c mordimMORD IM ORIENTEXPRESS – das Buch, Teil 2/3

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Aber zurück zur Geschichte: Noch im Hotel interessiert Hercule Poirot ein älterer Mann, der auf ihn sehr ambivalent wirkt: raubtierhafte wie auch sanft, begleitet von einem jungen Mann, den er herrisch anweist. Es ist Mr. Rachett mit seinem Sekretär MacQueen.

Nun hat er schon vier Personen kennengelernt, die er alle im Zug: Istanbul-Triest-Calais wiedersehen wird. Und wir sind erst einmal sehr angetan davon, wie sich die Geschichte entwickelt und verwickelt. Und ahnen sofort, da stimmt etwas nicht, sonst ist der Zug halbleer, heute ausverkauft.

Das Nette an den Romanen der Agatha Christie ist, daß sie ordentlich arbeitet. Während der Handlung werden immer wieder die Fäden zusammengeführt: so gibt es in unserer Fassung mit 360 Seiten auf der Seite 108 (Sie finden das sofort unter Teil 2, Die Zeugen, Erstes Kapitel, 2. Seite) eine Skizze des Zuges, die Ihnen die Lage der Waggons und die Belegung des Schlafwagens Istanbul-Calais zeigt, dem sich der Waggon Paris-Athen anschließt, der Schlafwagenschaffner sitzt genau an diesem Übergang, während es auf der anderen Seite der Abteile in den Speisewagen geht.

Es ist sinnvoll, sich in diese Buchseite eine Markierung zu legen, denn Sie behalten beim Lesen nicht immer den Überblick, wer mit wem und wie und was. Immerhin sind im Schlafwagen 14 Personen untergebracht, 6 in der 2. Klasse und 8 in der Ersten Klasse, wo nur Einzelbelegung vorkommt. Später werden im Zweiten Kapitel zehn Fragen aufgelistet, die sich nach den ganzen Einzelgesprächen von Poirot mit den Passagieren ergeben. Auch das, Seite 278, ist eine Hilfe für den Leser, wie auch insbesondere die Seiten davor, die die Personen in der Reihenfolge, wie sie von Poirot, dem Boß der Eisenbahngesellschaft und dem Arzt vorgenommen worden, auflisten.

Aber Sie wissen ja noch gar nicht, warum der ganze Aufwand, worum es überhaupt geht, daß nämlich ein Verbrechen im Schlafwagen des Orientexpreß geschehen ist, ein blutiger Mord!

Dazu die Kurzfassung: Poirot sitzt also in diesem Zug, der im Winter durch Jugoslawien zieht. Vor der Station Brod muß er wegen Schneeverwehungen halten, kann nicht weiter und wird eingeschneit und von Brod wird ein Hilfstrupp kommen, der den Zug freischaufelt und in Gang setzt, was auch passiert. Aber erst einmal steht er und nicht nur das. Am Vormittag wird im Abteil 2 Samuel Rachett ermordet aufgefunden. Das ist der unangenehmer Kerl, der sich schon in Istanbul an Poirot ranschmiß und ihn als Leibwächter engagieren wollte, Geld spielt keine Rolle. Allerdings für Poirot auch nicht. Der sucht sich die angenehmen Klienten aus.

Es geht jetzt darum, daß Poirot nicht anders kann, als für den Bahnboß den Mord aufzuklären, es zumindest versuchen will und muß, was auch deshalb nötig ist, weil der Zug ja auf der Strecke steht und Spuren verwischt werden können. Am Schluß steht auch fest, wer der Schuldige ist, aber das kann nicht verraten werden, obwohl man sich nach so vielen Filmen gar nicht mehr vorstellen kann, es wüßte jemand nicht. Aber es gehört eben zu den guten Sitten, nichts zu verraten.

Was sich am Schluß als Mordmotiv erweist - und manche Filme fangen damit sogar an, bringen also die Information über den Kindesmord weit vor dem Mord im Zug, ist der Zusammenhang mit einer Kindsentführung. Die sind immer übel, aber die schlimmsten eben die, wo die Kinder längst umgebracht worden waren, ehe das Lösegeld gefordert und kassiert wurde. So auch hier. Und man hatte den Täter sogar ermittelt, aber der konnte sich freikaufen.

Agatha Christie beruft sich mit dichterischer Freiheit auf den wirklichen Entführungsfall des kleinen Lindbergh, Kind des bekannten ersten Atlantiküberquerers Charles Lindbergh. Dessen fast zweijähriger Sohn war 1932 aus seinem Bettchen entführt und umgebracht worden, dem Entführer hatte er 50 000 Dollar gezahlt. Angeblich hatte ein deutscher Einwanderer aus Dresden das Kind entführt und ermordet, der auch zum Tode verurteilt wurde, aber heute als unschuldig gilt. Auf jeden Fall beruht der Armstrongfall im ORIENTEXPRESS eindeutig auf diesem historischen Vorgang, einschließlich der Vermögensverhältnisse und gehobenen Lebensart der Familie mit Chauffeur, Köchin, Kindermädchen, Zofe etc.

Der Mord an Daisy ist aber nur das eine Verbrechen von Cassetti, er ist auch an den schlimmen Folgen schuld. Daisys Mutter, erneut schwanger, erleidet eine Fehlgeburt und stirbt daran. Der Vater erträgt dies nicht, bringt sich um. Das französische Dienstmädchen hat sich, fälschlich beschuldigt, aus dem Fenster gestürzt.

Fortsetzung folgt

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