vogelgottSerie: Auf die Schnelle: Gute Unterhaltungsliteratur, gebraucht, Teil 9

Roswitha Cousin

München (Weltexpresso) – Ich versprach doch einen zweiten Roman, der ganz anders als der vorherige ist. Mir selbst geht es so, daß ich, wenn ich historisierende Romane gelesen habe, die fast immer etwas weitschweifig sind, was ein Gutes, daß man nämlich auch die Zeit, die Umstände, das Wetter oder für den Roman unwichtige, aber einem gefallende schräge Personen kennenlernt, aber auch was Negatives an sich haben, daß einen davon nicht alles interessiert, wenn ich also zu viel über vergangene, nun durchsichtig gewordene Zeit gelesen habe, brauche ich dringend einen solchen undurchsichtigen Roman wie diesen. Erst recht, wenn er so gut geschrieben ist.

DER VOGELGOTT von Susanne Röckel

Dringend Interpreten gesucht! Aber ich sagte ja schon, ich laß mich auf nichts vorher ein, ich lese immer selber. Nachher allerdings finde ich die Interpretationen von anderen interessant, glaube aber nur meiner eigenen.

Wie kommt man auf solche Ideen, wie sie Susanne Röckel Wirklichkeit werden läßt? Den Vogel Greif habe ich genauso wie das Einhorn oder den Drachen mein Leben lang für wichtig gehalten. Wissen die Heutigen, daß wir damit immer noch der Antike verpflichtet sind, die ja für fast alle unsere Gemütsverfassungen sowie äußere und innere Geistbewohner uns ihre Deutungen hinterlassen haben. Und so sind auch diese drei mythischen Wesen und Weltbewohner heute genauso existent wie einst in Griechenland als: γρῦψ, monókeros und δράκων. Das Raffinierte war zudem, daß alle drei ihre Gestalt leicht abwandeln konnten, je nach Notwendigkeit. War der Drache in Gefahr, konnte er auf einmal fliegen, was er es nötig hatte, denn der Mensch verfolgte ihn. Das aus gutem Grund, denn der Drache wollte ihn gerne verspeisen, vor allem Jungfrauen. Immer also ist mit dem Drachen, was Übles verbunden. Der Drache muß weg. Und keiner konnte uns bisher sinnvoll erklären, weshalb dies im Osten, in China ganz anders läuft und der Drache dort ein Heilsbringer ist.

Aber wir bleiben in unseren Weiten und da ist das Einhorn das Gegenteil vom Drachen. Das Einhorn ist immer gut. Und weil es gut ist, wird es immer verfolgt. Es ist ein Symbol für Reinheit und Einheit. Was die Griechen angeht, kann man vermuten, daß die es immer wieder mit dem Nashorn verwechselten, denn es gab Trinkgeräte, die man dem Einhorn zuschrieb, die aber eindeutigen Ursprungs sind. Nein, die Griechen hatten  zwar einen Namen für das Einhorn, hatten aber keine Abbildungen, bzw. es sind keine überliefert. In seiner heutigen Form mit dem einen Horn, hat das schon etwas Christliches, denn Physiologus hat im 2. Jahrhundert n. Chr. erstmals von der Jungfrau geschrieben, die es als einzige einfangen könne, das Einhorn. Eine Jungfrau? Ja, das ist dann immer die christliche Maria.

Was soll das. Es geht doch um den Greif. Ja, aber es geht eben auch um Mythologie und um Allegorien. Der Greif ist nämlich von den dreien das variabelste Tier. Es ist aus Tierkörpern zusammengesetzt, die sich aber ändern können, Vogelartiges ist immer dabei, aber meist alternativ, der Kopf, die Flügel, die langen Beine...der Greif ist weder gut noch böse. Aber er hat Köpfchen, er ahnt, was kommt, ist auf der Hut, wachsam und reagiert blitzschnell.  Ein sehr interessanter Fall, dieser Greif. Man heute glaubt, daß die Skythen seine Fossilien gefunden haben, die wir heute als Dinosaurier kennen, das nur nebenbei. Diese mythologischen Tiere können ins Leben eingreifen, je nachdem, wie ich mit ihnen und dem Leben umgehe.

Wir wollten Sie nur darauf einstellen, daß auch die Menschen von heute und auch die Schriftsteller von heute flugs die moderne Tünche verlieren, vor allem dann, wenn sie wie der, von dem alles ausgeht, der Lehrer und Hobby-Ornithologe Konrad Weyde solche Sachen machen, Schuld auf sich laden. Weyde hatte draußen auf seinen Wegen ein ungewöhnliches Exemplar eines Vogelartigen erspäht und bringt ihn um, damit dieser in seine Sammlung paßt. Ein richtiger Ornithologe hätte das eigenartige Wesen beobachtet. Das hat er nun davon, der kalte Vater und Ornithologe. Denn nun passiert Seltsames, ja Gefährliches, was Susanne Röckel in der Rückschau die drei Kinder Lorenz, Dora und Theodor als Erwachsene erzählen läßt, wobei es vor allem Lorenz ist, der für uns den Vogel Greif identifiziert, denn er hat ihn selbst gesehen und weiß, daß er ein Abgesandter des Teufels ist. Theodor dagegen, den der Vater läßlich erzogen hat, während die beiden Älteren brutal streng groß werden mußten, die Mutter ist auch noch gestorben, ist ein Tunichtgut, hat aber sein Erweckungserlebnis, als er das Gemälde von Johannes Wolmuth aus der örtlichen Kirche als Abbildung im örtlichen Dorfladen sieht, das ihn auffordert, nach Afrika zu gehen, als Arzt Hilfe zu leisten, was er tut.

Monate später wacht er in Deutschland im Krankenhaus auf und weiß, es ist ihm in Afrika etwas ganz Schlimmes passiert. Aber was? Und was geschah mit Lorenz und Dora?

Foto:
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Info:
Susanne Röckel, Der Vogelgott, Jung und Jung, 2018
ISBN 978 3 99027 214 5