Die LUTHERBIBEL von 1534
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Schon 2012 hatte der immer wieder für Überraschungen gute Verlag TASCHEN diese LUTHERBIBEL als zweibändigen Nachdruck herausgebracht, wovon wir damals geschwärmt hatten. Das günstig zu erwerbene Werk hat allerdings gerade im nun auslaufenden 500sten Reformationsjahr eine besondere Bedeutung. Denn es macht klar, warum es richtigerweise Reformationsjubiläum heißt, was unter der Hand zu einem Lutherjahr wurde.
Die Bibel. Sie ist den einen das Buch der Bücher und andere kennen sie überhaupt nicht. Haben mal von Geschichten gehört, die sich in Kunst und anspruchsvoller Literatur wiederfinden, aber selten die Kraft und Konzentration aufgebracht – schließlich werden wir alle mit zu viel überschüttet – eine Bibel wirklich in die Hand zu nehmen. Das kann man mit einem Schlag ändern, auch wenn man diese LUTHERBIBEL von 1534 vor allem aus anderen Gründen in die Hand nimmt, mit historischer Ehrfurcht genauso wie mit dem Schönheitssinn, wenn man die Bilder betrachtet und den sorgfältigen Satz sieht. Aber wenn man etwas über – sagen wir mal – König Salomon lesen wollen, stoßen wir an unsere Grenzen. Die man aber schnell überwindet.
Man nimmt natürlich das ALTE TESTAMENT in die Hand, der andere Band umfaßt das NEUE TESTAMENT, und schlägt auf: Das Titelblatt ist gleich mit einer von vielen Englein eingefaßten Information bestückt: Ganz oben noch in der Bildergalerie, die tatsächlich wie ein mittelalterlicher Balkon in einer romanischen Kirche aussieht, sehen wir in der Mitte einen alten Mann. Er ist fast kahl, mit einem leichten Haarkranz - und schreibt! Unter ihm ein kleines Täfelchen, auf dem wir lesen: „Gottes wort bleibt ewig.“ Da sind wir doch froh, wie ähnlich die gedruckte Schrift zur heutigen geblieben ist. Aber wer ist es? Luther ja nun nicht. Das würde er sich nicht anmaßen? Ist es der Heilige Hieronymus, der die Bibel aus dem Griechischen ins Latein brachte – oder ist es der Heilige Johannes, Jünger und Evangelist, der auf Patmos als alter Mann die Apokalypse vom Himmel in die Feder diktiert bekam.
Wir tippen auf letzteren, denn erstens werden seit alters her weise Männer als Greise dargestellt und dann gehört zum Hieronymus entweder sein roter Kardinalshut oder der Stein, mit dem er sich an die Brust schlägt. Andererseits trägt er ein rotes Gewand, was dann wieder für Hieronymus spräche. Und wenn man es sich recht überlegt, kann er schon gut als Vater dieser Bibel dienen, denn er hatte im vierten nachchristlichen Jahrhundert die oben erwähnte Bibelübersetzung geleistet: die Vulgata, die nun eine neue deutsche Fassung von Martin Luther erhält. Dabei muß man gleich mit einer Mähr aufräumen. Nein, Luther hat nicht als erster die Bibel übersetzt, das war 1466 die Mentelin Bibel, der bis 1518 noch 13 hochdeutsche Bibelübersetzungen folgten. Die Lutherische war die erste mit einer kraftvollen deutschen Sprache, gespickt mit „Wortneuschöpfungen, Redensarten und metaphernreiche Sprache“. Allerdings ist es völlig falsch, diese Bibelübersetzung ‚schlicht‘ zu nennen, ja, volkstümlich schon, weil er nach eigener Aussage, „dem Volk aufs Maul“ geschaut hatte, aber es ist eine gehobene Sprache mit reicher Syntax.
Hilf Himmel, schon so viel geschrieben und nix zur Bibel selbst. Aber so ist das mit dem Menschen. „Ja, mach nur einen Plan!“ – nämlich, weil man ein großes Licht ist, rasch zum Wesentlichen zu kommen, „Und mach dann noch‘nen zweiten Plan – was alles weggelassen werden soll – „Gehn tun sie beide nicht.“ Was wieder mal bewiesen wurde, aber nicht in der Bibel steht, sondern Bert Brecht in die UNZULÄNGLICHKEIT DES MENSCHEN hineinschreibt. Und diesen Kontext brauchten wir gerade, bevor es mit dem Titelblatt weitergeht. Denn zu den hinreißenden Nachdrucken, die natürlich das Eigentliche sind, gibt es eine kluge Beischrift, von der wir auch schon einmal berichtet hatten, weil sie verdammt gut ist: Eine kulturhistorische Einführung von Stephan Füssel.
Der beginnt nun seine Ausführungen: „‘Sie werden lachen: die Bibel‘, antwortete Bertolt Brecht auf die ihm gestellte Frage, welches er für das wichtigste deutsche Buch hielte. Die historischen Erzählungen des Alten Testaments, die reichen Allegorien und Bilder, die Wundererzählungen und die Heilsgeschichte des Neuen Testaments bilden für jeden, der sich mit Literatur und Kultur, Theologie und Geschichte Europas der letzten 2000 Jahre beschäftigt, die entscheidende literarische Fixierung.“
Da fühlen wir uns mit Recht durchschaut und schlagen rasch wieder das ALTE TESTAMENT auf, wo wir ja den altestamentlichen Salomon suchen wollen, aber tatsächlich immer noch beim Titelblatt sind. In großen Schriftzeichen heißt es jetzt dort in Druckschrift, die aussieht wie lauter Großbuchstaben, was aber nicht stimmt, denn die kleinen Buchstaben sind nur sehr groß gedruckt: „Biblia/ das ist/ die
ganze Heilige Schr=
ift Deudsch.
Wart. Luth.
Wittemberg
Begnadet mit Kür=
fürstlicher zu Sachsen
freiheit.
Gedruckt durch Hans Lufft.
M.D. XXXIIII.
Dieses Titelblatt halten kleine Engelchen – wie schon bei Raffael – in ihren Händchen und noch mehr von ihnen stehen unten vor der Bilderleiste und assistieren einem weiteren Schreiber, aber nein, hier sitzt behäbig der Leser! Hier sitzen im Geiste wir.
Daß man das so gut lesen konnte, darf einen nicht verführen, was die folgenden Texte angeht. Da schüttelt man unwillkürlich den Kopf, glaubt, man kann es nicht lesen, dabei muß man nur alles laut vor sich entziffern, der Laut hilft den Sinn zu entschlüsseln, denn hier gibt „Fridrich Hertzog zu Sachsen und Churfurst etc.“ der Lutherischen Bibelübersetzung das Geleit. „Anno 1534“.
Auf dem gegenüberliegenden Blatt kann man dann lesen, daß dieses Exemplar ein Nachdrucks der „GR.S.BIBLIOTHEK ZU WEIMAR.“ umgeschlagen finden wir die Inhaltsübersicht, die heißt: „Bucher des alten Testaments.XXIIII.“ und wo wir umgehend als die Nummern 17-19 die Sprüche Salomonis finden, den Prediger und das Hohelied. Schauen wir mal, denn jetzt müssen wir blättern, was keine Strafe ist, weil man immer wieder am Text hängenbleibt und an den vielen Bildern, die die jeweiligen Bücher einleiten. Auf den letzten Seiten finden wir schließlich die „Vorrhede auff die Bucher Salomonis“, wo erklärt wird, was es mit den drei Büchern Salomons auf sich hat.
Und dann staunen wir, denn dem Text sind an der Seite Anmerkungen angefügt, die man Marginalien oder gedruckte Marginalglossen nennt, die den Text erklären, befragen, ihm widersprechen, ihn weiterführen oder einfach zusammenfassen. Und als wir dann als allerletzte Seiten das HOHE LIED von Salomo finden, schließt sich für uns ein Kreis. Dieses Liebesgedicht, in dem Spiritualismus und Gottessehnsucht, Liebe für alle und überhaupt jede Form von Liebesgefühlen ihren legitimierten biblischen Ursprung haben, liest sich gerade in dieser sprachlichen Form wunderlich und anheimelnd: „kusse mich mit dem kusse seins mundes/Denn deine brüste sind lieblicher wes der wein/das man deine gute salbe rieche/Dein name ist ein ausgeschütte salbe/ Darum lieben dich die megde...Ich bin schwartz aber gar lieblich/jr töchter Jerusalem/wie die ...“
FORTSETZUNG FOLGT
Foto: Cover
Info:
DIE LUTHERBIBEL von 1534, Bd. 1 und 2, mit einer kulturhistorischen Einführung von Stephan Füssel