Serie: Jüngste Kriminalromane, mit und ohne auf der KrimiBestenListe zu stehen, Teil 2
Elisabeth Römer
Hamburg (Weltexpresso) – Eigentlich wollten wir die aufeinander gehäuften Kriminalromane danach sortieren, in welchen Kommissare oder sonstige Ermittler schon bekannte Figuren geworden sind, einfach, weil sie eine Serie bilden. Doch hat das Serielle derart überhand genommen, daß wir zumindest bei deutschen Krimis kaum mehr welche ohne Serienhelden haben.
Das hat ja auch Gründe, die wir verstehen. Denn so ein bekannter Kommissar bindet den Leser stärker an seine nächsten Fälle als es ein xy-Ermittler täte, die dauernd wechseln und wo wir uns an ihre Launen und Schrullen erst gewöhnen müssen und die Krimischriftsteller dauernd neue Namen und Charaktere erfinden müßten, statt uns mit bekannte Gesichter und unbekannten Fällen zu konfrontieren. Das macht bei allem Blut und Grausen das Lesen doch behaglicher.
Carl Nixon, Rocking Horse Road
Carl Nixon war der spannendste Erzähler Neuseelands auf der abgelaufenen Frankfurter Buchmesse 2012, auf der Neuseeland Gastland war und somit seine Buchproduktion weltweit auf der Frankfurter Messe vorstellen konnte. Der Roman verknüpft zwei Ereignisse. 1980 wird ein junges Mädchen ermordet aufgefunden. Am Strand, zu dem die Rocking Horse Road parallel verläuft. Auf dieser Straße haben die Eltern der Toten ein Milchgeschäft, wo die Tochter zum Schwarm der Jungen der Gegend wurde. Die wollen nun den Mörder finden und geben nicht auf.
Eine zweite Geschichte passiert ein Jahr später. Das Rugby-Team auf Tour durch das Land. Ein Land, in dem plötzlich Proteste gegen das existierende Apartheidsregime aufbrechen, die erstmals in der Geschichte des Landes zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten führt. Damit verliert das Land, verlieren die Spieler ihre Unschuld, die sie vorher deshalb besaßen, weil sie weiterführten, was Tradition war. Jetzt aber ist nichts mehr zu entschuldigen.
Wir erfahren viel über Neuseeland in diesem Buch, über die Landschaft, über die Leute. Wir verfolgen, wie die Gruppe der Jungen, die Lucy betrauern, älter werden und in Schüben nach dem Mörder suchen. Sie werden mit Wesenszügen ihrer Angebeteten konfrontiert, die sie nicht ertragen können, sie sehen Fotos, die nicht wahr sein können und erkennen einen Verführer, der auch gemordet haben muß. Ist es so?
Johan Theorin, So bitter kalt
Auch dies eine ansprechende Titelbildgestaltung: so grau, so schwarz, so weiß und - so rot der Schnabel, den der Storch geöffnet nach oben reckt. Was schnappt er gleich? Schon wieder sind wir in Schweden, einem Verbrecherland wie Dänemark wie Norwegen wie Finnland, nimmt man die Anzahl der literarischen Morde im Verhältnis zur Einwohnerzahl! Über diesen Thriller – was Kriminalromane sind, die die Spannung als wichtigstes Gestaltungselement allen anderen vorordnen – darf man nur den Ausgangspunkt sagen, weil nicht die einzelnen Handlungsschritte entscheidend sind, sondern eben die Ausgangssituation.
Da ist der junge Erzieher, der an den A.... der Welt geht, wie andere es ausdrücken würden. Es ist Westschweden, weit entfernt von den Städten und absolut kein Ort, an den man freiwillig geht. Doch Erzieher Jan Hauger tut es. Er will es unbedingt. Der Hort wiederum ist unterirdisch mit der benachbarten psychiatrischen Klinik verbunden. Denn man hofft, daß die Kinder die gefährlichen Kranken auf einen guten Weg bringen. Aber was will Jan Hauger hier? Hat er einen Verwandten als Insassen oder wieso tut er sich das an? Und in welchem Verhältnis steht er zum psychopathischen Mörder Ivan Rössl, der in der Klinik behandelt wird. Mehr sagen wir jetzt nicht.
Helon Habila, Öl auf Wasser
Das ist ein unter die Haut gehender Kriminalroman, weil er uns Menschen nahebringt, die wir wenig kennen, weil er uns mit Problemen konfrontiert, die wir wenig kennen und weil er uns von gesellschaftlichen Strukturen und menschlichen Verhältnissen berichtet, die wir auch nicht kennen. Und dennoch ist uns der Roman und das Geschehen ganz nah, weil es bei allen Unterschieden etwas Gleiches von und mit Menschen gibt.
Das ist das eine. Das andere ist, daß Habila verdammt gut erzählt. Er verwickelt uns in seine Geschichte, die zu unserer wird, wenn diese Britin, Ehefrau eines hochrangigen Exponenten einer Ölgesellschaft, verschwindet. Es ist eine Entführung und nun gehen der junge Journalist und der gealterte Starreporter auf die Suche nach den Tätern, die man in den Kreisen der Rebellengruppen vermutet. Ganz starker, hervorragend geschriebener Kriminalroman!
INFO:
Carl Nixon, Rocking Horse Road, Weidle Verlag 2012
Johan Theorin, So bitter kalt. Piper Verlag 2012
Helon Habila, Öl auf Wasser, Verlag Wunderhorn 2012