Serie: INFERNO von DAN BROWN im Lübbe Verlag, Teil 4/4
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Inzwischen ist klar, daß Langdon den Auslöser für eine Epidemie suchen muß, die der Transhumanist Zobrist mittels eines Videos, das das Konsortium am nächsten Tag weltweit versenden und abspielen soll, in Gang setzt. Und hier, sehr geehrter Herr Professor haben wir zwei Einwände.
Erstens hätten Ihnen die Begriffe Doge und Rösser und Knochen vonBlindeneigentlich sofort sagen müssen, wozu Sie lange, lange brauchen, daß es sich nur um Enrico Dandolo handeln kann, der fast hundert Jahre alt wurde und schon beim Antritt als Doge blind geworden war und derjenige ist, der mit der Venezianischen Flotte, die im Vierten Kreuzzug Jerusalem befreien sollte, stattdessen 1204 das christliche Byzanz überfiel und am 12. April eroberte und es derart ausräuberte, daß die heutigen Sehenswürdigkeiten von Venedig, der Dom mitsamt den Rössern, der Pala d'Oro und den Tetrachen byzantinisch sind und bleiben.
Auf der Suche nach dem Namen des Dogen verliert Professor Langdon in Venedig einige Stunden, doch dann weiß er, daß es um diesen Dandolo geht und auf der Suche nach „Im vergoldeten Mouseion der Heiligen Weisheit“ kommt er auf den Markusdom. Das erweist sich zwar inhaltlich als falsch, denn es geht gar nicht um die im alten Byzanz, dem heutigen Istanbul und ganz alten Konstantinopel geraubten Kunstschätze, aber gibt Langdon feine Gelegenheiten, über dieses goldglänzende Bauwerk viele schöne Dinge zu erzählen. Nur, noch einmal mit Verlaub, verehrter Professor, die als 'Collage' bezeichnete Pala d'Oro - „Zusammen mit den Rossen von San Marco galt die Pala d'Oro als einer der größten Schätze Venedigs“ (480) - , deren Bedeutung und Schönheit ist Ihnen nicht sehr nahegegangen, wenn Sie schreiben: „Den Ursprung bildete byzantinische Emaille, und dazu kamen dreizehnhundert Perlen, vierhundert Granate, dreihundert Saphire sowie Smaragde, Amethyste und Rubine.“ (480)
Denn unabhängig vom Gold- und Edelsteinwert, sind es die Abbildungen auf den Emailblättern, die derart herrliche Geschichten erzählen, daß wir uns wundern, daß der kunstselige Langdon diese nicht zum Weitererzählen nutzt. Soviel Zeit muß auch auf dem Weg nach Istanbul sein - „Sienna“, flüsterte Langdon. Ihm war schlecht. „Wir sind nicht nur im falschen Museum. Wir sind im falschen LAND!“ - und schließlich wurden die Kunstschätze von Florenz ja auch umfassend genutzt. Den Flug aber nach Istanbul tritt Langdon alleine an, denn Sienna wurde bei der Verfolgung abgedrängt. Vergessen wir ja die Verfolger nicht, aber mittendrinnen werden dann auf einmal aus Feinden Freunde, was seine guten Gründe hat, aber im Umkehrschluß doch auch bedeuten müßte, daß aus Freunden Feinde werden? Und nicht vergessen: Wir sind immer noch montags unterwegs.
In Istanbul geht es dann schneller und hierzu wollen wir nur hinzufügen, daß auch der Topkapi-Palast, die Blaue Moschee und vor allem die Hagia Sophia eine Rolle spielen, wo sich tatsächlich das Grab des Henricus Dandolo befindet, der 1205 in Istanbul starb, wie jeder Byzantinist lernt. Und nun passiert zum Schluß etwas sehr Eigenartiges. Die personellen Zwiste und Widrigkeiten lösen sich zugunsten einer allgemeinen Verständigung auf. Niemand war böse, nur der humangenetische Bertrand Zobrist. Denn tatsächlich hatte er längst seinen von ihm erschaffenen „viralen Vektor“freigesetzt und über die Luft verbreitet, der nun längst weltweit die menschliche DNS modifiziert. Womit und mit welcher Wirkung, das allerdings wollen wir nicht verraten.
Das Datum der geplanten Videoausstrahlung, für das das Konsortium verantwortlich war, sollte nur das Ende der Aktion festhalten. Eigenartig ist, daß also dieser Thriller ja doch mit dem Zuspätkommen des Helden Langdon endet, aber für die Menschheit keinerlei Hysterie verbreitet wird, so als ob dieser „virale Vektor“ nicht die Welt verändern wird. Sagen wir mal so, man hat den Eindruck, daß Autor Dan Brown für die Bewegung der Transhumanisten viel übrig hat, die sich sehr ernsthaft mit der Überbevölkerung beschäftigen und sich auch in der Wirklichkeit solche Bezeichnungen geben, wie sie im Roman zum Beispiel als FS-2080 vorkommen. Erst im Nachhinein versteht man, daß die frühzeitige Aussage auf Seite 155 schon viel vorwegnimmt:
„Ist das so?, schnappte Elizabeth. „Dann verraten Sie mir doch: wie groß ist Ihrer Meinung nach die ideale Bevölkerung für eine nachhaltige Zukunft? Die magische Zahl an Menschen, die sich selbst auf unbestimmt Zeit selbst erhalten kann...in relativem Komfort?“ Der große Mann lächelte; er hatte offensichtlich mit dieser Frage gerechnet. „Jeder Umweltbiologe und jeder Statistiker kann Ihnen diese Frage beantworten. Die langfristigen Überlebenschancen der Menschheit sind am höchsten, wenn die globale Bevölkerung die Zahl von vier Milliarden nicht übersteigt.“
„Vier Milliarden?“, giftete Elizabeth zurück. „Wir sind inzwischen bei siebeneinhalb Milliarden! Für vier Milliarden ist ein wenig spät!“ Die grünen Augen des großen Mannes blitzten. „Ach?“ (Seit 155)
P.S. I.
In Venedig gedenkt auf Seite 446 der flüchtende Professor dessen, der dieses Jahr seinen 200sten Geburtstag feiert. „Einst ein Privathaus, war er nun eine elegante Spielhalle, die berühmt wurde, als Richard Wagner hier 1883 kurz nach der Uraufführung seines Parsifal seinen tödlichen Herzschlag erlitten hatte.
Gerne hätten wir auch von des Professors Liebe zu Gustav Klimt und dessen DER KUSS geschrieben, auf den sich für ihn seine Liebe zur modernen Kunst zurückführt, was wir direkt dem Autor in die Schuhe schieben und vermuten, daß als eine der nächsten Kunstmetropolen eines Thrillers WIEN dran ist. Das würde sich ebenfalls außerordentlich lohnen, Mister Dan Brown.
P.S. II.
Einen Hinweis wert ist das gleichzeitige Erscheinen des neuen Dan Brown am Dienstag, 13. Mai 2013 in den wichtigsten Verkaufssprachen der Welt. INFERNO war zudem der Buchtitel, der in den amerikanischen Social-Media-Seiten den April über am allermeisten aufgerufen wurde. Mitte Januar 2013 waren die Brownleser das erste Mal über das bevorstehende Erscheinen des ersten Romans seit 2009 informiert worden und daß INFERNO mit Dante und seiner GÖTTLICHEN KOMÖDIE zu tun habe.
Dann wurde bekannt, daß sich die Übersetzer in Mailand einzufinden hatten, wo die jeweiligen Texte entstanden. Damit ist eine Endstufe von gleichzeitigem Vermarkten erreicht, das sich über die Jahre immer mehr annäherte. DAS VERLORENE SYMBOL kam 2009 schon zehn Tage nach der Originalausgabe auf Deutsch auf den Markt, SAKRILEG erschien beim Hausverlag Lübbe auf Deutsch im Jahr 2004, man brauchte also ein Jahr zur Übersetzung des als DA VINCI CODE 2003 erschienen Thrillers, nachdem Vorgänger, der erste Roman mit Professor Robert Langdon, ILLUMINATI schon 2000 im Original und erst 2003 auf Deutsch erschienen war. Vermutet wird, daß die immer schnellere Übersetzung, die jetzt zeitgleich mit dem Original erscheint, auch deshalb vom Verlag in Gang gesetzt wird, da junge Deutsche, die ohne Probleme auf Englisch lesen, sonst die Originalfassung kauften.
INFO:
Dan Brown, Inferno, Lübbe Verlag ISBN 978-3-7857-2480-4
Auch als Hörbuch und E-Book erhältlich