Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Niemand wird den Verfasser von ROSEMARIE, Erich Kuby (1910-1995) , für einen Literaturpreis vorschlagen und heute muß man nicht nur weitersagen, wer ROSEMARIE NITRIBITT war, sondern eben auch von Erich Kuby sprechen, der eben kein Romanautor, sondern ein Journalist und linksliberaler Publizist war, der für das alte Westdeutschland publizisitsch zur prägenden Figur wurde, wie andere auch, die bei den Skandalen der alten Bundesrepublik kräftig Aufklärung betrieben, was sich mit erhöhten Auflagen von Stern und Spiegel prächtig vertrug – und hier mit dem Fall Nitribitt, dem Filmund dem Buch ROSEMARIE.
Das konnte man auch in der spannenden Wechselausstellung SKANDALE DER BUNDESREPUBLIK vom Haus der Geschichte, 2007 in Bonn, 2008 in Leipzig, nachverfolgen, wo nach DIE SÜNDERIN, dem Film, in dem skandalöserweise Hildegard Knef nackt zu sehen war, was wirklich einen Volkssturm nach sich zog, die Zeiten,wo das Volk gezielt stürmte, lagen ja noch nicht so weit zurück. Das war der erste gezeigte Skandal, der zweite, die FLICK-AFFÄRE aus den achtziger Jahren, ging um unerlaubte Parteispenden und folgende Staatsaufträge, mit THEODOR OBERLÄNDER schließlich, der von 1953 bis 1960 (erzwungener Rücktritt) Bundesminister für Vertriebene,Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte war, hatte man den Bock zum Gärtner gemacht, er stand stellvertretend für all die Nazichargen, die sich der Bundesrepublik als angebliche Demokraten andienten und vor allem die Ministerien bevölkerten, am schlimmsten das Justizministerium. Dann war da noch CONTERGAN, also das Geschäftemachen mit Medikamenten, auch als deren lebensgefährliche Wirkung schon bekannt war, oder die HITLER TAGEBÜCHER, die SPIEGELAFFÄRE und inmitten dieser bundesdeutschen Skandale stand ROSEMARIE NITRIBITT für die verlogene, weil Doppelmoral der Fünfziger Jahre, außen hui, innen pfui, als das Wirtschaftswunder blühte und solche Blüten hervorbrachte,die jäh herausgerissen und vernichtet wurden: der Mord an einer 24jährigen besonders erfolgreichen Prostituierten in den oberen Etagen der Wirtschaftsbosse, aber auch dem mittleren oder niedrigen Management zugewandt. Käufliche Prostitution als gesellschaftliche Bedrohung – wenn es bekannt wurde. Gefährlich, was diese Frau alles wußte, die schlau genug war, dieses Wissen zu verwalten, aber nicht schlau genug, dem Mord zu entkommen.
Die Ausstellung zeigte das, was bis heute die Zuschauern oder auch die Lesern des Romans ROSEMARIE irritiert, zumindest ihnen fragwürdig bleibt, wie einerseits eine clevere Göre, die statt Wunden zu lecken, was ihr in Kindheit und Jugend angetan wurde, den Spieß umdreht und sich nicht mehr zur ausbeutbaren Dirne machen läßt, sondern sich zu einer Edelhure mausert, ach was, doch besser selbst heranbildet, einschließlich aller Utensilien wie eleganter, teurer Kleidung, einem Coiffeur, das Wort Friseur wäre viel zu ordinär gewesen, einem Pudel, dem sogenannten Hurenfifi, der es Frauen erlaubte, nachts mit vollem Recht auf den Straßen unterwegs zu sein, bald erst einem Opel Kapitän, dann einem Mercedes SL 190, in dem sie aufreizend langsam durch das Bahnhofsviertel und die Innenstadt fuhr, die hinteren Sitze waren zudem auch mobil zu gebrauchen. Die ganze Frau eine Provokation für das prüde Wirtschaftswunderdeutschland, wo Mutti stolz die neue Waschmaschine und die neuen Waschmittel vorführte oder auch die Urlaubsfotos aus Italien zeigte, während der Göttergatte seinen Wagen pflegte und sich auch ansonsten umtat.
So ganz stimmt das Bild nicht. Denn Rosemarie Nitribitt spielte bald in einer höheren Klasse. Da wuschen die Damen der Herren, die REBECCA - der Code-Name der Nitribit, mit dem sich potentielle Freier meldeten - frequentierten, nicht mehr selbst, sondern ließen waschen. Aber das Besondere an Rosemarie Nitribitt war, daß sie, die mit Benimmkursen in der Belle Etage mitspielte, durchaus bodenständig blieb, auch in ihrem Bekanntenkreis und sich für viel Geld von Begüterten flach legen ließ, aber es für Ärmere billiger machte und zudem, wie ungewöhnlich, sich auch ohne Geld junge Männer nahm, die ihr gefielen, oder auch Frauen, wie es kam. Also eigentlich eine mehrfache Provokation.
Was ihr Gewerbe angeht, das ja heute quasi als Beruf steuerlich eine Rolle spielt, muß man abschließend noch einmal herausheben, mit welcher Chupze sie die Männerdominanz beiseiteschob und nicht einen Zuhälter sie anschaffen lassen ging, sondern eigenverantwortlich als Kleinunternehmerin sich selbst vermarktete. Natürlich liegt nahe zu fragen, ob sie bei einem Zuhälter mehr Schutz gehabt hätte, also nicht ermordet worden wäre. Aber das ist illusorisch und auch, daß die Entwicklung im liegenden Gewerbe eine andere Richtung nimmt. Vieles von dem, was sie sich anerzogen und was sie angezogen hat, wird heute durch den Escort-Service für die besser Betuchten ausgeübt. Aber auch diese sind wieder abhängig Beschäftigte.
FORTSETZUNG FOLGT
Foto:
© Stiftung Haus der Gescichte der Bundesrepublik Deutschland
Info;
Erich Kuby, Rosemarie, Scöffling &Co,2020
Rufen Sie unbedingt die Webseite des Vereins auf: Frankfurt-liest-ein-buch.de
Denn dort finden Sie nicht nur alle Veranstaltungen, sondern auch die Informationen über die gegenwärtige Situation angesichts von Corona.
Das so übersichtlich gestaltete Heft zu FRANKFURT LIEST EIN BUCH, 2020 also ROSEMARIE, gilt zwar grundsätzlich, aber auf der Webseite finden Sie dann, welche Veranstaltungen schon besetzt sind, welche noch frei und vor allem, welche leider ausfallen müssen.
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