DIE KRIMIBESTENLISTE IM OKTOBER, Teil 1
Elisabeth Römer
Hamburg (Weltexpresso) - Das ist doch wirklich ein Teufelskerl, dieser Garry Disher, der erst länger die vorderen Plätze mit KALTES LICHT besetzte, dann mit HITZE nachschob und nun noch immer beide Titel auf der Oktoberliste stehen hat, sie haben nur ihre Plätze gewechselt. Nummer 1 ist jetzt dieser rasante Krimi, in dem ein Gemälde die Hauptrolle spielt, das einst unter dem Druck der Nazis billig verkauft werden mußte, heute eindeutig: Raubkunst. Damals. Heute aber geht es ebenfalls um Raub, denn die ursprünglichen Besitzer wollen es wiederhaben, ihr Bild. Wyatt, dieser unerschrockene Held soll es klauen. Aus einem Haus mit Totalüberwachung.
Das ist aber nicht die einzige Ungereimtheit. Doch Weltexpressoleser wissen mehr. Denn wir hatten den neuen Disher schon im letzten Monat sehr ausführlich besprochen, als er "nur" auf Platz 8 stand,
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/16994-garry-disher-noch-immer-vorne-und-mit-dem-naechsten-krimi-auf-platz-1
denn er war ja gerade erst ausgeliefert worden und mußte sich hocharbeiten und sich dabei am weiteren Krimi von Garry Disher vorbeischieben. Der hat nun viele Monate die Meriten eingestrichen und warum überhaupt zwei Werke von einem Autor dabei sind, wo doch die Krimis immer zeitlich schön verteilt erscheinen, haben wir länger im obigen Artikel ausgeführt. Kurzform: Es geht um zwei ganz unterschiedliche Ermittler. Klar. Jedesmal ein Mann. Aber sie unterscheiden sich sehr: Der gewissenhafte Polizist Alan Auhl und Wyatt, der Privatdetektiv, von Beruf: lockerer Typ. Aber sorgfältig sind sie beide. Und beide Krimis lohnen sich sehr.
Und in den letzten 15 Jahren der Krimibestenliste ist Garry Disher der einzige, der mit zwei Romanen auf der selben Liste steht. Und diesen Monat schon zum zweiten Mal, weil ja beider Bücher schon im September auf der Liste standen.
Die KrimiBestenliste der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und von Deutschlandfunk Kultur 10-2019
Rang (Vormonat)
1 (8)
Garry Disher: Hitze
Aus dem Englischen von Ango Laina und Angelika Müller.
Pulp Master, 278 Seiten, 14,80 Euro
Queensland. Wyatt soll ein Gemälde stehlen. Nazi-Raubkunst, die wieder aufgetaucht ist. Ob die Story stimmt? Wyatt ist nicht der einzige Dieb an der Goldküste. Und hat zudem abgehängte Komplizen auf den Fersen. Da passt es prima, dass seine Auftraggeberin Ex-Soldatin ist. Cool, cooler, Wyatt.
2 (2)
Tawni O’Dell: Wenn Engel brennen
Aus dem Englischen von Daisy Dunkel.
Ariadne im Argument-Verlag, 350 Seiten, 21 Euro
Pennsylvania. Leicht mit Problemen umgehen kann Chief Carnahan. Seien es verschreckte Mütter, renitente Redneck-Familien oder Mädchen, die in brennenden Minen stecken. Hat sie doch selbst ihr Gewaltpotenzial nicht immer kontrolliert. Feministisch, realistisch: Matriarchat kann Elend verschärfen.
3 (3)
Denise Mina: Klare Sache
Aus dem Englischen von Zoë Beck.
Ariadne im Argument-Verlag, 352 Seiten, 21 Euro
Schottland, Île de Ré. Als sich Annas Gatte mit Töchtern und neuer Frau davonmacht, hört sie gerade im geliebten True-Crime-Podcast vom Tod eines alten Bekannten. Anlass, mit einem magersüchtigen Popstar die wahren Verbrechen ihrer Vergangenheit zu durchforsten. Scharfer Glamour-Cocktail, geschüttelt.
4 (1)
Garry Disher: Kaltes Licht
Aus dem Englischen von Peter Torberg.
Unionsverlag, 314 Seiten, 22 Euro
Melbourne. Nach fünf Jahren Langeweile als Pensionär ist Alan Auhl zurück im Polizeidienst. Mit der Lässigkeit der Erfahrung lotet er die Grenzen des Gesetzes aus, packt zu, wo Solidarität fehlt. Heiteres Lob eines coolen Alten, der menschliche Bosheit stellt, wie immer sie getarnt sei. Brillant.
5 (5)
Dror Mishani: Drei
Aus dem Hebräischen von Markus Lemke.
Diogenes, 336 Seiten, 24 Euro
Tel Aviv, Bukarest. Drei Frauen – immer derselbe Mann. Über ein Dating-Portal für Geschiedene kommen Orna und Gil zusammen. Bis sie mitkriegt, dass er sie getäuscht hat. Emilia und Ella queren auch seinen Weg. Der Rest ist Kritikers Schweigen und Bewunderung. Vivisektion der Alltagsbösartigkeit.
6 (4)
Max Annas: Morduntersuchungskommission
Rowohlt, 346 Seiten, 20 Euro
DDR, 1983. Ermittlungen im geschlossenen System. An der Bahnstrecke zwischen Jena und Saalfeld liegt der Leichnam eines afrikanischen Vertragsarbeiters, zerfetzt, geköpft. Otto Castorp, MUK Gera, lässt nicht los, trotz politischen Ermittlungsverbots. Und entdeckt, was es in DDR nicht geben kann: Nazis.
7 (-)
Adam Brookes: Der chinesische Verräter
Aus dem Englischen von Andreas Heckmann.
Suhrkamp, 402 Seiten, 15,95 Euro
Peking, London. Nach 20 Jahren gelingt Peanut die Flucht aus dem Arbeitslager. MI6 soll ihn rausholen, als Gegenleistung für Raketengeheimnisse. Korrespondent Philip Mangan wird widerwillig seine Kontaktperson. Die Gier der Geheimdienste bringt sie beinahe um. Pikanter Politthriller, China heute.
8 (-)
William Boyle: Einsame Zeugin
Aus dem Englischen von Andrea Stumpf.
Polar, 300 Seiten, 20 Euro
Brooklyn. Amy bringt alten Menschen die Kommunion. Als sie Zeugin eines Mordes wird, verbirgt sie die Waffe. Halt die Klappe! Ihre Lektion von Kind auf. Doch der Mörder ist hinter ihr her, und hinter der Beute, um die es bei dem Mord ging. Skrupulös erzählt Boyle vom Sehnen kleiner Leute, mit ihnen.
9 (-)
Harry Bingham: Fiona - Das tiefste Grab
Aus dem Englischen von Andrea O’Brien und Kristof Kurz.
rororo, 542 Seiten, 10 Euro
Wales. Archäologin Gaynor Charteris grub nach Relikten von König Artus. Jetzt liegt sie enthauptet in ihrem Studio, drei Speerspitzen in der Brust. Wer killt harmlose Artus-Forscher? Fiona Griffiths, Freundin aller Ermordeten, muss den Artus-Mythos knacken, Schwert Excalibur an der Seite. Abgefahren.
10 (-)
Hideo Yokoyama: 2
Aus dem Englischen von Sabine Roth.
Atrium, 152 Seiten, 16 Euro
„Präfektur D“, Japan. Verwaltungsinspektor Futawatari ist zuständig für Personalwesen, ein Hintergrund-Polizist. Zweimal lotst er durch Ermittlungen im Apparat: Ein Großer der Kripo will seinen Posten nicht räumen, eine Technikerin ist verschwunden. Leises Lob kriminalbürokratischer japanischer List.
Die Krimibestenliste
Die zehn besten Kriminalromane des Monats September 2019
An jedem ersten Sonntag des Monats geben 19 Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Die Krimibestenliste ist eine Kooperation der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mit Deutschlandfunk Kultur.
Jury:
Die Jury: Tobias Gohlis, Sprecher der Jury | Volker Albers, „Hamburger
Abendblatt“ | Andreas Ammer, „Druckfrisch“, BR | Gunter Blank,
„Rolling Stone“ | Thekla Dannenberg, „Perlentaucher“ | Hanspeter
Eggenberger, „Tages-Anzeiger“ | Fritz Göttler, „Süddeutsche Zeitung“ |
Jutta Günther, „Radio Bremen Zwei“ | Sonja Hartl, „Zeilenkino“,
„Polar Noir“ | Hannes Hintermeier, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ |
Peter Körte, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“| Kolja Mensing,
„Deutschlandfunk Kultur“ | Marcus Müntefering, „Spiegel Online“, |
Ulrich Noller, WDR, „Deutschlandfunk Kultur“, SWR | Frank Rumpel,
SWR | Margarete von Schwarzkopf, Literaturkritikerin |Ingeborg Sperl,
„Der Standard“ | Sylvia Staude, „Frankfurter Rundschau“ | Jochen Vogt,
„NRZ“, „WAZ“
Foto:
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