Serie: Bestien von Florenz und das Monster von Perugia: Amanda Knox, Teil 5
Felicitas Schubert und Klaus Hagert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Warum schreibt eine des Mordes erst angeklagte, dann freigesprochene junge Frau ein Buch darüber? Beim Lesen merkt man, daß ihr vorrangiges Ziel ist, das öffentliche Bild, das sie als lüsterne, eiskalte und deshalb emotionslos mordendes Sexmonster darstellt, zugunsten eines harmlosen, verwirrten und angesichts der Situation überforderten Mädchens korrigieren will.
Sicher spielt für die Motivation zum Buch auch der Vorschuß von vier Millionen Dollar für die 26jährige eine Rolle, den sie finanziell gut gebrauchen kann, denn ihre nicht besonders wohlhabende Familie – der Vater Curt Knox, die Mutter in zweiter Ehe Edda Mellas - ist nicht nur während der Prozesse aus Amerika nach Italien angereist, sondern hatte sichergestellt, daß immer jemand Familiäres Amanda Knox während des vierjährigen (!) Gefängnisaufenthaltes am Ort begleitete, von den Anwalts- und Gerichtskosten ganz abgesehen. So sind auch die Dankbarkeitsbezeugungen ihrer Familie, insbesondere ihrer Mutter gegenüber, die stärksten gefühlsbetonten Momente und auch die glaubwürdigsten Aussagen im ganzen Buch. Denn alles andere erzeugt beim Leser doch pausenlos das Gefühl von Legitimation.
Auch wenn das oben genannte Motiv, das öffentliche Bild zu korrigieren, entscheidend ist, fragt sich doch, wohin eine solche Korrektur gehen soll. Die Aussage, die Wahrheit, die ganze Wahrheit zu sagen, wäre ja für den Leser nur hinsichtlich des Aufenthaltes in Perugia und vor allem dem Mord, der Anklage, der Verurteilung, der Gefängnisaufenthalte interessant. Amanda Knox will – oder soll? - jedoch etwas anderes. Sie stellt sich mit Lebenslauf des Aufwachsens als naives dummes Ding dar, so eine richtige unbedarfte amerikanische Provinzlerin, die sich vom alten Europa die große weite Welt verspricht, einschließlich aller sexuellen Freiheiten und des Haschrauchens, was sie aber von zu Hause aus gewohnt war.
Denn nur so einem Naivling kann das passieren, was ihr in Perugia passiert ist: schuldlos in einen Mordprozeß verwickelt zu werden, selber zu lügen und selber zu verleumden, aus Unsicherheit und Angst. Einen großen Teil des Buches nehmen die Tage unmittelbar nach dem Mord ein, wo sie darüber schreibt und auch Stellung dazu nimmt, daß sie mehrfach Widersprüchliches von sich gibt und sich auch an die Abende der Vortage nicht mehr erinnern kann, bzw. diese Erinnerungen ständig wechseln.
Hat man zuvor DER ENGEL MIT DEN EISAUGEN von Douglas Preston und Mario Spezi gelesen, so wie wir, so liest sich das Autobiographische der Amanda Knox sehr viel flüssiger. Denn in diesem Buch erhält man, was man von persönlichen Aufzeichnungen gar nicht erwarten kann, eine Struktur des Verlaufes und seiner vielen Haupt- und Nebenwege. In welchem Ausmaß Amandas eigene wechselnden Erinnerungen zu den ungeheuerlichen Konsequenzen seitens der ermittelnden Behörden – ja die üblich Verdächtigen vor allem die Staatsanwälte Giuliano Mignini und Manuela Comodi – mit dazu beigetragen haben, bzw. diesen bei einer Anklage gegen sie von besonderem Nutzen waren, können die analysierenden Betrachter deutlicher kennzeichnen als gerade die Person, die das durchlebt. Man erkennt auch in ihren eigenen Zeilen, daß sie es den ermittelnden Behörden durch ihr widersprüchliches Verhalten leicht gemacht hatte, sie erst einmal als Mitschuldige zu verdächtigen.
Sie schreibt im Nachwort, daß sie von Anfang an Tagebuch geführt habe und weitere Notizen gemacht habe, die sie für ZEIT, GEHÖRT ZU WERDEN genutzt habe, genauso wie die Briefe, die sie in dieser Zeit geschrieben habe. Das ist selbstverständlich. Aber nur vom Hörensagen wissen wir, daß es dabei beträchtliche Unterschiede und Abweichungen geben soll. So schreibt sie: „Ich habe darüber geschrieben, was mich nach Italien führte, wie sehr Merediths Tod mich getroffen hat und wie ich die Haftstrafe sowie das eng mit den Medien verknüpfte Wirken der Justiz überstanden habe. Als naive, eigenwillige Zwanzigjährige war ich nach Italien aufgebrochen; als gereifte, in sich gekehrte Frau kam ich wieder zurück.“ (474) Fortsetzung folgt.
INFO:
Douglas Preston, Mario Spezi, Die Bestie von Florenz, Taschenbuchverlag Knaur 2010, 50436
Douglas Preston, Mario Spezi, Der Engel mit den Eisaugen, Taschenbuchverlag Knaur 2013, 51346
Amanda Knox, Zeit, gehört zu werden, Droemer Verlag 2013
ab 3. Juni Douglas Preston & Lincoln Child, FEAR – Grab des Schreckens, Droemer Verlag 2013