Frankfurt Buchmesse 2011, Teil 9: Preis für den kuriosesten Buchtitel
von Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die ZDF-Aspekte-Moderatorin Luzia Braun war anderer Meinung. Ihr Favorit für den kuriosesten Buchtitel der letzten Saison hieß „Die Moldau im Schrank“ von Nina Maria Marewski aus dem bilgerverlag. Und wie sie das herrlich begründete, kommt später. Mit ihr auf dem Podium und in der eigentlichen Jury saßen Männer: Sprachhistoriker Bodo Mrozek und Hans-Dampf-in allen Gassen Eckart von Hirschhausen; unterstützt von weiteren Männern, wie Alexander Weber von Bloomsbury Berlin und Elmar Krekeler von der Literarischen Welt. Und das war das Kuriose an der Preisverleihung zum kuriosesten Buchtitel 2011, der für „Frauen verstehen“ ausging: keiner merkte, daß das in einer Männerrunde überhaupt nicht kurios ist, „Frauen verstehen in 60 Minuten“, daß es erst kurios würde, wenn man daraus „Frauen verstehen in 60 Minuten und entsprechend handeln“ gemacht hätte.
Verstehen nämlich reicht nicht, die Konsequenz aus dem Verstehen ist gefragt.Dann nämlich hätten sich die zwei bis vier Herren auch anders gegenüber der einzigen Frau in der Runde verhalten. Sie hätten ihren Argumenten gelauscht und sie in sich aufgenommen, hin und her gewogen und befolgt! Dann wäre „Die Moldau im Schrank“ die Preisträgerin geworden und mit ihr die Autorin Nina Maria Marewski und Verleger Bilger aus Zürich.
Zum Schreien dann die Reminiszenz an die vergangen Jahre, wo Titel wie „Opium bringt Opi um“ das Plenum genauso zum Lachen brachte wie „Begegnung mit dem Serienmörder: Jetzt sprechen die Opfer“, auch „Ihr Pferd ist tot. Steigen Sie ab“ ist mitten aus dem Leben gegriffen. Und so galt die kurze Diskussion auch der Frage, was einen Titel eigentlich zu einem preiswürdigen kuriosen Titel macht. Es ist das nicht Kalkulierbare, das wirklich so Gemeinte, die fehlende Absicht, komisch zu sein, was ausschlaggebend dafür ist, überhaupt im Wettbewerb um den Preis ernstgenommen zu werden.
Das fängt erst einmal mit den Lesern oder doch eher den Fachleuten, wie Bücher an den Mann und die Frau zu bringen sind, an: Zum vierten Mal hatte Schotts Sammelsurium in Kooperation mit dem Branchenmagazin BuchMarkt dazu aufgerufen und mit 4 300 Antworten überwältigenden Zuspruch erhalten. Der Aufruf galt skurrilen und kuriosen Buchtitel, die den Leser zum Schmunzeln, Grübeln oder Staunen bringen, für die Auszeichnung vorzuschlagen. Dann aber ist die Jury dran.
Und die stellte analog dem Deutschen Buchpreis eine Zehnerliste (dort sind‘s zwanzig), eine lange Liste auf. Aha, daher kommt das tote Pferd; und „Das katholische Abenteuer“ eines gewissen Matthias Matussek war als Sachbuch auch dabei. Auch „Glibber bis Gräzist“ ist nicht ohne und überhaupt hat man viel Spaß, diese Titel zu studieren. Aber die Auswahl durch die Jury? Die fiel dann erst auf sechs und dann auf drei Titel, zu denen außer den erwähnten noch „Kaninchen besser verstehen: Verhalten beobachten und Probleme lösen“, von Christiane Kautz aus dem Kosmos Verlag gehörte.
Aha, haben wir und da gleich gedacht. Drei Frauen in der Auswahl. Den Frauen fällt doch immer was ein und sei es noch so kurios. Und so fiel Luzia Braun zur „Moldau im Schrank“ ihr eigener ein, aus dem, wenn sie ihn öffnet eine Flut von Kleidern entgegenströmt und sie konstatieren muß: „Ich habe nix zum Anziehen. Nix, was paßt.“ Das können Männer eben nicht verstehen. Darum hat das schon seine Richtigkeit, daß sie Titel auswählen. wie den ausgelobten, denn sie brauchen die Kenntnis von Frauen tatsächlich. Von Kaninchen wahrscheinlich auch. Die Kenntnis der Bücher also.
Nur leider sind da die Statuten vor, denn es geht nur um die Titel der Bücher, die selbst überhaupt nicht gelesen werden. Also wird bei den fünf Herren auf dem Podium die Preisverleihung folgenlos bleiben. Wir aber haben uns geschworen, daß wir sofort uns um „Die Moldau im Schrank“ kümmern werden. Das Buch lesen. Die Autorin interviewen. Den Verleger fragen. Denn „Frauen verstehen“, dazu brauchen wir keine 60 Minuten. Das tun wir eh.