Patrizia Vespa ermittelt an der Amalfiküste, von Iris Mueller, Goldmann Verlag
Elisabeth Römer
Hamburg (Weltexpresso) – Für uns ist es das erste Zusammentreffen mit der italienischen Hauptkommissarin Patrizia Vespa, die immer im Doppelpack mit ihrer Kollegin Christina D‘Avossa im süditalienischen Salerno auftritt, handelt und die Morde aufklärt.
Dies ist wohl der zweite Kriminalroman um diese Kommissarin und eh wir uns über sie ein Bild machen, liegt es nahe, sich Salerno und die Amalfiküste anzuschauen. Stimmt, bei solchen Krimis wäre eine genauere Karte im Buch sinnvoll. Zwar ahnt man, wo die Gegend liegt, aber, da es im Roman sehr viele lokale und regionale Bezüge gibt, will man es halt genauer wissen und schaut nach. Aha, unterhalb von Neapel, wenn man nämlich nach Süden dem Golf von Neapel folgt , an Pompeji und Sorrent vorbei und um die Ecke biegt, liegt die Amalfiküste vor einem, in deren Scheitelpunkt Salerno liegt.
Und schon kann man die ständigen Autofahrten der beiden Kommissarinnen und den Bezug zum Meer sehr viel besser verstehen. Die Dritte im Bunde ist Gabriella Molinari, die Rechtsmedizinerin, wie man die Pathologen auch nennt, die chronisch überlastet – gibt also nicht nur in Neapel, sondern auch in Salerno viele Ermordete – und gerade einen neuen Kollegen erhält, Enrico, der sie nun unterstützt, bei allem dabei ist und einen guten Eindruck macht.
Patrizia lebt in ihrem Haus oben in Ogliara, einem hochgelegenen Vorort von Salerno, zwar hoch, aber doch ohne Blick auf den Golf und sie genießt geradezu sekündlich, wenn sie überhaupt zu Hause ist, ihren Status als Alleinlebende. Wenigstens bisher, denn zum Ende hat sie nichts mehr dagegen, daß Nachbar und Freund Gianni ihr Leben mit ihr teilt – zumindest im Urlaub. Bisher also Single, im Gegensatz zur Kollegin, besser: Freundin Christina, die sich um Mann und Kind zu kümmern hat, allerdings von der eigenen Mutter sehr unterstützt wird, denn die Arbeitszeiten einer Kommissarin lassen sich nicht planen, vor allem nicht, wenn auf einmal eine Mordserie alle in Atem hält.
Um was es geht? Raffiniert und dann doch etwas zu detailliert und so konsequent um all zu viele Ecken konstruiert, daß es gegen Ende vor der Auflösung richtig komplex wird, der Handlung zu folgen – was ja für Krimischreiber keine Unehre bedeutet, aber für den Krimileser, der natürlich Spannung will, die geboten wird, dann doch in Arbeit und Gehirnschmalz ausartet, die ganzen gespannten Fäden zusammenzubringen. Natürlich, die Lösung bringt die Autorin, bzw. die beiden Kommissarinnen, aber dem zu folgen, wird anstrengend.
Dafür lernt man eine Menge. Über Menschen immer in Krimis, aber hier vor allem über Renaissancemusik, konkret über Carlo Gesualdo, Pianist und Fürst von Venosa, der 1566 geboren und 1613 gestorben, für seine Madrigale besonders bekannt ist. Aber noch weitaus bekannter wurde er als Mörder, der zu seiner Zeit straflos blieb. Er hatte mit einer Freundesclique seine Frau mit ihrem Liebhaber in flagranti erwischt. Beide wurden ermordet, sogar das Kind, von dem er nun annahm, es sei nicht von ihm, wobei man davon ausgeht, daß Gesualdo seine Frau eigenhändig ermordete.
Na, ist dieser Gesualdo eine Figur, die im Krimi Platz hat.? Und ob! Eine clevere Entscheidung der Autorin, die dann aber darauf verzichtet, die Wirkung des Komponisten für die Nachzeit auch zu würdigen. Kein Wort von den ein, zwei, ach was, sogar drei Opern über ihn und eine über seine Frau und auch nichts über den Film von Werner Herzog GESUALDO – TOD FÜR FÜNF STIMMEN. Das wäre nicht schlimm und trägt ja zur Handlung auch nichts bei und wird nur erwähnt, weil man beim Lesen ständig den Eindruck hat, daß Iris Mueller viel Wert auf die kulturhistorischen, hier musiktheoretischen Hintergründe legt - was wir absolut goutieren - dann aber solche Zuckerln links liegen läßt...
Höchste Zeit, auf die Geschichte einzugehen, die mit einer unsympathischen Musikkritikerin Alessandra Amedeio anfängt, die nämlich das erfolgreiche Comeback der Sängerin Eleonore Salazar niederschreibt. Dennoch kein Grund für den Mord an ihr. Und mit dem Mord geht es los, der des Nachts nach dem Konzert auf dem Weg zum Auto im Dunkeln geschieht und bei dem es einem vor Furcht gruselt. Später ist man froh, die anderen Morde nur noch zu weitergesagt zu bekommen und nicht so unmittelbar dabei zu sein.
Alle Morde sind durch Musik begleitet, in Vorbereitung oder Nachbereitung, wozu noch neue, aber eigentlich in alter Madrigalemanier komponierte, aufgefunden werden, deren Spezialität darin bestehen, daß sie auf altem Papier mit neuer Tinte notiert sind. Die beiden Kommissarinnen bleiben am Ball, und verfolgen die Spuren die durch die neuen Morde gelegt sind, die alle in die Richtung Musik und Gesualdomadrigale gehen und mit einer überraschenden Lösung aufwarten, obwohl dann schon lange klar war, daß der Täter/die Täterin jemand sein mußte, der sowohl mit den polizeilichen Ermittlungen zu tun hatte wie auch mit dem personalen Umfeld der unnahbaren Sängerin Eleonore Salazar.
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Iris Mueller, Todesklänge, Patrizia Vespa ermittelt an der Amalfiküste, Goldmann Verlag