Zum heutigen achtzigsten Geburtstag von John le Carré

 

von Elisabeth Römer

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Gern geschehen, Mister, hätten wir bei jeder Lobpreisung des englischen Gentlemen und Weltschriftstellers - und als David Cornwell geboren - am liebsten immer hinzugefügt, denn selten ist uns das Lesen und das Vergnügen daran so leicht gefallen, wie bei dem Meister des Agentenromans, der weltverwickelnden Spionagetätigkeit, der moralischen Keule, die am Schluß dann doch dafür sorgt, daß die Welt sich weiterdrehen darf, auch wenn nicht immer die Schuldigen bestraft werden, weil deren Netz, deren Kniffe und Tricks eben auch weltweite Wirkung haben und die brave Polizeiarbeit immer wieder düpieren. Was uns nicht stört, denn es war nur auf dem Papier, Papier ist geduldig und wie die Welt auszusehen hätte, das allemal hat le Carré ganz deutlich zwischen den Zeilen ausgesprochen: besser eben.

 

 

Insofern freuen wir uns aufrichtig, daß angesichts dessen, daß wir von so vielen geistreichen Männer und Frauen durch Krebs und andere Leiden viel zu früh Abschied nehmen müssen, wie gerade vom verehrten Friedrich Kittler, daß der alte John erstens noch lebt, der Grandseigneur des politischen Thriller und daß er zweitens noch so voller Schaffenskraft  2010  „Verräter wie wir“ und 2008 „Marionetten“, beide im Ullstein Verlag, in deutscher Übersetzung herausgebracht hat. Weil sich bei ihm Information mit politisch aufrechter Überzeugung, flüssige Schreibe mit skurrilen Charakteren, die Welt mit dem kleinen Dorf treffen und mischen, sind wir auf die Folgeromane so gespannt, bei denen wir uns wünschen, daß die Helden, die müden, die kaputten, die guten und die schlechten doch wieder durch Deutschland streifen, auf daß wir mitkriegen, was in unserem Land überhaupt los ist. John le Carré weiß es.

 

Das nämlich ist eine der bevorzugten Fähigkeiten vom alias John le Carré, daß man durchsieht, hellsieht, wenn man sich auf die von ihm gesponnenen Fäden einläßt und immer ein bißchen klüger, weiser, trauriger, aber auch getröstet aus den dicken Schinken nach der letzten Seite wiederauftaucht. Unterhalten Sie sich einmal mit dem Meister auf Deutsch. Ein Vergnügen, denn er liebt die deutsche Sprache doch ein mehr als die meisten Deutschen. Er kennt sie besser und er hat sich mit Deutschsein und Deutschland sowie seiner Geschichte einfach mehr auseinandergesetzt als der normale Deutsche.

 

Hinreißend hat er das alles vor Jahr und Tag begründet, als er erklärte, weshalb für ihn „elf Jahre im gulag englischer Internate“ genug gewesen seien und er nur vier Jahre nach Kriegsende in die Schweiz floh, um ausgerechnet Deutsch zu studieren. Er habe eigentlich die deutsche Seele suchen wollen, wozu er die Sprach halt gebraucht habe. Dies alles aus derselben Neigung, demselben Interesse, aus dem heraus er auch seine Romanfiguren entwickelt: dem Anschein des absolut Bösen. Klar, jeder Deutsche war ein Nazi und die deutsche Sprache versaut. Gerade diese Eindeutigkeit in der Weltmeinung, zu der die englische Meinung über die Deutschen als Volk der Übeltäter keinen geringen Einfluß hatte, gerade diese Eindeutigkeit des Bösen schlechthin hat ihn interessiert. Und wo Interesse ist, ist der Weg der Erkenntnis möglich.

 

So auf jeden Fall erging es dem damaligen David John Moore Cornwell, der mit seinen Deutschkenntnissen erst einmal die Lager in der britischen Besatzungsarmee unterstütze, will sagen, den Lagerinsassen half, ihre individuelle Geschichte den Engländern zu erklären, damit sie nach Jahren der Fronarbeit unter den Nazis nicht erneut eingesperrt blieben. Später hat er auch in England Deutsch studiert, hat in Eton Deutsch unterrichtet, beim britischen Auslandsgeheimdienst gearbeitet, wo er seine Sprachkünste in Hamburg und Bonn gut einsetzen konnte. Seit 1964 verläßt er sich nur noch auf sein Schreiben unter seinem weltweit bekannten Pseudonym, das er heute allerdings schon bei jedem Klappentext öffentlich macht, denn das Copyright seiner Bücher liegt immer bei David Cornwell.

 

Nimmt man sich die zahlreichen Werke noch einmal vor, so sieht man als roten Faden zum einen den Ost-West-Gegensatz, das, was wir traditionell Kalten Krieg nennen. Der ist doch eigentlich vorbei, aber nicht so ganz, denn nicht nur mit den Auswirkungen haben wir im Westen immer noch zu tun, auch dann, wenn wir vor der eigenen Haustüre kehren. Vor allem aber herrscht in manchen Ländern jenseits des doch eigentlich verschwundenen Eisernen Vorhangs noch fürchterliche Kälte, daß man um Menschenleben bangen muß. Wie gesagt, hält er beim Schreiben auch dem Westen immer wieder den Spiegel so vor, daß es politisch weh tun, weil nichts für sich schon gut ist, sondern täglich das Gute gegen Widrigkeiten erzwungen und erkämpft werden muß.

 

Die Liste seiner Bücher ist ellenlang, weshalb sein drittes Buch, jedesmal als Kennzeichen seines Welterfolges genannt wird: DER SPION DER AUS DER KÄLTE KAM. Klar, daß so spannende Inhalte und politische Verwicklungen sich sehr gut als Drehbücher für Filme eigneten. Aber jeder Film brachte dann wieder einen neuen Leser als Ergebnis, weil der eigene Kopf beim Lesen den Thrillerautor le Carré viel besser ergänzt als es ein Film könnte. Für die Phantasie und viel Glück, Mister!