‚Die Grauen Busse‘ sind ein Mahnmal für das Stabbrechen des Menschen über seine eigene Art, Teil 1/4
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der Blick auf die ‚Euthanasie‘-Exzesse der Nazis lässt den Eindruck aufkommen, dass diese dem ökonomischen Kosten-Nutzen-Kalkül nachgeäfft sind. Hat die Ökonomie etwa ein Problem oder ist sie selbst das Problem?
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der Blick auf die ‚Euthanasie‘-Exzesse der Nazis lässt den Eindruck aufkommen, dass diese dem ökonomischen Kosten-Nutzen-Kalkül nachgeäfft sind. Hat die Ökonomie etwa ein Problem oder ist sie selbst das Problem?
Woher sollte die Indolenz und Gleichgültigkeit der Politik gegenüber denjenigen auch herkommen, die als Wohnungslose (860 000), als Leiharbeiter und Niedriglöhner, als Löhner auf Abruf in ungeschützten Jobs, wie auch als Kinder in armen Haushalten ihr Dasein bestreiten? Gemäß Beschluss: 5 Euro Hartz IV, mehr ist nicht drin - was für eine Diskussion war das 2010! Das Modell gilt weiter noch zum 1. Januar 2018! Die Logik der Erniedrigung und Entwürdigung ist dieselbe wie unter den Grauen Bussen, nur ist der Grad und Inhalt verschieden.
Die Abwertung des Menschen hatte Eugen Kogon in seiner Schrift ‚Der SS-Staat‘ festgestellt. Dieser Prozess schreitet weiter fort. Die FDP ist die Partei, die am meisten die Logik jenseits des Empfindens für die Belange der Existenz und Kreatürlichkeit vertritt. Sie ist die Partei des schicken Sozialdarwinismus, der Egozentrik und des Machtstrebens männlicher Egomanen. Man wird den Eindruck nicht los: hier sind abgefahrene spätpubertäre Adoleszenten am Werk (besonders mit Kubicki).
Bioethik und Gesellschaft
In einem aus der Ringvorlesung „Demokratie, Markt und Ethik“ entstandenen Aufsatz ‚Bioethik und Gesellschaft‘ von Klaus Dörner wird auf den Aspekt der Mediokratie Bezug genommen, der zum Medienrenner wurde, diskutiert auch als ‚Bioethik-Konvention des Europarats‘. Der Terminus habe sich fest etabliert, „wobei er in der Regel die utilitaristische oder rationalistische Reflexion der Anwendung moderner biologischer Techniken auf den Menschen oder andere Lebewesen zum Inhalt hat.“ Wie wird sich demnach nun die Gesundheitsökonomie (der Begriff ist eine Kampfansage) entwickeln, wird auch sie den Gang der Ausgrenzung und Verdrängung derjenigen gehen, die sich nicht genügend rechnen?
Der Autor führt aus, dass gerade die Erfolge der behandelnden Medizin „panische Ängste“ vor der „epidemisch steigenden Flut“ unheilbarer Kranker („Heer der alten Menschen und damit auch der Alterskranken (Dementen“) ausgelöst habe. Aufgrund der „Systematisierung der verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen“ wurde um 1800 die Medizin zu den „Polizeywissenschaften“ gerechnet, die für Ruhe und Ordnung zuständig sei. Die Panik richtete sich ebenso gegen die Armen, das Lumpenproletariat, wodurch die Zucht- und Arbeitshäuser entstanden. Weiterhin sah man sich am Beginn der Moderne von der zunehmenden Zahl der „leistungsfähigen“ wie auch „leistungsunfähigen Unvernünftigen“ bedroht. Für letztere sei das flächendeckende Netz der Fabriken erdacht worden.
Der Autor führt weiter aus: „Um 1900 waren es im Zeitalter des Kolonialismus, Imperialismus und der Eugenik die Erbkranken (und die Fremdrassigen), von deren epidemisch erlebter Überflutung sich die Starken, die Bürger ökonomisch und moralisch überfordert fühlten“. „Heute, am Ende des 20. Jahrhunderts ist es die „Flut der chronisch Kranken und Alterskranken, die Flut der Unheilbaren oder - unter Einbeziehung der Langzeitarbeitslosen - die Flut der Überflüssigen, durch die sich die Starken ökonomisch und moralisch überfordert fühlen.“
Aus dem Ethischen Imperativ aber leitet sich die ethische Norm ab: „Handle so, dass du in Deinem Verantwortungsbereich mit dem Einsatz all Deiner stets zu geringen Ressourcen an Tragfähigkeit, Passivität, Zeit, Kraft, Manpower, Aufmerksamkeit und Liebe stets beim jeweils Schwächsten beginnst, bei dem es sich am wenigsten lohnt.“ *)
Mit den Grauen Bussen - auf den Spuren von Anna und Ernst, Opfern der NS-Euthanasie
Die Frankfurter Stadtbücherei veranstaltete in den beiden vergangenen Wochen in Kooperation mit dem Gesundheitsamt Autorenlesungen für Schulklassen. Der Autor Robert Domes las an zwei Tagen zu insgesamt vier Terminen aus seinem Buch ‚Nebel im August‘ in der Liebigschule und der Frankfurt-Bockenheim-Bibliothek. Die Autorin Sigrid Falkenstein las aus ihrem Buch ‚Annas Spuren‘ an zwei Tagen zu insgesamt vier Terminen an der Elisabethenschule und in der Stadtteilbibliothek Rödelheim. Die Schülerinnen und Schüler zeigten reges Interesse an der Thematik und lauschten gebannt.
‚Annas Spuren‘
Die Ankündigung informierte: „Sigrid Falkenstein beschreibt in ihrem Buch ‚Annas Spuren‘ die tragische Lebensgeschichte ihrer Tante Anna Lehnkering. Wegen ihrer geistigen Behinderung wurde Anna Opfer der NS-‚Euthanasie‘. 1940, mit 25 Jahren wurde sie in der Gaskammer von Grafeneck ermordet.“
‚Nebel im August‘
„‚Nebel im August‘ von Robert Domes stellt die Lebensgeschichte des jungen Ernst Lossa in den Mittelpunkt. Mit vier Jahren wird Ernst aus seiner Familie herausgerissen. Sein Leidensweg führt über Waisenhaus, NS-Erziehungsheim und verschiedene Heilanstalten. Ernst versucht, das unmenschliche System, in dem er gelandet ist, zu unterwandern. Sein Kampf und seine Widerstandskraft finden am 9. August 1944 ein schlimmes Ende: Ernst wird in der Zweiganstalt Irsee mit der Giftspritze ermordet.“- Neben den Lesungen aus ihren Büchern berichteten Autorin und Autor „von ihren Recherchen, legten Hintergründe dar und standen den Schülerinnen und Schülern für Fragen und Diskussion zur Verfügung.“
Foto: © Heinz Markert
Info:
Die Teile der Serie in WELTEXPRESSO:
1. Eine Medizin, die der Menschlichkeit entsagte
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/11503-eine-medizin-die-der-menschlichkeit-entsagte
2. ‚Nebel im August‘
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/11504-nebel-im-august
3. ‚Annas Spuren‘ (Liebe Anna!...)
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/11505-annas-spuren-liebe-anna
4. Anna hatte keine Chance
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/11506-anna-hatte-keine-chance
2. ‚Nebel im August‘
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/11504-nebel-im-august
3. ‚Annas Spuren‘ (Liebe Anna!...)
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/11505-annas-spuren-liebe-anna
4. Anna hatte keine Chance
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/11506-anna-hatte-keine-chance
*) Gerd Iben (Hrsg.) ‚Demokratie und Ethik wohin?‘ Antworten auf die Globalisierung, mit Beiträgen von F. Hengsbach, E. Eppler, H. Dubiel, H. Brunkhorst, K. Dörner, H. Kessler und W. Oswalt, LIT Verlag, Münster 1997 ISBN 3-8258-3523-5
Sigrid Falkenstein, ‚Annas Spuren‘, Ein Opfer der NS-„Euthanasie“, unter Mitarbeit von Prof. Dr. Dr. Frank Schneider, Herbig Verlag 2012 ISBN 9783-7766-2693-3, zurzeit vergriffen; Neuauflage in Vorbereitung.
Kurzfassung in einfacher Sprache erhältlich ISBN 978-3-944668-40-6. Auch als eBook erhältlich.
Robert Domes, ‚Nebel im August‘, Die Lebensgeschichte des Ernst Lossa, Verlag Cbt 2008, ISBN-13: 9783570304754, erhältlich auch als Filmbuch, Hörbuch, DVD, eBook
WELTEXPRESSO hatte den Film NEBEL IM AUGUST zum Anlaufen in deutschen Kinos rezensiert:
https://weltexpresso.de/administrator/index.php?option=com_content&view=article&layout=edit&id=8128
https://weltexpresso.de/administrator/index.php?option=com_content&view=article&layout=edit&id=8129
Kurzfassung in einfacher Sprache erhältlich ISBN 978-3-944668-40-6. Auch als eBook erhältlich.
Robert Domes, ‚Nebel im August‘, Die Lebensgeschichte des Ernst Lossa, Verlag Cbt 2008, ISBN-13: 9783570304754, erhältlich auch als Filmbuch, Hörbuch, DVD, eBook
WELTEXPRESSO hatte den Film NEBEL IM AUGUST zum Anlaufen in deutschen Kinos rezensiert:
https://weltexpresso.de/administrator/index.php?option=com_content&view=article&layout=edit&id=8128
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