Ein Fantasy-Roman, der auch in Osthessen spielt
Hanswerner Kruse
Schlüchtern-Elm (Weltexpresso) - Marion Klingelhöfer stellt am 6. November auf der Burg Brandenstein in Schlüchtern ihr neues Buch „Das Tor der Zeit“ vor. Es ist die Fortsetzung ihres ersten Romans „Die Söhne Kordins“, den sie vor vier Jahren veröffentlichte.
„Mara, bitte suche das Tor der Zeit“, fleht in einer traumartigen Séance ihr verzweifelter Bruder, der in eine andere Welt entführt wurde. Die Erlebnisse der jungen Zauberhexe Mara und ihres Traumprinzen Aurelius bei der Befreiung des Bruders, stehen im Zentrum des zweiten Fantasy-Romans der Elmer Autorin. Im ersten Band der Mara-Trilogie erlöste die junge Hexe den Königssohn Aurelius aus der Metamorphose einer Verfluchung, erlebte mit ihm die erste Liebe und folgte ihm in sein Schloss. Doch die finsteren Mächte, die Aurelius einst vertrieben und ihn mit einem abstrusen Zauber belegten, wirken unbemerkt von den Liebenden weiter: Das Böse ist noch nicht besiegt.
Durch das „Tor der Zeit“ (ähnlich wie in Frank Schätzings letztem Werk „Die Tyrannei der Schmetterlinge“) reisen Mara und Aurelius aus ihrer Welt in die unsere im Jahr 1522. Dort geraten sie in einen Wald bei Elmna, nahe der Burg Brandenstein, in der ein sadistischer Despot seine Opfer festhält. Hier in der Nähe des Kastells versteckt sich Maras Bruder, voll Angst, von den Schergen des Tyrannen entdeckt zu werden.
Klingelhöfers neuer Roman ist (noch) fantastischer und komplexer als ihr erster. Sie erzählt Geschichten in der Geschichte: etwa die Erlebnisse von Menschen, deren Seelen neben der Burg Brandenstein herumirren, weil sie keinen Frieden finden können.
Es gibt nun leidenschaftliche Liebesszenen, die im Debütroman nur angedeutet wurden, und wunderbare Naturbeschreibungen. Aber die Leser erleben auch brutale Kampfszenen, denn die Bösen sind absolut widerwärtig: Die Autorin schreibt da weiter, wo die Grimm’schen Märchen aufhörten. Ihre kräftigen Schilderungen wechseln zwischen spannenden und sanften Bildern.
Erneut sind Klingelhöfers Fantasietexte keine spiritistische Flucht aus der Realität oder Verklärungen des Mittelalters (sie meint selbst, dass sie früher wahrscheinlich als Hexe verbrannt worden wäre). Doch sie liebt in unserer entzauberten und durchrationalisierten Welt die finsteren Dramen und fantastischen Ereignisse früherer Zeiten: „Ich möchte so viel Fantasie ins wirkliche Leben bringen wie möglich!“
Wenn sie schreibt hat sie kein Konzept, sondern ihre Geschichten entwickeln sich (meist) von alleine. Sie staunt selbst, was den von ihr erfundenen Figuren plötzlich einfällt und wie sie sich benehmen. „Mein Schreiben ist wie eine Reise, ich bin völlig weg und muss weinen oder lachen“, erklärt sie. „Das Schöne, Bedrohliche oder Eklige erlebe ich innerlich mit, wenn ich schreibe.“
Foto:
Marion Klingelhöfer mit ihrem neuen Buch in der Burg Brandenstein
© hwk
Info:
Lesung im Beisein der Familie Brandenstein am 6. November um 19 Uhr in der Burg oberhalb von Schlüchtern-Elm. Der Eintritt ist frei.
Marion Klingelhörer „MARA Das Tor der Zeit“, 150 Seiten, Edition Knurrhahn / Thomas Rüger Verlag, 13,80 Euro
Buchauszug aus der Reise durch „Das Tor der Zeit“:
Verziert mit Ranken und Blumen, mit Zeichen und Schriften, die sie nicht deuten können, steht schließlich das imposante Tor der Zeit vor ihnen. Sie müssen schlucken. Zu genau wird ihnen bewusst, dass sie jetzt Teil eines Rädchens sind, Teil eines riesigen Kosmos, vor dessen Ausmaßen sie nicht die geringste Ahnung haben. Sie fühlen sich kleiner als klein. Winzig. Unsichtbar. Und doch sind sie wichtig. Entschlossen blicken sie sich in die Augen (...) Gewaltig ist das Tosen, als sie durch das Tor hindurchschreiten. Steine fliegen an ihnen vorbei, Farben in allen Schattierungen ziehen durch sie hindurch. Es knallt, tobt und zerrt an ihren Ohren, ihre Gesichter werden auseinandergezogen, fallen ein, blähen sich wieder auf. Sie taumeln und fallen, werden gleich darauf hochgerissen, davongetragen von Wolken, die keine Wolken sind. Jahreszahlen fliegen an ihnen vorbei, Gesichter tauchen auf, verschwinden wieder, Menschen schreien, rufen, weinen, lachen. Krachend stürzt etwas massiv auf die Erdkugel ein. Ein Heulen und Jammern entsteht, minutenlang, dann helle Lichter, Wetterleuchten ... Blitze ... Dinge tun sich vor ihren Augen auf ... Unbekanntes, nie Gesehenes ... Und schließlich, nach langer, schier endlos währender Zeit werden sie brachial aus dem wild zirkulierenden Strudel geschleudert und bleiben mit schmerzenden Gliedern auf einer Fläche liegen, die sie zwar fühlen, aber noch nicht sehen können.