„Rudi Arndt - Politik mit Dynamit – eine Politische Biographie“ im Verlag M. Naumann

 

von Felicitas Schubert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Da sitzt er gelassen wie in einem Hochofen, die rot-gelben Flammen zündeln um ihn herum, er aber in geradezu eleganter Pose unerschütterlich ein Fels in der Brandung: der ehemalige Frankfurter Oberbürgermeister Rudi Arndt (SPD), dessen hochformatigen Bild das Foyer des Frankfurter Römers schmückt - zusammen mit seinen Vorgängern. Seine Nachfolgerin, die amtierende OB Petra Roth (CDU), stellte zusammen mit seiner Witwe Roselinde Arndt  die gerade erschiene Biographie vor diesem explosiven Bild vor, das Roth persönlich in Auftrag gegeben hatte und das ob seiner Dynamik und Farbgebung deutlich von den anderen Bildnissen der Herren Grau in Grau hervorsticht.

 

 

Nimmt man die Forschungen von den psychischen Energien bildender Kunst ernst, ist dies  Gemälde von Isolde Redman-Klaunig ein gutes Porträt, denn unmittelbar springt einem die Lebenslust und die gerade noch gebändigte Kraft entgegen, deretwegen Rudi Arndt von den Frankfurtern gerne dynamisch genannt wurde, was mit dem Dynamit-Rudi dann noch eine andere Bewandtnis hatte. Und die wird auch in diesem Buch sachlich geklärt, was aber eben immer noch Not tut, denn fälschlich wird dem Verfechter einer lebenswerten Großstadt Frankfurt unterstellt, er habe die Alte Oper mit Dynamit zerstören wollen und sei für all den Beton von Frankfurter Bauten verantwortlich, dabei war er derjenige, der den Wiederaufbau der Alten Oper noch in Gang setzte, allerdings damals mit dem Konzept eines Hauses der Kultur für alle, heute gibt es in der Alten Oper hochrangige Konzerte, Kongresse und Bälle.

 

Im  Buch liest man als Frankfurterin erstaunt, wie kurz seine Amtsführung als Frankfurter Oberbürgermeister währte, nämlich nur von Dezember 1971 (wo er gewählt wurde, aber erst am 6. April 1972 das Amt antrat, weil er zuvor noch als zuständiger Minister den Hessischen Haushalt einbringen wollte) bis zur gescheiterten Wiederwahl 1977. In der Erinnerung nämlich hat diese Zeit einen größeren Stellenwert, denn es handelte sich um die politisch brisanten Zeiten, die im ‚hochkapitalistischen‘ Frankfurt schärfer ausgetragen wurden als anderswo und vor allem früher aufbrandeten: Häuserbesetzungen und Politik auch in der kleinsten Hütte, sprich auch kommunale Angelegenheiten sind hochpolitisch und führen zur Diskrepanz von Parteibeschlüssen und denen, die in öffentlichen Ämtern diese ausführen sollen.

 

Und man wundert sich auch, was Arndt in den paar Jahren an strukturellen Entscheidungen für die Stadt in Gang gesetzt hatte: den Ausbau des Frankfurter Flughafens, die Zeil als Fußgängerzone, den Aufbau der Alten Oper, zusammen mit Hilmar Hoffmann das experimentierfreudigste Theater der Republik, einschließlich der vollen Mitbestimmung der Beteiligten, die Stadtteilbibliotheken, den Nahverkehr zusammen mit der Bundesbahn und so vieles andere, was heute selbstverständlich ist.  Insofern ist es nur konsequent, daß dieser Zeit im Buch von Günter Mick die meisten Seiten gelten, zumal Roselinde Arndt deutlich sagt, daß die Nichtwiederwahl die schwerste Niederlage seines Lebens gewesen sei.

 

Bekannt war er in Hessen schon zuvor. Alle Kapitel seines Lebens sind durch jeweils andere Autoren dargestellt, wobei die von der Historikerin Sabine Hock geschriebenen Teile „Im Schatten des Hakenkreuzes“(1927-1945) und „Aufbruchsjahre in die große Politik“ (1945-1956) zum kulturellen Gedächtnis unserer Nation gehören und bewegend sind. Den hessischen Landtagsabgeordneten nimmt sich dann Rolf Messerschmidt vor und Wilhelm von Sternberg Rudi Arndts Zeit als Hessischer Minister (1964-1972). Klaus Ettig schreibt über Arndts politische Arbeit im Europäischen Parlament(1979-1989) und Heinrich Halbig über „Der Polit-Pensionäre und seine Aufbauhilfe Ost“, die er unmittelbar nach 1989 in Thüringen ausübte. Man kann sich überall festlesen.

 

Am Sinnvollsten allerdings ist es, zuerst nach dem anteilnehmenden Vorwort von Petra Roth direkt das Gespräch zum Schluß zu verfolgen, daß Hans Sarkowicz, Mentor der gesamten Biographie, mit Roselinde Arndt und Armin Clauss unter dem Tenor „Er war der Parteiarbeiter schlechthin…“ führte. Da erst erschließt sich die Gesamtpersönlichkeit Arndts, nicht nur als eines Homo Politicus, sondern als ein herrlicher Querkopf, wenn es drauf ankam, als ein witziger und vor allem die Zukunft vorausschauender Denker, der eben immer auch ein Macher war. Den Macher kennen die meisten, den Denker kann man an den vielen, im Text eingestreuten Passagen von Reden, Briefen, sonstigen Äußerungen Arndts erkennen und eben auch, wie frühzeitig er auf Probleme hinwies und auch Lösungen anbot.

 

Armin Clauss nun wiederum war von 1972-76 Vorsitzender des Landesbezirks Hessen, seit 1970 Landtagsabgeordneter und von 1976 bis 1987 Minister in Hessen. Welch guter Freund er Rudi Arndt war, beim Politikmachen, dem Weintrinken und Fahrten in die weite Welt, liest man vergnügt und ist mit ihm traurig, daß Rudi Arndt im Mai 2004 auf einer Schiffsreise auf dem Dnjepr verstarb. Daß man als Politikerfrau so einiges mitmacht, vermittelt sehr anschaulich Roselinde Arndt, aus deren Worten nicht nur Erinnerung an schöne Zeiten spricht, sondern auch, was es heißt, die persönlichen Belange hinter politische zurückzustellen.

 

Eine Hochzeitsreise statt nach Venedig zum SPD-Parteitag nach Dortmund, das genau ist Rudi Arndt auch. Man kann sich aber sicher sein, daß er dort dann kräftig gefeiert hat, wie er auch ein offenes Haus pflegte und ein ‚großzügiger und liebenswerter Gastgeber war‘. Der gute-Laune Rudi, der psychische Kraftbolzen, der anderen Mut macht, wenn er eigentlich selbst angekratzt ist, und in jeder Situation politisch Überblick zu gewinnen versucht, der geht einem dann in diesen wirren achtziger Jahren doch sehr nahe und man denkt: „Welch politisches Talent, warum konnte er es danach nicht mehr entfalten.“

 

 Man wird also auch etwas traurig, ob der verpaßten Gelegenheiten für eine Gesellschaft, die nicht über viele politische Talente verfügt, die ehrlich und kompetent für eine bessere Welt streiten, wie es Rudi Arndt getan hat, dem übrigens Willy Brandt grundsätzlich Vorbild war, der ihm über den Parteifreund hinaus ein guter Freund war. Insofern ein lehrreiches, ein historisch interessantes, ein lokalpolitisch brisantes Buch, das vor allem allein schon durch sein eingestreutes Fotomaterial zu einem Frankfurter Geschichtsbuch der Nachkriegszeit wird. Sehr zu empfehlen.