Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Paul Mason statuiert: Die Populisten entsprechen keiner beliebig und grundlos aufgekommen Entwicklung, ihr Aufkommen im Kapitalismus sei folgerichtig. Was Branko Milanovic und Thomas Piketty als Beobachter und Analytiker des Kapitalismus zu sagen haben nimmt sich im Vergleich mit einem weiteren Kritiker des Kapitalismus geradezu harmlos aus.
Paul Mason geht dem Debakel der entwickelten Verhältnisse im globalisierten Kapitalismus wesentlich tiefer auf den Grund.
Paul Mason hat eine schlüssigere Erklärung der Rhythmen des Auf- und NiedergangsDer Auftakt zu einer Wende im festgefahrenen System des Neoliberalismus geschah mit dem Auftritt der Nichtregierungsorganisationen, als diese sich am 30. September 1999 auf die Straßen von Seattle begaben und gegen die Konferenz der Welthandelsorganisation (WTO) demonstrierten. Einer dieser Leute kam damals in die Stadt Frankfurt um bei Critcal Mass Frankfurt mitzufahren. Die NGOs wandten sich gegen die marktgläubige Liberalisierung und Deregulierung, gegen Privatisierung und Entstaatlichung. Seitdem ist nun wieder eine Wende eingetreten. Nach Mason hätten Globalisierungskritiker der anderen Art nun Regierungsstellen geentert und dächten neu über Schranken nach. „Der Neoliberalismus hat seinen Gipfel überschritten“, so der Publizist Paul Mason.
Dessen ungeachtet aber sind neuerlich Populisten angetreten, die ebenfalls, wenn auch unter Vorzeichen von Autoritarismus und Ausgrenzung, dem Markt Fesseln anzulegen vorhaben. Prominentestes Beispiel hierfür sei Donald Trump, aber selbst die Brexit-Befürworter oder Matteo Salvini wurden zum Phänomen einer globalen Macht-Elite, die dem ursprünglichen Neoliberalismus Grenzen zu setzen bereit ist, aber nur, weil dieser seine Funktion erfüllt hat. Genauer betrachtet verfahren sie mit den Regulierungsmöglichkeiten selektiv und parteilich, was mit ihrer Sprunghaftigkeit und völkischen Irrationalität zusammenhängt.
Die Absage an Rationalität und Realität
Diese Abfuhr ist der Kern des völkisch-nationalistischen Populismus, der von Gestalten der menschlichen Abgründe aufgeblasen wird und sich in Verschwörungstheorien und Kampagnen gegen Impfungen, Windräder und besorgte KlimaaktivistInnen ergeht. Die Bindung an Aufklärung, Rationalität und wissenschaftlichen Verstand ist aufgekündigt. Mason: die Klimaaktivistin Greta Thunberg müsse heute darauf bestehen: Folgt der Wissenschaft!; was gegenwärtig nicht mehr zur Regel bei der Suche nach Wahrheit und Richtigkeit gehöre. Ein Spruch Trumps lautet: „Sage nie die Wahrheit, solange Dir doch etwas Interessanteres einfällt“. Mason dazu: „Donald Trump ist kein Unfall“. Fake-News verbreiten, das ist die Methode, um die Wirklichkeit zu fälschen. Die Wirklichkeit selbst wird krankhaft verleugnet.
Die neue Finanzelite läuft zur Okkupation der gesamten Welt auf
Grundlage hierfür seien die gigantischen flottierenden Kapitalsummen, die weltweit nach Anlage gieren. Daraus erklärt sich der Aufstieg von BlackRock, der größten Kapitalsammelstelle, die die ausgleichende Macht von Staaten auszuhebeln angetreten ist. Dieser Moloch unterhält Kontakte zur Politik. Friedrich Merz bekam von BlackRock einen Gefälligkeitsjob, der mit Millionen dotiert ist, zugeschustert. Als Nicht-Bank ist BlackRock unkontrolliert. Es überragt auch Hedgefonds, Private Equity und die Business-Konzerne der Fossilwirtschaft. Die neue Elite versuche aus Handelskriegen, Investitionsbeschränkungen und Wirtschaftssanktionen kurzfristige Vorteile zu ziehen, Zerstörung kalkuliere sie dabei ein. In diesem Zusammenhang sei auf das Buch ‚Die Diktatur der Konzerne‘ von Thilo Bode (2018) verwiesen. Darin werden nicht nur die finanzkapitalistisch gewendeten klassischen Konzernstrukturen beleuchtet, sondern auch das Treiben von Facebook, Apple, Google und Amazon unter die Lupe genommen.
Die postdemokratische und nach-neoliberale Elite fordere (wie übrigens auch die AfD) Steuersenkungen für Reiche und Unternehmen, leugne den Klimawandel und fordere den Abbau von Umweltvorschriften. Sicher dürfte sie sich auch mit den neu aufgekommenen Auto-Narren von Fridays for Hubraum einig wissen.
Mit der Finanzkrise sei die Marktreligion ins Wanken gekommen und eine Glaubenslücke entstanden. Nun habe die neue Religion aus Identitätsverlangen und Bindung an Rasse und Nation die Oberhand gewonnen. Klar sei, dass der Aufstieg des Rechtspopulismus und Rechtsextremismus nicht allein aus ökonomischen Faktoren zu erklären ist.
Eine globale Machtelite etabliere sich getrennt von den Staaten. Ihren Machtanspruch machten sich Rechte, Brexitiers und die völkisch-rechtspopulistischen Ausleger zunutze – und alle sich selbst zum Vorbild für ihr weiteres Vorgehen. Früher sei Boris Johnson Globalisierer gewesen, jetzt träume er vom British Empire und stilisiere sich zum Retter der Briten vor ‚den Ausländern‘.
Foto © buecher.de
Die Teile der Serie in WELTEXPRESSO
1. Am Ende des Neoliberalismus droht die Wende ins Ende der Demokratie
2. Finanzelite, neue Machtelite und Mob in enger Verbindung
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/17479-finanzelite-neue-machtelite-und-mob-in-enger-verbindung
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