schweizer buchpreisFinale im Schweizer Buchpreis 2020 für den Roman «das alles hier, jetzt.» am Sonntag, 8. November, Teil 5

Claudia Schulmerich

Basel / Zürich (Weltexpresso) -  Traurige Zeiten, wenn Sie sich das Bild der Siegerin im Schweizer Buchpreis anschauen. Fast allein auf weiter Flur. Wie waren die früheren Preisübergaben, an denen wir viele Jahre in Basel teilgenommen hatten, voller Menschen, mit vielen Blumen und vor allem echten Emotionen. Da wurde nach der Preisübergabe bei einer kleinen Feier miteinander gestritten über den Preis, über das jeweilige Buch, zumindest wurde er diskutiert, auch die übrigen vier Finalisten waren anwesend und es war einfach ein angenehmes literarisches Klima, was ein Auftakt war für das Thema: Lesen, denn Weihnachten kommt bald und damit im Vorfeld, dann auf dem Geschenketisch und im Nachklang fürs neue Jahr viele Bücher, erst kaufen, dann lesen!

Der diesjährige Schweizer Buchpreis geht an Anna Stern für den Roman «das alles hier, jetzt.» (Elster & Salis Verlag).

In der Begründung der Jury heisst es: «Anna Stern hat einem der ältesten Themen der Literatur eine völlig neue Form und unerhörte Töne abgewonnen. «das aller hier, jetzt.» handelt vom Tod eines geliebten Menschen, und die Autorin erzählt mit grosser experimenteller Kraft und zugleich mit hoher sinnlicher Intensität. Fast beschwörend wird die Vergangenheit wachgerufen und die Leserinnen und Leser in den Erinnerungsprozess einbezogen. Das Erzählverfahren ist höchst originell. Nicht nur kommt der Text über die gesamte Strecke ohne jede Gender-Fixierung der Figuren aus, es ist auch ein Roman in zwei Spuren: auf den linken Buchseiten die Gegenwart der Trauer, rechts die erinnerte Vergangenheit einer gemeinsamen Kindheit und Jugend – bis alles auf ein fulminantes Roadmovie-Finale zusteuert. Ein gleichermassen intimer wie kunstvoller Roman über zutiefst menschliche Erfahrungen.»

Innerhalb der deutschsprachigen Buchpreise ist der Schweizer Buchpreis, der 2008 dem 2005 initiierten Deutschen Buchpreis folgte, mit dem Preisgeld von  30'000 Franken,  was  28,030.17 Euro entspricht, der höchstdotierte nationale Buchpreis. Die weiteren Nominierten erhalten je 3'000 Franken. Die öffentliche Preisverleihung im Theater Basel war, wie geschildert,  coronabedingt abgesagt worden. Absagt worden war auch das Internationale Literaturfestival BuchBasel, dessen Höhepunkt und Ende der Preissonntag jeweils war. Abgesagt worden waren auch die meisten Lesereisen, die nach der Frankfurter Buchmesse geplant waren, wobei die bei OPEN BOOKS stattfanden, worüber noch berichtet wird.
 
Wir stehen jetzt etwas bedröppelt, ja düpiert da. Denn Anna Sterns «das alles hier, jetzt.» ist das einzige Buch der Finalisten, das wir in der WELTEXPRESSO-Redaktion nicht gelesen hatten, weil der kleine Verlag Elster & Salis Verlag kein Buch, sondern nur ein pdf schicken konnte, was am Bildschirm zu lesen keiner in Gang setzte, weil alle Kollegen eh schon viel zu lange an der Kiste sitzen, auch das Ausdrucken fanden wir eine Zumutung, weil ein Buch eben ein Buch ist, weil sich das Lesen darin von allen anderen Leseformen fundamental unterscheidet, behaupten wir. Dazu mehr ein andermal. Jetzt zum Schweizer Buchpreis. 

«das alles hier, jetzt.» ist einer von fünf Titeln, die die Jury im September aus 83 eingereichten Romanen und Essays von Schweizer Autorinnen und Autoren nominiert hat, was WELTEXPRESSO veröffentlicht hatte, siehe unten der Link.

Die weiteren Nominierten waren:

Dorothee Elmiger: «Aus der Zuckerfabrik» (Carl Hanser Verlag)
Tom Kummer: «Von schlechten Eltern» (Tropen Verlag)
Charles Lewinsky: «Der Halbbart» (Diogenes Verlag)
Karl Rühmann: «Der Held» (Rüffer & Rub Verlag)


Die fünf Nominierten mit kurzer Beschreibung der Bücher 

Dorothee Elmiger: «Aus der Zuckerfabrik» (Carl Hanser Verlag)
«Aus der Zuckerfabrik» heisst das neue Buch von Dorothee Elmiger, in dem sie ebenso sinnlich wie reflektiert den Spuren des Zuckers, des Geldes und des Begehrens nachforscht. Entstanden ist ein faszinierendes Kaleidoskop, in dem die Komplexität der heutigen Welt aufscheint.

Tom Kummer: «Von schlechten Eltern» (Tropen Verlag)
Tom Kummers Roman «Von schlechten Eltern» ist ein Road-Movie der besonderen Art und ein Buch von überraschender Emotionalität. In langen Fahrten durch die Nacht treffen die Welt der Business-Leute, die sich durch die Schweiz chauffieren lassen, und die Innenwelt des Erzählers aufeinander, die durchdrungen ist von der Trauer um dessen verstorbene Frau.

Charles Lewinsky: «Der Halbbart» (Diogenes Verlag)
Tief in die Schweizer Geschichte führt uns Charles Lewinsky mit «Der Halbbart». Anschaulich und kraftvoll erzählt er von Mächtigen und Aussenseitern und öffnet einen neuen Blick auf die legendäre Schlacht bei Morgarten.

Karl Rühmann: «Der Held» (Rüffer & Rub Verlag)
Wie werden zwei Generäle, die sich während des Bürgerkriegs feindlich gegenüberstanden, zu Freunden? Wo verlaufen unter extremen Umständen die Grenzen zwischen Schuld und Gerechtigkeit? Karl Rühmann legt mit «Der Held» einen bewegenden Roman vor, in dem die Zuordnungen von Freund und Feind fragwürdig werden.

Anna Stern: «das alles hier, jetzt.» (Elster & Salis Verlag)
«das alles hier, jetzt.» von Anna Stern erzählt vom Verlust eines geliebten Menschen, von Verbundenheit und dem Versuch, der Erinnerung eine angemessene Sprache zu finden. Entstanden ist ein Buch von grosser Intensität, das durch die formale Kühnheit besticht.

Die nominierten Autorinnen und Autoren spürten die Auswirkungen der Pandemieentwicklung stark. So wurden etliche Termine der Lesetour, die normalerweise an der Frankfurter Buchmesse startet und durch Deutschland, Österreich und die Schweiz führt, abgesagt. Auch die Einzellesungen am Festival BuchBasel konnten nicht stattfinden. Besonders schmerzhaft war die Absage der öffentlichen Preisverleihung am Sonntag im Theater Basel. Das Geld, das die Trägerschaft normalerweise für den Apéro und das anschließende Essen zu Ehren der Nominierten ausgibt, wird dieses Jahr den Autorinnen und Autoren ausbezahlt.

Mitglieder der Jury für den Schweizer Buchpreis 2020 waren:

Tommy Egger (Buchhändler, Buchhandlung im Volkshaus); Daniel Graf (Kulturredakteur Republik; Jurysprecher), Annette König (SRF-Literaturbloggerin); Christine Richard (freie Kritikerin); Hubert Thüring (Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, Universität Basel),  Die Expertenjury wird regelmässig personell erneuert.


Teilnahmeberechtigung und Bedingungen

Immer wieder informieren wir über die  Bedingungen der drei deutschsprachigen literarischen Nationalpreise, die höchst unterschiedlich sind. Am weitesten ist der Deutsche Buchpreis, was die Teilnahme angeht, gestrickt. Denn da muß es sich nur um ein Buch handeln, daß im Zeitraum letztes Quartal des Vorjahres und den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres auf Deutsch zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Wo der Verlag residiert oder wo der Autor/die Autorin wohnt oder welcher Nationalität er/sie ist, ist unerheblich. ABER gleichzeitig ist der Deutsche Buchpreis auch der literarisch engste, denn er gilt (eigentlich) nur für Romane. Und genauso eigentlich ist es ein Preis für den Roman und erst in zweiter Linie damit für den jeweiligen Verfasser. In der Wirklichkeit drängt sich jedoch der personale Faktor durch und wir sprechen vom Buchpreisträger/in. 
In Österreich sind die Bedingungen inhaltlich noch weitergehender als in der Schweiz, wo neben dem Roman auch Kurzgeschichten/Essays zugelassen sind. 

Teilnahmeberechtigt waren also für den Schweizer Buchpreis 2020  deutschsprachige literarische und essayistische Werke von in der Schweiz lebenden oder Schweizer Autorinnen und Autoren, die zwischen Oktober 2019 und September 2020 erschienen sind. Der Schweizer kann also in Timbuktu  oder sonstwo leben, und alle Schreibenden, die in der Schweiz leben, sind teilnahme berechtigt.  

Foto:
©Flavia Schaub

Info:
Der Schweizer Buchpreis wurde 2008 vom Verein LiteraturBasel und dem Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband (SBVV) initiiert. Ziel ist es, die öffentliche Diskussion über Bücher von deutschsprachigen Schweizer Autorinnen und Autoren zu animieren und mit der aktiven Werbung im Buchhandel sowie mit einer Lesetour durch die Schweiz und Nachbarländer dazu beizutragen, dass diese stärker wahrgenommen, gelesen und gekauft werden. Inzwischen hat sich der Schweizer Buchpreis als eine der bedeutendsten literarischen Auszeichnungen der Deutschschweiz etabliert und genießt über die Landesgrenzen hinaus Beachtung. Der Schweizer Buchpreis wurde dieses Jahr zum dreizehnten Mal vergeben.

Auswahl von Artikeln in WELTEXPRESSO
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/19926-charles-lewinsky-der-halbbart-diogenes-verlag
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/20127-dorothee-elmiger-aus-der-zuckerfabrik-carl-hanser-verlag


https://weltexpresso.de/index.php/buecher/20179-der-schweizer-buchpreis


Anna Stern: «das alles hier, jetzt.»
Elster & Salis Verlag
Gebunden, Lesebändchen

248 Seiten, 12,5 x 19 cm
ISBN 978-3-03930-000-6
CHF 32.00 / EUR 24.00
 

| www.schweizerbuchpreis.ch
Schweizer Buchpreis | c/o LiteraturBasel | Theaterstrasse 22  |  CH-4051 Basel  |  Telefon +41 61 261 29 50

LiteraturBasel betreibt das Literaturhaus Basel, das Internationale Literaturfestival BuchBasel und richtet in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband SBVV den Schweizer Buchpreis aus. Informationen über die einzelnen Aktivitäten finden Sie unter:
www.literaturhaus-basel.ch  |  www.buchbasel.ch  |  www.schweizerbuchpreis.ch