Frankfurt Buchmesse 2011, Teil  11: Hoffmann und Campe stellt das neue Programm noch immer vor
 
von Felicitas Schubert
 
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Günter Berg begrüßte als nächste Autorin Julia Friedrichs mit „Ideale. Auf der Suche nach dem, was zählt.“ Sie wurde auf einen Schlag bekannt durch das Buch über die Eliten im Land. Auch jetzt ist sie auf der Suche nach gesellschaftlicher Wahrheit. Ihre Basis sind jeweils die Gespräche mit Leuten, wo sie nachfragt: „Braucht es Ideale. Wer hat welche. Und kommen wir damit weiter?“
 
Sie beruft sich auf ihren Prolog, was mit dem Untertitel des Buches  zu tun hat. Sie mußte sehr viele Leute besuchen. Damals, bei den Eliten war sie verwundert, daß der Aufstieg der Leute, ganz ohne Begründung ihrer Inhalte passierte. Allein „Aufstieg“ war das Wort, um das es ging. Diese Erfahrung brachte sie eben auch auf die Suche nach den Idealen. Was also treibt die Leute an? Das fragte sich die Autorin, die keiner Partei angehört, keine Vorbilder hat und nur einer Gesinnungsgruppe angehört: Werder Bremen. Sie nahm aber auch wahr, daß ihr und ihrer Generation etwas fehlte. Darum die Suche. Aber erst einmal legte sie eine Lebensbeichte vor sich selbst ab, den gerade geborenen Sohn mit seiner Zukunft im Kopf.  Dann ging sie zu verschiedenen Leuten: zu Schröder, nach Belgien, zu Peter Hartz, Günter Grass, Ingo Schulz, lauter erfolgreiche Männer.
 
Frauen? Die kommen als verachtete „Gutmenschen“, was wiederum sie verachtet, mit einem solchen Wort gesellschaftlich verantwortliches Verhalten zu belegen: zu Wort kommen eine Kindergärtnerin und eine Schönheitschirurgin, die  4 500 brutto im Monat verdient, mit einer Operation nach der anderen, jeden Tag. Für sie selbst hat sie daraus gewonnen: den Idealismus der Schnecke. Gute Vorsätze darf man beibehalten, aber kleine Weltverbesserungsansätze verwirklichen, statt bedeutender Umwälzungen, die nicht passieren.
 
Das letzte Buch, der letzte Roman von Karl-Heinz Ott, die früheren benennt der Verleger, spielt in der Zeit Rousseaus, des 18. Jahrhunderts? Da ist einer, der hinter der eigenen Vorstellung der Erziehung hinterherläuft. Ott will nicht erzählen, worum es in „Wintzenried“ geht. Er liest eine Passage vor, ziemlich vom Anfang, damit man die Aura des Buches spürt.
 
Will Rousseau Voltaire werden oder Komponist? Jean-Jacques  findet die Mama nicht, sucht den Vater auf, zieht weiter nach Lausanne. Dort gibt er sich als Komponist aus. Zwei Wochen hat er Zeit, ein kleines Menuett aufzuführen. Aber wie schreibt man Noten? Tag und Nacht arbeitet er daran, von Lausanne sieht er nichts. Beim Zuhören denkt man sich, daß die vorgelesenen Sätze über Musik einem selber bewegt musikalisch dünken. Den so leicht ironischen Ton des Autors beim Sprechen wird man mitnehmen beim Selberlesen. „Andererseits geht nichts schief, solange es nicht losgeht.“, ist auch so eine Lebensweisheit, die man sich merken muß.
 
Der eigene Ton von Ott bleibt durchgehend. Höchst komisch beschreibt er das Dirigentenspiel. Wie Rousseau mit den Armen fuchtelt, aber nichts passiert, ist so eine Passage, bei der man sich schwört, dies „Wintzenried“ zu goutieren und sich die Vorläuferbände doch einmal näher anzuschauen. Das entschädigte auch dafür, daß man Wolf Biermanns neueste Tat „Fliegen mit fremden Federn. Nachdichtungen und Adaptionen“ nur als Papier, wenn auch in gebundener Form vor sich liegen und am Stand stehen hatte. Er selbst war aber auf der Buchmesse unterwegs und hat ordentlich seine Arbeit am Stand und etliche Lesungen in Frankfurt vollzogen.
 
Bleibt die Verleihung des Julius-Campe-Preises am Buchmessenfreitag an den Publizisten in der Alten Oper! Mei, ist das schön gewesen. Da haben sich Preis und Preisträger auf hohem Niveau gefunden. Aber wie es mit geistreichen Reden – die des lobenden Günter Berg und die des dankbar antworteten Preisträgers Roger Willemsen – so ist, sie lassen sich nicht adäquat in schlichtem Zeitungsdeutsch wiedergeben. Aber das Gefühl, daß man froh war, so kluge und sprachlich wohltuende Sätze und Gedanken über unser Leben zu hören, das bleibt und macht auch dankbar. Es war die zehnte Verleihung. Der Preis ist noch lange nicht volljährig. Aber uns schien das eine feine Idee, die über zehn Jahre nun ausgesprochenen lobenden Worte des Günter Berg und die dankbaren der Preisträger in einem kleinen feinen Büchelchen auf dem Nachttisch haben zu können. Für alle Fälle sozusagen.