Serie: Deutscher Buchpreis 2011, Teil 7
Von Felicitas Schubert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Spannend ist es jedes Jahr. Aber mir scheint, daß in diesem Jahr die Bücher der Endausscheidung ‚homogener’ als sonst seien, was nicht an der Auswahl der Autoren liegt, liegt, nicht an den drei Schriftstellern und drei Schriftstellerinnen, nicht an ihrem Schreibstil, nicht einmal an den einzelnen Sujets, den Geschichten also, sondern in dem, was grundsätzlich Thema der Literatur ist: die Initiation. Die Initiation in das Leben als selbstbestimmter und es gestaltender Mensch.
Was mit „Wilhelm Meister“ nicht erst begann, wird konsequent über alle Jahrhunderte fortgesetzt, wobei das Erwachsenwerden – wie wir Erwachsenen wissen – mit Daten wie Volljährigkeit nicht abgegolten ist, sondern in jedem weiteren Alter, auch sehr hohem, seinen Weiterentwicklungspreis fordert. Aber, geben wir es zu, dramatischer ist einfach der Beginn, wenn nach den Irritationen der Pubertät mit Liebe, Freundschaft, Erfolg oder Mißerfolg gleichsam ein ritueller Eintritt in das neue und das entscheidende Lebensalter als Erwachsener beginnt. Doch, was heißt das, erwachsen werden? Das genau zeigen uns fünf der ausgewählten sechs Romane auf beeindruckende, beängstigende, mitleidsvolle oder kopfschüttelnde Weise. Immer muß man sich befreien bei seinem Selbstwerdungs- und Emanzipationsprozeß. Am allerstärksten von der Familie und dies genauso, wenn ein liebevolles Elternhaus wie Jan Brandts „Gegen die Welt“ vorhanden ist, oder ein Kind durch Schläge und seelische Mißhandlungen gedemütigt wird, wie Angelika Klüssendorfs „Das Mädchen. Und sicher ist es nicht einfacher, gar keine eigene Familie zu haben, auch wenn die Pflegefamilie liebevoll aufarbeiten möchte, was die eigentliche Familie an Verlassenheitsgefühlen und Gemeinheiten produziert hat wie in „Die Schmerzmacherin“ von Marlene Streeruwitz. Familie also ist das Thema von fünf der Bücher – Michael Büselmeier steuert mit „Wunsiedel“ einen Theaterroman bei, wie es einem ergeht, der Schauspieler werden möchte und Eugen Roth schließlich hat „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ einen Generationen und Kontinente überspannenden Familienroman geschrieben, der uns die aufgehende und untergehende DDR gleich mitliefert. Nur „Blumenberg“ von Sibylle Lewitscharoff fällt aus der Reihe. Aus der Reihe dieser Auswahl. Oder doch nicht? Familie also ist das Thema von fünf der Romane und wieder einmal fragt man sich, warum diese fünf? Denn genau in diesen Kontext hätte doch wunderbar Peter Kurzeck mit „Vorabend“ gepaßt. Die Jury ist uns nicht nur Erklärungen zur Auswahl schuldig, sondern auch zu denen, die nicht ausgewählt wurden. Erst recht, wenn so viele darauf gewartet hatten. Und nicht nur Leute aus Staufenberg, Oberhessen, wo der fünfte Band des zwölfbändigen bei Stroemfeld erscheinenden Zyklus „Das alte Jahrhundert spielt. Denn Kurzeck hat uns als literarisches Personal alle miterfaßt. Wir finden das ungerecht, daß er nicht dabei ist. Da geht es naturgemäß nicht um moralische Kategorien, da geht es um Bücher, die ausgewählt werden, weil sie den Puls der Zeit treffen oder just ihr Gegenteil und uns innehalten lassen im beschleunigten Takt, der niemals so schnell ist wie zur Buchmessenzeit. Heute Abend wird entschieden und sicher ist, daß schon bisher alle sechs Finalisten durch diese Auslobung für ihr Buch viel erreicht haben, Lesungen, Erwähnungen, Übersetzungen etc. Das ist auch richtig so, denn daß ökonomische Gründe mitausschlaggebend für die Einrichtung des Deutschen Buchpreises waren, den Kulturnationen wie England und Frankreich und selbst die USA als literarische Größe schon länger haben, inzwischen auch die Schweiz und Österreich in einer Sonderform, daß also ökonomische Gründe mitausschlagend waren, ist kein Makel. Im gewissen Sinn sind alle Finalisten Gewinner. Weil dies so ist, und diese Bücher Selbstläufer werden, wollen wir hier die Termine vomnicht berücksichtigten Peter Kurzeck gesondert ausweisen: Peter Kurzeck ist während der Buchmesse zum Paschen Literatursalon eingeladen, er liest auf der Buchmesse (Halle 3.1, Stand L685) am Freitag, 14. Oktober, um 13 Uhr. www.boersenblatt.net/457873/?t=newsletter Sie können Peter Kurzeck auch im ZDF-Nachtstudio am So.16.10., 00:15 sehen und hören.Und vor allem das Buch kaufen und lesen!