des Täters. Der Roman beginnt langsam, doch dann verknüpft Nesbø eindrucksvoll und spannend die diversen Handlungsstränge. Gleichsam als Unterströmung des Thrillers entwickelt sich, wie in den bisherigen Romanen, Holts Beziehungsgeschichte mit Rakel und ihrem Sohn weiter.

Auch in „Durst“ gefällt, dass der ehemalige Musiker Nesbø kein geschwätziger Schreiber ist: „Am Anfang habe ich gedacht, Romane sind das Gegenteil von Songtexten, ich müsste seitenweise Informationen liefern, detaillierte Informationen. Aber dann habe ich gemerkt, dass ich auch in einem Roman den Lesern vertrauen muss und sie nicht damit langweilen darf, dass ich ihre Intelligenz und Phantasie unterschätze.“

Wie gut, dass der Autor Harry Holt nicht sterben ließ, wie man es nach dem letzten Band gefürchtet hatte: Die Legende lebt!

Foto: Cover

Info:
Jo Nesbø „Durst“, Ullstein-Verlag, gebunden 624 Seiten, 24 Euro