a wentzSerie: Claus-Jürgen Göpfert, Bernd Messinger, DAS JAHR DER REVOLTE Frankfurt 1968 bei Schöffling & Co, Teil 4/6

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eine große Anzahl der Frankfurter Studentenbewegung, von denen man heute noch spricht, wurde das Grundpersonal der Grünen. Doch darüber wollen wir nicht berichten. Da sind sowieso die meisten Personen bekannt. Göpfert/Messinger gehen ihren Interviewpartnern in einem Kapital ab Seite 147 WOHIN FÜHRTEN DIE LEBENSWEGE DER FRANKFURTER 68ER diesen nach.

Arno Widmann, der als Adornojünger wie Kritiker schon hervorgetreten war, gründet mit anderen zusammen später – erst 1979 – die alternative tageszeitung, die taz, die es über viele Mitleidsaktionen bis heute – jetzt solidiert - gibt. Er selbst war dann bei der ZEIT und war wieder in den Jahren nach 2000 in Frankfurt, wo er auch Schüler gewesen war, bei der Frankfurter Rundschau mehr als nur deren Feuilletonchef . Heiner Boehnke, von dem noch nicht die Rede war, war nicht nur lange Jahre verantwortlicher Literaturredakteur des Hessischen Rundfunks – dessen Funktion als institutioneller Retter der Ideen und Menschen im vorliegenden Buch völlig zu kurz kommt, ROTFUNK sagte die CDU dazu oder auch häßlicher Rundfunk, was ja noch witzig ist - , sondern ist mit Mitautor Heinz Sarkowicz Verfasser von Büchern über meist speziell hessische Persönlichkeiten, echt gelungene Werke.

Martin Wentz - oben im Kaisersaal des Frankfurter Römer mit seiner Frau bei der Überreichung der Ehrenplakette der Stadt durch OB Peter Feldmann - war unter allen derjenige, der wirklich Politik machte, der die Mühen des Marschs durch die Institutionen in SPD und Frankfurter Stadtverwaltung ernst nahm und bewältigte. Seine Aussagen, was heutzutage der jungen Generation an Empathie und politischem Bewußtsein fehle, könne twittern und Facebook nicht wettmachen, ist deutlich und zutreffend. Peter Härtling, der noch vor seinem Tod den Autoren Antworten geben konnte, sieht vor allem bei den 68ern, die Eltern geworden sind, gefährliche Tendenzen des Gewährenlassens und Verwöhnens, was unpolitische Kinder produziert habe. Das aber muß hinterfragt werden. Denn die heutige, extrem unpolitische Jugend, das sind ja schon wieder die Kinder der Kinder der 68er, also die Enkel von damals Opponierenden.

Seiner Einschätzung, daß wir in Zeiten der Gegenaufklärung leben, mag man dagegen nicht widersprechen. Interessant: „Die kritische Öffentlichkeit, die es dazu brauche, ‚zersetzt sich selbst durch hämische Kritik im Internet‘“. (151)

Von der erfolgreiche Arbeit von Peter Weidhaas als Direktor der Frankfurter Buchmesse wurde schon berichtet, viele der heutigen wesentlichen Bestandteile der Buchmesse gehen auf sein Konto; beispielsweise der Gastlandauftritt, der jedes Jahr stärker Ehrengäste nach Frankfurt bringt und kulturell intensiv wirkt. Auch Karlheinz Braun ist sich und dem Verlag der Autoren treu geblieben.

In einem weiteren Kapitel geht es dann um PORTRÄTS. An erster Stelle Hans-Jürgen Krahl, von dem noch nicht die Rede war, der aber stärker noch als Cohn-Bendit für den Beginn der Studentenbewegung und universitären Frankfurter Proteste steht. Ein brillanter Kopf, der druckreif sprach, mit dem Spitznamen vor Gericht „Robespierre von Bockenheim“, der weit über Frankfurt hinaus als Theoretiker neben Rudi Dutschke führend war. Nie gewußt, daß er 1961 in seiner niedersächsischen Heimat die Junge Union der CDU gegründet hatte, aber eigentlich auch nicht wichtig, zeigt es doch nur, daß er ein gesellschaftlicher Macher war, der seinen Inhalt und seine Form suchte. Er war in der Erinnerung besonderes Haßobjekt guter Bürger in Frankfurt, aber auch der Frauen im SDS, von heute her eher unverständlich wie so vieles, was 1968 Konjunktur hatte. Auf jeden Fall riß sein Unfalltod mit dem Auto im Februar 1970 eine Lücke, die nie wieder gefüllt werden konnte.

Daniel Cohn-Bendit dagegen, dem auch ein Porträt gilt, kann man überspringen, so gegenwärtig ist seine Person und seine Politik. Und eigentlich doch auch anerkannt – über alle Lager hinweg als ein Humanist, der Europa voranbringen will. Doch dann zeigte eine gute Idee des Frankfurter SPD Oberbürgermeisters Peter Feldmann die Grenzen seiner Popularität auf. Feldmann hatte die Idee, Cohn-Bendit zum Jahrestag der deutschen Einheit am 3. Oktober 2016 in der Paulskirche sprechen zu lassen, ist doch Cohn-Bendit auch ein überzeugte Europäer, der in zwei Ländern politische Verantwortung für die jeweiligen Grünen ausgeübt hat. Doch Feldmann und Cohn-Bendit hatten die Rechnung ohne die CDU gemacht, die mit ziemlich hinterfotzigen „Argumenten“ dies hintertreiben, auf jeden Fall nicht teilnehmen wollte. „Die Episode um den Auftritt von Cohn-Bendit in der Paulskirche 2016 zeigte, wie groß der politische Tabubruch von 1968 war. Der CDU-Politiker zu Löwenstein ist nur fünf Jahre jünger als der ehemalige Studentenführer. Das Verhalten des Christdemokraten demonstrierte: Heute ist nichts vergessen und nichts vergeben.“ (165)

Eigentlich ist das eher ein gutes Zeichen, zeigt es doch, daß nicht alles aus der 68er Bewegung in einen politischen Einheitsbrei eingeflossen ist.

FORTSETZUNG FOLGT

Foto: © wentz-co.de

Info:
Claus-Jürgen Göpfert, Bernd Messinger, DAS JAHR DER REVOLTE Frankfurt 1968,  Schöffling & Co 2017