Nicht immer die allerneuesten, aber richtig gute Bücher verschiedener Genres und Themen, Teil 18/30

 

 

Felicitas Schubert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nach dem Lesen war uns klar, daß wir diese drei Bücher zusammen besprechen wollen, auch wenn zwischen dem Mystiker MEISTER ECKHART, der spanischen Königin JOHANNA DIE WAHNSINNIGE und dem französischen Kultschriftsteller Antoine de Saint-Exupéry ein Zusammenhang nur hergestellt werden kann, wenn man die Grenzen des Geistes in beide Richtungen, in die der Versenkung nach innen und dem Ausgeliefertsein seines Inneren, weit zieht.

 

OPERATION NOYADE

 

Hermann Laage und Norbert Roedel haben in EIN UNGEWÖHNLICHER BERICHT, erschienen im Karl Rauch Verlag, verfaßt, der heißt: Der letzte Flug von Antoine de Saint-Exupéry in den Vercors. Die beiden Autoren sind weder Historiker, noch Flugzeugforscher, sondern haben mit dem Gegenstand ihrer Untersuchung als Mitarbeiter der Kriegsgräberfürsorge zu tun bekommen, wo sie einen von dessen Geschwaderkameraden bergen konnten. Ihr Buch ist aber nicht auf das tödliche Ende von de Saint-Exupéry beschränkt, das eintrat, als er gerade mit DER KLEINE PRINZ zum internationalen Kultautor geworden war: am 31. Juli 1944 in der Nähe von Marseille. Sein eigentlicher Beruf war nämlich Berufspilot.

 

Was das Buch interessant macht, ist seine Einbettung in die Weltgeschichte, das heißt auch in die Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Man wußte, der Saint-Exupéry militärische Aufklärungsflüge unternahm, für Frankreich, daß er aber auch für den US-Geheimdienst gearbeitet hat, könnte gleich wieder die Mär um seinen Absturz fortführen, die aber durch das zufällige Auffinden seiner Uhr beim Fischen im Mittelmeer im Jahr 1998 und das gezielte Auffinden eines der Motoren auf dem Grund des Mittelmeers um 2000 ihr Ende finden.

 

Natürlich wagen auch die beiden Autoren vom Weiterleben zu sprechen und stellen alle möglichen Vermutungen an. Was aber eindeutig ist, daß da ein Flugverrückter kaum damit leben konnte, daß dieser Flug sein letzter militärischer hat sein sollen. Da die Absturzstelle weit vom eigentlichen Einsatz liegt, können Vermutungen über geheimdienstliche Unternehmungen per Luft natürlich gut gedeihen. Wenn einer trotz mehrerer glücklich überstandener Abstürze das Fliegen nicht läßt. Ist der verrückt oder nur flugverrückt?

 

 

JOHANNA DIE WAHNSINNIGE (1479-1555)

 

Der renommierte spanische Historiker Manuel Fernández Álvarez zeigt uns, daß ein spanischer Geschichtsautor keine Angst hat, in den angrenzenden Fachgebieten zu 'wildern', sondern die Historik eben auch als eine Wissenschaft sieht, die der Kultur verpflichtet ist und von dieser ausgeht. Das gibt es in Deutschland kaum. So baut sein Buch über und von Johanna, das den Untertitel KÖNIGIN UND GEFANGENE trägt und 2005 im C.H.Beck Verlag erschienen ist, erst einmal auf einer Schilderung ihrer Zeit in Spanien auf und bringt ausführlich und schlüssig die Beschäftigung mit Magie, mit Zauber und Zaubersprüchen und dem, was sich mit den Gesetzen der Erde nicht erklären läßt, dem Übernatürlichen im damaligen Spanien als Hintergrund.

 

Von Anfang an nennt er die Königstochter der Katholischen Könige Spaniens, Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon, als 'emotional gestört' und nennt auch die Gründe für ihre diffuse Haltung, die er einerseits genetisch in ihrer Großmutter, der Mutter Isabellas sieht, und andererseits im harten Kalkül, mit der dies empfindsame Mädchen in ihre Rolle als Herrscherin geknechtet wurde, die ihr einfach nicht auf den Leib geschrieben war. Eher zurückhaltend – darauf waren wir erpicht – ist ihr Zusammentreffen mit Kaiser Maximilians I. Sohn: Philip dem Schönen geschildert, denn das wird in den Geschichtswissenschaften kolportiert, daß sie in ihren zukünftigen und dann tatsächlichen Gemahl so verliebt gewesen sei, daß sie ihn förmlich aufgefressen habe und zu jeder Sekunde so eifersüchtig gewesen sei, daß diese krankhaft geworden sei und sie zum Wahnsinn trieb. Alles falsch. Nein, nicht die Eifersucht, aber Wahnsinn als deren Folge.

 

Liest man dann, daß sie mit 16 Jahren nach Flandern, dem Sitz des Kaisersohnes aufbrach und 27 Jahre alt war, als dieser 1506 starb, bis dahin aber schon fünf Kinder geboren hatte und mit dem sechsten schwanger war, dann sieht man ihr gesamtes Leben auf einem harten, aber realistischen Hintergrund. Der Autor bringt einfach durch die Darstellung des immensen Drucks, der auf ihr lastete, ihre Apathie als etwas Verständliches an den Leser, nicht aber als etwas Geistesgestörtes. Sehr traurig zu sein, ist in einer Umgebung, die sich anmacht, ein Reich zu werden, in dem die Sonne nicht untergeht, einfach nicht möglich, ohne daß dies umgehend als Krankheit diagnostiziert wird. Fortsetzung folgt.

 

 

 

INFO:

 

Hermann Laage und Norbert Roedel, OPERATION NOYADE. Der letzte Flug von Antoine de Saint-Exupéry in den Vercors. EIN UNGEWÖHNLICHER BERICHT, Karl Rauch Verlag 2010

 

Manuel Fernández Àlvarez, JOHANNA DIE WAHNSINNIGE (1479-1555). Königin und Gefangene, C.H. Beck 2005

 

Kurt Flasch, Meister Eckhart. Die Geburt der 'Deutschen Mystik' aus dem Geist der arabischen Philosophie, C.H. Beck 2006