Nicht immer die allerneuesten, aber richtig gute Bücher verschiedener Genres und Themen, Teil 22/30

 

Elisabeth Römer

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso)Warum die allerliebste Freundin Gitti aus Berlin dauernd die grauslichsten Krimis liest? Tut sie gar nicht, würde sie sagen, denn das viele Blut wird ihr dann doch zu viel, aber die menschlichen Abgründe, die interessieren sie, die eine wirklich ganz Liebe ist, fürsorglich, pflichtbewußt und korrekt. Daß Gegensätze sich anziehen, nein, das ist es nicht. Wer aber heute über unsere Gesellschaften etwas erfahren will, der ist bei Krimis durchaus richtig, weshalb wir ja auch monatlich die KrimiBestenListe kommentiert veröffentlichen.

 

 

Auf die Kommentierung komme es uns gravierend an, den unser altes Lied ist, daß der hartgesottene amerikanische Detective-Roman aus den dreißiger Jahren noch für heute das Vorbild bei allen literarischen Urteilen abgibt, gar nicht unbedingt bewußt, sondern als Schere im Kopf der Juroren. Jetzt aber interessiert uns weder die Jury, noch der Bestand ihrer Köpfe und auch nicht der Kriminalroman für sich. Heute geht’s ans Eingemachte.

 

Illustrierte Geschichte der Kriminalliteratur

 

Wo wir diese Grundlagenwerk aufgestöbert haben? Wir wissen es selbst nicht. Es liegt in gutem Zustand in der Redaktion und wurde immer wieder in die Hand genommen, aber durch aktuelle Krimis verdrängt. Denn Krimis sind flüchtige Ware und sie vergehen genauso schnell wie sie kommen. Aber diese Illustrierte Geschichte der Kriminalliteratur bleibt nicht nur bestehen, sondern sie schreit nach einer Fortschreibung, wobei sicher einiges überarbeitet wird. Vielleicht gibt es das schon längst und wir sind von gestern.

 

Gestern auf jeden Fall, da ist man solche Thematik noch richtig gründlich angegangen. Stimmt, man könnte mit Adam und Eva anfangen, oder doch besser erst mit Kain und Abel, was auch schon sehr lange her ist. Immerhin erfolgt in diesem Buch der Einstieg in der Antike, als Kunst und Literatur in voller Blüte standen, also im 5. Jahrhundert vor Christus, wofür der spätantike Autor Heliodor bemüht wird: „Kannst Du angeben, wie, wann und weshalb er den Mord beging?“ Das ist ein starker Einstieg und dies Buch hält in allem das, was man sich von einer gründlichen und sehr gut lesbaren Geschichte der Krimiliteratur verspricht. Zudem steht „Illustriert“ nicht nur im Titel. Allerhand, was da an Zeichnungen, Drucken, Fotos zusammenkommt.

 

Bei heutigen Filmen oder Büchern ist das nicht schwer, aber auch für das 19. Jahrhundert gibt es anschauliches Bildmaterial, das schon 1512 im Kapitel MITTELALTER mit dem Laienspiegel beginnt. Mit Auftakt im 17. Jahrhundert legt dann das 18. Jahrhundert mit Pitavalgeschichten – nach dem Advokat Pitaval schwierige und attraktive Rechtsfälle – und dem Räuber- und Schauerroman los. Hohe Zeit ist das 19. Jahrhundert, wo die Autorin eine Menge Genredifferenzierungen benennt, die alle einleuchten, wie die romantische Kriminalnovelle – E.T.A. Hoffmann – und der Meister des rational Irrationalen – Edgar Allan Poe -, der Familienkrimi – Willie Collins, Charles Dickens -, ach so viele, die alle erklären, warum wir heute im Kontinent Kriminalroman so viele Erdteile und in ihnen so viele Länder und in diesen so viele Regionen haben. Es ist alles schon einmal dagewesen. Aber die Menschen sind jeweils neu. Darum ist der Kriminalroman nicht umzubringen! Und wenn man es versuchte, würde ein Kriminalroman daraus.

 

Info:

 

Waltraud Woeller, Illustrierte Geschichte der Kriminalliteratur, Insel Verlag 1985/ 1984 by Edition Leipzig DDR