c austernDer vierte Fall für Kommissar Leblanc, von Catherine Simon, Goldmann Verlag, Teil 1/2

Elisabeth Römer

Hamburg (Weltexpresso) – Was sind bloß falsche Austern? Klar, man kennt schlechte, verdorbene Austern, deren Verzehr Durchfall und Erbrechen nach sich ziehen und die rohe Auster zu essen, kann auch sonst mit gesundheitlichen Risiken behaftet sein, aber falsche Austern?

Das klärt sich schnell, wenn Kommissar Leblanc erst den Mord an Albert Barat als Fall auf den Tisch bekommt und sich dann – erst einmal unabhängig davon und von seinem verhaßten Kollegen aus Le Havre aufgeklärt - das Gemälde STILLEBEN MIT AUSTERN UND ZITRONE von Eugène Boudin (1824 – 1889) als Fälschung herausstellt. Darauf also beziehen sich die ‚falschen Austern‘ und es braucht 251 Seiten, bis beides - zusammengefallen - auch aufgeklärt wird.

Dazu sind einige Informationen nötig, die im Krimi eingestreut, den kulturhistorischen und personellen Hintergrund aufbereiten, den Autorin Catherine Simon aus einsichtigen Gründen nutzt. Unter diesem Pseudonym schreibt die frankophile Autorin, die regelmäßig nach Trouville in die Normandie fährt und dort im legendären Hotel des Roches Noires lebt. In Deauville-Trouville befindet sich auch der Arbeitsplatz von Kommissar Leblanc, was man am Schluß konsterniert konstatiert, denn das Mordkommissariat wird aufgelöst und dem der größeren Stadt Le Havre einverleibt.

Als Leblanc nun am Sonntagmorgen ein Mord in Honfleur mitgeteilt wird und er sofort in diese wunderschöne Stadt an der Seinemündung fährt, entlarvt er sich, nachdem ihm der Name des Mordopfers Doktor Barat mitgeteilt wird, als Kunstbanause. Denn er fragt: „Ein Arzt?“. Das ist töricht, denn in der Gegend weiß jeder, daß Albert Barat seit drei Jahren der Direktor des Eugène Boudin Museums ist und in Personalunion dazu noch Direktor des größeren Kunstmuseums in Le Havre. Wenn man weiß, wie wichtig die Freilichtmalerei des 19. Jahrhunderts in Honfleur war, wovon die ganze Gegend noch heute lebt, ist das eine nicht zu verzeihende Bildungslücke. Aber leider wird Leblanc in diesem Krimi so abwirtschaften, daß wir vermuten, daß dies sein letzter Auftritt war, den ihm Autorin Catherine Simon gönnt. Ausgeschrieben?

Dabei stünde ihr doch in dieser Gegend der Kunsthimmel noch für viele Krimifälle offen. Denn auch der HIMMEL ÜBER HONFLEUR, vom selben Boudin gemalt, ist gefälscht worden, beides Bilder, die im real existierenden Boudinmuseum in Honfleur hängen – natürlich wieder im Original. Und leider wird über Boudin, der in Honfleur lebte, aber dessen Lieblingsmotive sogar die Strände von Deauville waren, also da, wo Leblanc lebt, nichts weiter erzählt. Dabei war Honfleur die zentrale Anlaufstelle in der Zeit der Freilichtmalerei, die ab irgendwann Impressionismus genannt wurde. Und Monet galt Eugène Boudin als der Vater dieser Malerbewegung. Er war insbesondere der König der Himmel, die nirgends wo weit und so licht sind wie dort.

So viel mußte gesagt werden, damit verständlich ist, daß hier nicht irgendwelche lokalen Zwistigkeiten per Mord ausgetragen werden, sondern zwei Zeitereignisse den Kriminalkommissar herausfordern: die internationale Bewegung der Kunstfälschungen und die nationale Probleme, die die Kolonisierung Algeriens mit sich brachte: den Zuzug von Franzosen dorthin, die Unabhängigkeit Algeriens, den Rückzug vieler Algerienfranzosen - pieds-noirs - in die Heimat plus des zusätzlichen Zuzugs vieler Algerier, die als Muslime eine eigene Kultur und eigene Religion mitbringen, hier dargestellt an der großen Moschee in Le Havre, der der Nordafrikaner, nicht der der Türken...

Foto:
© Cover

Info:
Catherine Simon, Falsche Austern. Der vierte Fall für Kommissar Leblanc, Goldmann Verlag 2018