c leonhardttheaterTheaterfördervereine und ihre Protagonisten in Frankfurt seit 1924

Katharina Klein

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die reichhaltig bebilderte Publikation „Aus der Krise geboren. Theaterfördervereine und ihre Protagonisten in Frankfurt am Main seit 1924“ von Dr. Theresa Victoria Leonhardt nimmt den Leser mit auf eine Reise hinter die Kulissen der Frankfurter Kulturlandschaft und rekonstruiert anhand verschiedener Vereine das – vor 1933 zu großen Teilen jüdisch geprägte – private Engagement für die Oper und das Theater in Frankfurt am Main seit 1924 bis in die Gegenwart hinein.

„Mit ihrer Studie schließt die Autorin eine Forschungslücke der Frankfurter Stadtgeschichte und zieht dabei auch Vergleiche zu anderen Städten“, unterstrich Dr. Evelyn Brockhoff, Leitende Direktorin des Instituts für Stadtgeschichte Frankfurt am Main sowie Geschäftsführerin der Frankfurter Historischen Kommission und der Frankfurter Gesellschaft für Frankfurter Geschichte e. V., die Bedeutung der vorgestellten Publikation. Bis ins erste Drittel des 20. Jahrhundert trugen und förderten private Aktiengesellschaften, Vereine und Mäzene die Frankfurter Bühnen. Die Mitgliederliste des Frankfurter Patronatsvereins mit Namen wie Rothschild, von Weinberg, Landmann, Dreyfus, von Passavant, von Schnitzler, Swarzenski oder Simon liest sich wie das „Who is Who“ der damaligen Frankfurter Gesellschaft.

„Die Bürger sprangen ihren Bühnen nicht nur 1924 mit der Gründung des Patronatsvereins an die Seite, als die Theater die Auswirkungen der Inflation zu spüren bekamen, sondern auch 1930 nach der Weltwirtschaftskrise, als anlässlich des 50-jährigen Opernhausjubiläums der Verein Opernhilfe e. V. initiiert wurde, um neue Besucherkreise zu gewinnen“, stellte Leonhardt die Förderbereitschaft heraus. Erst die Weltwirtwirtschaftskrise und die während der NS-Zeit vollzogene Gleichschaltung führten zu einem Einschnitt. Bei der Frage nach dem Zeitpunkt der Gründung, der Wirkungsweise, der Mitgliederzusammensetzung sowie der Finanzierung der Vereine, kristallisierten sich für die Mainmetropole wiederkehrende Muster, personelle Überschneidungen und vor allem ähnliche Ausgangssituationen heraus.

„Speziell wenn Krisen die hiesigen Bühnen bedrohten, kam das herausragende bürgerschaftliche Engagement zum Tragen, für das die Frankfurter Gesellschaft bekannt ist“, betonte Leonhardt. Nachdem der bürgerschaftliche Partizipationswille während der NSDiktatur unterdrückt und eine Mitbestimmung der Bevölkerung in Vereinen oder Aktiengesellschaften durch die Verstaatlichung der Kulturbetriebe unterbunden worden war, ließ die Sehnsucht nach Theater und Oper die Künstler bereits kurz nach Kriegsende in Behelfsstätten spielen und engagierte Bürger gründeten ihrerseits Vereine zum Wiederaufbau der zerbombten Gebäude.

So nahm der 1933 aufgelöste Frankfurter Patronatsverein – unter dem Vorsitz von Peter Bartmann – seine Arbeit für das zerstörte Schauspielhaus 1948 wieder auf. Auch das 1880 mit Hilfe einer Aktiengesellschaft erbaute alte Frankfurter Opernhaus profitierte nach 1945 vom bürgerschaftlichen Engagement. Zunächst wirkte die Initiative „Rettet das Opernhaus“ um Max FleschThebesius und später die von Fritz Dietz gegründete „Aktionsgemeinschaft Opernhaus“ dem drohenden Abriss der Ruine entgegen. „Man veranstaltete Tombolas und Benefizkonzerte, verkaufte Weihnachtskarten und kooperierte mit der Industrie“, skizzierte Leonhardt die Kreativität der Spendenakquise. Nicht umsonst galt die Aktionsgemeinschaft schon bald als die bis dahin erfolgreichste Bürgerinitiative der Bundesrepublik.

Auch auf die Bedeutung des Wiederaufbaus der Alten Oper für das Image der Stadt Frankfurt Anfang der 1980er Jahre geht die Autorin in einem Kapitel ein. Neben den Vereinssatzungen, Mitgliederlisten und Mitgliedsausweisen finden sich im Buch auch Zeitdokumente wie Briefe und Plakate. Zudem gewähren ein Kapitel zu den legendären Timbuktufesten und ein Exkurs zum heute in Vergessenheit geratenen Künstlerstammtisch „Abgeschminkt“ dem Leser einen Einblick in das bunte gesellschaftliche Leben Frankfurts seit den 1920er Jahren. Die eindrucksvollen Netzwerke der Protagonisten der Vereine sind u.a. durch ein detailliertes Personenregister erschlossen.

Die Publikation basiert auf Leonhardts 2015 mit dem Sonderpreis des „Johann-Philipp-von-Bethmann-Studienpreis“ ausgezeichneter Dissertation, die die Frankfurter Historische Kommission in Verbindung mit der Gesellschaft für Frankfurter Geschichte e. V. und dem Institut für Stadtgeschichte mit geringfügigen Änderungen als Band 65 der „Studien zur Frankfurter Geschichte“ veröffentlicht.

„Ihr Werk zeichnet sich nicht nur durch ein intensives Quellenstudium aus, sondern berücksichtigt durch Interviews mit 27 Experten wie Hilmar Hoffmann, Max Hollein, Petra Roth, Michael Hauck oder Bernd Loebe auch aktuelle Entwicklungen. So spricht diese Publikation nicht nur die theaterwissenschaftlich interessierte Leserschaft an, sondern durch den starken Lokalbezug bis in die Gegenwart hinein auch stadtgeschichtlich interessierte Frankfurter“, bemerkte Brockhoff zum Facettenreichtum des Werkes.


Biographie der Autorin

Theresa Leonhardt wurde 1985 in Frankfurt am Main geboren. Nach dem Abitur studierte sie in London, Wien und am Mozarteum in Salzburg klassischen Gesang und debütierte 2007 in einer Neuinszenierung von Mozarts „Le Nozze di Figaro“ am Opernhaus Pilsen. Im Anschluss absolvierte sie ein Masterstudium in Betriebswirtschaftslehre (MEB) an der ESCP Europe (Berlin/Turin) sowie ein Kulturmanagementstudium (EMAA) an der Universität Zürich. Neben einer regen Konzerttätigkeit als Mezzosopranistin sammelte sie im Bereich der Kulturadministration Praxiserfahrungen u.a. bei den Salzburger Festspielen, der Bayerischen Staatsoper, der Metropolitan Opera (NY) sowie der Kunsthalle München. Ihre von Prof. Dr. Christopher Balme (Lehrstuhl für Theaterwissenschaft) und Frau Prof. Dr. Elisabeth Kraus (Historisches Seminar/ Neueste Geschichte und Zeitgeschichte) betreute Dissertation sollte bewusst die Bereiche Kultur und Wirtschaft sowie die Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements miteinander verbinden. Die Arbeit wurde 2015 mit ‚magna cum laude‘ an der Ludwig-Maximilians Universität in München bewertet und im gleichen Jahr mit dem „Johann-Philipp-von-BethmannSonderpreis“ der Frankfurter Historischen Kommission ausgezeichnet.

Foto:
©

Info:
Das 480-seitige, reich bebilderte Buch ist im Societäts-Verlag (ISBN 978-3-95542-298-1) erschienen und zum Preis von 30 Euro im Institut für Stadtgeschichte und im Buchhandel erhältlich