Serie: Bestien von Florenz und das Monster von Perugia: Amanda Knox, Teil 6

 

Felicitas Schubert und Klaus Hagert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Diese Selbststilisierung verleidet einem des öfteren das Lesen, denn als Person wird einem Amanda Knox weder wirklich bekannt noch sympathisch. Zu selbstbezogen bleiben diese Passagen, in denen es – wie man andererseits verstehen kann – immer um sie selbst geht; auch die Trauer um ihre ermordete Mitbewohnerin Meredith hat etwas Formelhaftes.

 

Daß sie zudem den, der ihr nur Gutes tat, aber angesichts seiner schwarzen Hautfarbe und als Luftikus Musiker und Barbesitzer eh schnell ins die Vorurteilsstruktur geratenen Patrick Lumumba gegenüber den Behörden als den anstiftenden und ausführenden Mörder denunzierte, kann auch das spätere offene Bekenntnis ihres Lügens diese Tat als vorsätzliche und peinlich durchschaubare Verleumdung nicht gänzlich aus der Welt schaffen, wenn sie im Buch zudem schreibt, sie habe sich bei ihm, Lumumba, nicht persönlich entschuldigt, weil ihr die Anwälte davon abgeraten hätten.

 

Auch wer wissen will, wie es in italienischen Frauengefängnissen zugeht, sollte vielleicht zu anderer Lektüre greifen. Auf den vielen Seiten über den Gefängnisaufenthaltes hat sie fast durchgehend nur Gutes über die Behandlung seitens des Personals und vor allem der Mithäftlinge zu sagen. Das ist doppelt verständlich. Die Konfrontation von Amanda Knox besteht gegenüber der Anklage und der Gerichtsentscheidung, die sie – unschuldig – verurteilt hatten. Die ausführenden Organe schont sie, bzw. berichtet von der Solidarisierung, die sie erfährt und auch ausübt.

 

Der entscheidende Sachverhalt sind die „Indizien“, die von Anfang an nicht stichhaltig, dennoch von der Staatsanwaltschaft angezogen und vom Gericht geglaubt wurden und zu einer Verurteilung der Studentin des Mordes wegen von 26 Jahren führten, wo längst der mit DNA-Spuren überführte Täter, der die Tat auch zugegeben hatte, Rudy Hermann Guedé zu 30 Jahren verurteilt war, was auf 16 Jahre reduziert wurde. Weshalb überhaupt bei dieser Sachlage von dem berüchtigten Mignini ein Dreierkomplott mit den Hintergrund von Satanismus und tödlichen Sexspielen ins Spiel gebracht wurde, bleibt auch nach diesem Buch unerfindlich, in dem sich Amanda Knox zwar etwas dick aufgetragen als naives Mädchen darstellt und ihre Verwirrung und wechselnden sowie Falschaussagen auch selbst als für sie heute nicht mehr nachvollziehbar bezeichnet, in dem man aber, auch was den Freund angeht, einfach keine Lustmörder erkennen kann.

 

Da paßt es ins Bild, daß der verurteilte Mörder wechselnde Aussagen über die Tatbeteiligung der beiden machte. So lange man nicht beweisen kann, was die Anklage diesem Guedé angeboten hat, ein Mörderkomplott zu konstruieren, so lange kann man das nur als Möglichkeit in den Raum stellen. Auf jeden Fall ist auch Guedé davon längst wieder abgerückt. Weshalb er gesondert abgeurteilt wurde und seine Strafe von Lebenslänglich erst in 30 Jahre und dann im Widerrufsverfahren auf 16 Jahre ermäßigt wurde, erscheint als Justizhandeln genauso willkürlich und äußerst merkwürdig wie die Gerichtsverfahren gegen Amanda Knox und ihren Freund.

 

Wir waren nicht dabei. Wir wissen nicht, ob Guedé die arme englische Studentin alleine umgebracht hat oder mit wem sonst. Wir müssen uns wie in aufgeklärten Gesellschaften üblich, auf ordentliche Strafverfahren, denen ordentliche Ermittlungsarbeit auf dem heutigen Stand der Technik vorangegangen ist, verlassen können. Das kann man in Italien, oder sagen wir, nach unseren Lektüren, in Perugia und Florenz auf jeden Fall nicht. Was dort seitens der Polizei und der technologischen Ermittlungsarbeit an Stümperhaftem geschehen ist, ist nur das eine. Das wirklich Skandalöse ist darüber hinaus, ein Personal, das aus Vorurteilen und Karrieregründen heraus in einer Mischung von Bösartigkeit und gefälschtem Beweismaterial eine oder zwei Schuldige an den Pranger stellt, die zumindest nach diesen vorgelegten angeblichen Beweisen gerade nicht die Schuldigen sind. Das ist wirklich ungeheuerlich. Wenn die europäische Union derzeit alle möglichen Pippifurzdinge regeln will, wie, ob in Restaurants unetikettierte Ölfläschchen stehen dürfen oder nur echte ausgezeichnete Flaschen, dann fragt sich, weshalb Prozesse wie diese in Perugia überhaupt in der Europäischen Union möglich waren und möglich sind. Fortsetzung folgt.

 

Foto: Amanda Knox in einer US-Talkshow  zu ihrer Buchveröffentlichung

 

INFO:

 

Douglas Preston, Mario Spezi, Die Bestie von Florenz, Taschenbuchverlag Knaur 2010, 50436

 

Douglas Preston, Mario Spezi, Der Engel mit den Eisaugen, Taschenbuchverlag Knaur 2013, 51346

 

Amanda Knox, Zeit, gehört zu werden, Droemer Verlag 2013

 

ab 3. Juni Douglas Preston & Lincoln Child, FEAR – Grab des Schreckens, Droemer Verlag 2013