Die neuesten Thriller der Bestsellerautoren, Teil 2
Elisabeth Römer
Hamburg (Weltexpresso) – Dieser Thriller ist schon 2018 erschienen, ist aber der letzte Kriminalroman von Arne Dahl. Wir hatten ihn damals gelesen und besprochen, wollten das aber jetzt wiederholen, um klarer herausarbeiten zu können, wie er das eigentlich macht, Bestseller zu schreiben, der unter dem Pseudonym Arne Dahl schreibende schwedische Literaturwissenschaftler.
Den Plot kann man sehr schlecht kurz zusammenfassen, weil seine Schreibmethode genau so verläuft, daß er einen Strang der Gesamtgeschichte anfängt, den nächsten dazwischen schiebt, einen dritten folgen läßt und dann mit dem durchaus widersprechenden vorläufigen Kenntnisstand für den Leser das Weiterlesen sozusagen zur Sucht macht, will man denn wissen, wie es ausgeht, was immer heißt, wer der Schuldige, die Schuldigen sind, aber auch, warum das Ganze geschah.
Bei der Sam-Berger-und-Molly-Blom-Reihe, wo FÜNF PLUS DREI der dritte Fall, der dritte Thriller bedeutet, hat Arne Dahl nun eine wirklich raffinierte Verschmelzung von Täter und fertig Verfolger gebracht. Sam Berger hängt organisatorisch in der Luft, denn der Verfasser läßt ihn nicht in herkömmlichen Kommissariaten ermitteln, sondern hat mit der SÄPO, Säkerhetspolisen, den nationalen Nachrichtendienst in Schweden als Ort der Verbrechensbekämpfung ausgesucht, was natürlich auf die Art der Verbrechen zurückschlägt. Aber ein solcher Inlandsgeheimdienst hat dennoch mit der Spionageabwehr oder auch Wirtschaftskriminalität auch das Ausland auf der Matte.
Aber nur der Hintergrund Geheimdienst macht möglich, was auch in diesem Thriller das Geschehen erst möglich macht: die normale Struktur von Behörden ist aufgehoben, Sonderermittlungsformen lassen zu, daß die dort tätigen Personen noch nicht einmal gegenseitig bekannt sind und ein Chef ein Sonderleben führt, der nur dem Justizministerium gegenüber verantwortlich ist, doch die politische Ebene spielt in den Dahlromanen keine Rolle.
Reden wir nicht länger drumherum. Der Leiter der SÄPO heißt August Steen und er wird zum Dreh- und Angelpunkt des Geschehens, denn er wird erst entführt, dann erschossen und erst danach zu einer mysteriösen Figur, der dem Thriller einen roten Faden gibt. Denn die Hauptermittler – wir haben drei – kreisen ganz schön um sich selbst und was oben mit raffiniert bezeichnet wurde, ist diese Verschmelzung von Ermittler und Täter, wie es symptomatisch Sam Berger geschieht. Er ist Ex-SÄPO tätig, ist mit Molly Blom, ebenfalls eine Ex-Säpo-Mitarbeiterin gefühlsmäßig liiert, die jedoch aus anderen Gründen erst einmal aufzuräumen hat mit ihren vielen Psycho-Baustellen, zu denen eben auch ihr Vater August Steen gehört, denn als Molly Steen hatte sie blutjung Carsten Blom geheiratet, heißt nun Molly Blom, während Carsten, der ebenfalls Mitarbeiter bei der SÄPO war nach der Scheidung sich Carsten Boylan nennt. Viele Seiten des 405 Seiten langen Romans behandeln die aus den durch die Namen verursachten fehlenden Zusammenhänge, die der Leser längst kennt, aber das Ermittlungspersonal eben nicht.
Wieder ein Prinzip, das erklärt, wie Arne Dahl Spannung aufbaut, wenn er den Leser mehr wissen läßt als die Ermittler, denn dann warten wir beim Lesen darauf, wann die, die diese Kenntnisse brauchen, um das Unheil zu verhindern und die Schuldigen zu ermitteln, im Roman endlich darauf kommen. So etwas erkennt man aber bei der Analyse dessen, wie Dahl einen Thriller schreibt, erst dann, wenn man selber die Handlung schon kennt und von daher nicht atemlos weiterliest, was passiert, sondern immer auch im Blick hat, wie Dahl die Handlung strukturiert. Spannung erzeugen, kann er wirklich; aber die Personen, die er beschreibt, sind so eigenartig, daß man nicht ihre Entwicklung beobachtet, sondern eher erstaunt, ja verstört ihre Handlungsweisen, die hundert Seiten später ihre Erklärung finden.
Einen Schritt zurück zu den drei Ermittlern, denn eigentlich dürfte nicht nur von Berger und Blom die Rede sein, sondern in gleicher Weise von Deer, die mit den Rehaugen, die tatsächlich auch faktisch im Dienst ist als Kommissarin. Die hat einen rücksichtsvollen Ehemann, der, wenn sie einfach verschwindet und das schlafende Kind zurückläßt, ihr trotzdem nette Nachrichten schreibt, und sie hat ein Arbeitszimmer in die Garage eingebaut, wo sie in ihrem Sonderurlaub, den sie eigentlich hat, aber nun so richtig loslegt und tatsächlich die ist, die am meisten bewegt.
Sam Berger hat die Sympathie des Autors und ihm wird ja auch hier übel mitgespielt, wo schon das Leben bislang hart war. Denn seine Ex-Frau ist mit seinen zwei Söhnen, Zwillingen, nach Paris zu einem reichen Rechtsanwalt abgehauen, weil er von der SÄPO aus gutem Grund in einer sicheren Wohnung untergebracht wurde und nicht mal seine Familie wissen durfte, wo er lebt. Von Molly Blom wissen wir ja schon um die schwierigen Verwandtschaftsverhältnisse. Das Persönliche wird in diesem Roman Ausgangspunkt für das Politische, weshalb auch Carsten noch einmal erwähnt werden muß, der böse Bube des Romans, der erblindet und vorher die Auslöschung der ihm Mißliebigen in Angriff nimmt.
Diese Personen haben nun mit dem eigentlichen Fall zu tun, der eintritt, als der nach Schweden emigrierter Ali Pachachis mit seiner Familie in den Focus von Geheimdiensten und Waffengeschäften gerät. Er wird in einer der sicheren Wohnungen versteckt, aber Carsten hatte die Tochter Aisha entführt, denn nur vordergründig geht es um persönliche Racheaktionen – das auch! - aber die eigentliche kriminelle Energie kommt aus dem Waffengeschäft, das bisher durch schwedische Ermittler dem IS entzogen werden konnte, nun aber gerade durch Korrumpierbare, die doch eigentlich für die Gefahrenabwehr zuständig sind, gekauft werden und Schweden damit zum Austragungsort für eine Riesenauktion tödlicher Waffen macht, deren Erlös in private Hände fließt, aber insgesamt den IS stärkt. Doch da seien Sam Berger, Molly Blom und Deer vor!
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Info:
Arne Dahl, Fünf plus drei, dt. von Ursel Allenstein. Piper, München 2018, ISBN 978-3-492-05812-4