Autor Christian Y. Schmidt auf Zaijian-Lesereise im Konfuzius-Institut in Frankfurt am Main, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wie interessant es sein muß, in einem Land, das sich so rasant verändert, zu leben, das konnte man in den gebotenen Kolumnen, wie denen über die „Pekinger U-Bahn“, „Bad Peking“, „Komm rüber, Karl Theodor“ und vor allem denen über die noch billigen Mieten, dem billigen Einkauf, hier besonders von verbotenen DVDs, richtig gut nachempfinden. Das war stimmig und lustig auch.

 

Christian Y. Schmidt schwärmte geradezu vom Leben in Peking, vor allem, wenn man als ausländischer Journalist – selbst dann, wenn man fälschlich als b-Kategorie eingeschätzt wird – honorig behandelt, will sagen: gebauchpinselt wird. Ein Leben in der Hauptstadt von über 1 340 000 000 Einwohnern, in der selbst über 12 000 000 Menschen wohnen, muß interessant und widersprüchlich sein. Andere sagen sogar, wenn man Wochen weg war, findet man sein Zuhause nicht wieder, weil neue Straßen und Wohnblöcke den Stadtteil verändern – und die Menschen auch?

 

Er meint es ja nicht ernst, er ist ein Satiriker“, meinte eine anwesende Schmidt-Kennerin vor eigenen Gnaden uns aufklären zu müssen. Dafür wollen wir den Autor nicht verantwortlich machen. Die Satire und der Humor sind ja durchaus ein stilistisches Mittel, um knallhart und elegant zugleich die Wahrheit in die Welt zu schmuggeln. Allem, was er über China sagt, lauscht man gern – und das, was uns am Buch nervte, das kommt hier überhaupt nicht zur Sprache. Ein Großteil am Anfang und dann wiederholt zum Schluß ist der Autor damit beschäftigt, im bundesrepublikanischen Stellungskampf unter großen Buben in den nachachtundsechziger Männerstreitigkeiten, wer die glaubwürdigere gesellschaftspolitische Welterklärung habe, Position zu beziehen gegen...ja, eigentlich, wer Recht hat damit, ob man China auch von außen kritisieren und auf einen demokratischen Weg (völlig einverstanden, daß dieses eine Leerformel ist, wenn man so manchen westlichen oder vom Westen unterstützten Staat anschaut) zwingen will oder ob man auf die inneren Kräfte dieses ältesten Kulturvolks der Welt setzen soll, ihre eigene Gesellschaft mit ihren eigenen Mitteln aufzubauen.

 

Daß ihm Ai Weiwei da gerade recht kommt, kann man verstehen, aber man versteht auch, daß es sich Schmidt im Abwehrkampf gegen die internationalen Chinakritiker ein bißchen leicht macht, denn er schmeißt die internen Kritiker genauso in einen Topf wie die von außen. Am selben Tag erschien in der ZEIT auf einer ganzen Seite einer China-Analyse von Helmut Schmidt, die spannend ist und deren Konsequenzen – hier: die Chinesen schon machen zu lassen – man gerne auf dem Hintergrund der Schmidtschen Kolumnen mit ihm hätte diskutieren wollen. Aber um Diskussion ging es an diesem heiteren und warmen Spätnachmittag gar nicht. Das haben dann auch wir verstanden – und akzeptiert.

 

P.S. Trotzdem, lieber Autor und lieber Veranstalter, daß einem die Nachfrage nach der Schmidtschen Tochter in einem Nachgespräch doppelt ausgeredet wurde, denn es gäbe eine und außerdem habe er auch nicht über eine solche geschrieben, und einem stattdessen eine Verwechslung mit einer anderen Lektüre unterstellt - ach was, das klingt zu dramatisch, es war ja ein harmloses Gespräch - , also eine Verwechslung mit einem anderen Buch von einem anderen Autor nahegelegt wurde, das hat uns dann schon verblüfft, denn wir hatten ja gefragt, weil wir genau von dieser Tochter im HASENDRACHEN gelesen hatten.

 

Aber da Frauen nicht so gerne Rechthaber sind und zudem – siehe die chinesische Ehefrau – immer das letzte Wort haben, wollen wir dem Autor und dem netten Mann vom Konfuzius Institut die Tochter-Stellen aus HASENDRACHEN gerne zitieren: In MEIN PERFEKTER TAG auf Seite197, das erste Mal in der Süddeutschen vom 2. Mai 2005 abgedruckt, heißt es: „Ein Brief von der Tochter aus Amerika, darin ein Scheck über 300 000 Dollar. Die Tochter schreibt: 'Mutter, Vater, meine Jugend war so schön.' ...“ und auf der letzten Seite kurz vor Schluß: „Eine Nachricht von der Tochter: 'Lieber Vater, wir haben gerade die Weltrevolution gemacht'...“. Das Satirische am Text versteht sich von selbst. Aber eine Tochter ist ja nicht zwangsläufig Teil einer Satire und wenn man sie schon erfindet, muß man sie auch im Gedächtnis behalten. Von den Wunschvorstellungen und vom Vergessen durch Verdrängen schreibt schon Freud. Christian Y. Schmidt kann sich aussuchen, was ihm nach Freud lieber ist.

 

Titel: Das ist der Titel von IM JAHR DES TIGERDRACHEN, was 500fach verbrannte, aber neu aufgelegt wird und aus dem auch mehrere Kolumnen verlesen wurden.

 

Bücher von Christian Y. Schmidt im Verbrecher Verlag

Im Jahr des Hasendrachen, 2013

Im Jahr des Tigerochsen: zwei chinesische Jahre, 2011

Wir sind die Wahnsinnigen. Joschka Fischer und seine Frankfurter Gang, 10. April 2013

 

Bliefe von dlüben: Der China-Crashkurs, Rowohlt Verlag, 2010