Jojo Moyes neues Buch aus dem Rowohlt Verlag
Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) - „Eine Handvoll Worte“ heißt das neue Buch der britischen Autorin Jojo Moyes, deren Roman „Ein ganzes halbes Jahr“ sich monatelang auf der Bestsellerliste hielt. Unser Kollege Hanswerner Kruse findet auch dieses Werk lesenswert.
„Ich werde ab Viertel vor sieben auf dem Bahnsteig warten. Du sollst wissen, dass Du mein Herz, meine Hoffnungen in Deinen Händen hältst. B.“ Mit diesen Worten endet ein vierzig Jahre alter Liebesbrief, den die Journalistin Ellie im verstaubten Archiv ihrer Zeitung findet. Von dieser „Handvoll Worte“ seltsam angetan, macht sie sich auf die Suche nach weiteren Informationen…
Vierzig Jahre zuvor wachte ein eine junge Frau nach einem schweren Unfall im Krankenhaus auf und konnte sich an nichts erinnern. Alles kam ihr fremd vor - der Mann, die Freundinnen, ihr bisheriges Luxusleben an der Seite des Fabrikanten: „Sie fühlte sich wie in einer Glasglocke, weit weg von allen um sie herum.“ Nur langsam und meistens durch Informationen von außen begann Jennifer sich etwas zu spüren.
Als Jennifer, um ihre Erinnerungen aufzufrischen, eines Tages alle ihre Kleider anprobierte, fand sie einen an sie gerichteten Liebesbrief: „…Nimm ihn zu Dir, meine Liebste, aber liebe ihn nicht. Bitte liebe ihn nicht…“ Völlig verwirrt machte sie sich auf die Suche und fand weitere Nachrichten des unbekannten B. „Wenn sie seine Nachrichten las, kribbelte ihre Haut, ihr Herz raste. Sie erkannte diese Worte. Fragen über Fragen schwirrten durch ihren Kopf:“ Wer war der Fremde, was hatte sie mit ihm getan - sie konnte sich weder erinnern noch irgendjemanden fragen.
In eingestreuten Rückblenden wird jedoch dem Leser die leidenschaftliche Begegnung zwischen der lebenslustigen Jennifer und dem zynischen Frauenhelden Anthony deutlich. Anscheinend wollte sie ihren Mann verlassen, wurde aber durch den Unfall daran gehindert, mit ihrem Liebhaber nach New York zu gehen. Mehr soll hier nicht von der Erzählung verraten werden, weil es zahlreiche tragische oder spannende Wendungen gibt. Die Autorin selbst macht an dieser Stelle einen Schnitt und lässt die Journalistin Ellie weitere Nachforschungen anstellen.
Ellie hat eine unglückliche Affäre mit einem verheirateten Mann und identifiziert sich stark mit Jennifer. Allerdings ist die Handvoll - an Jennifer gerichteten - Worte nicht zu vergleichen mit den trockenen und kürzeligen SMS, die sie von ihrem Lover bekommt. Ellie macht sich sowohl auf die Suche nach dem Liebespaar und versucht sich zugleich von ihrer eigenen hoffnungslosen Liebe zu befreien. Auch ihre Recherche über die Geschichte von Jennifer und Anthony werden wieder als Rückblenden eingestreut.
Das Buch ist trotz seiner Zeitsprünge und Rückblenden nicht verwirrend, die Autorin macht immer die jeweiligen Situationen sehr deutlich. „Eine Handvoll Worte“ ist nicht so schnodderig geschrieben wie „Ein ganzes halbes Jahr“ - dafür aber durch seine verschiedenen Zeitebenen literarisch etwas anspruchsvoller, frei vom Kitschverdacht und, natürlich, durch die vielen, vielen Liebesbriefe sehr berührend.
Deutlich wird am Beispiel der beiden Frauen, wie heftig sich ihre unterschiedlichen Lebenswelten in gerade mal vier Jahrzehnten entwickelt haben. Während Jennifer völlig in den Konventionen und moralischen Vorstellungen der frühen 60er Jahre verfangen war, hat Ellie ganz andere Möglichkeiten, ein eigenes Liebesleben zu entfalten. Doch letztlich verhält sich Jennifer in den Zeiten, als die Beatles „All my loving I will send to you“ sangen, viele freier und konsequenter als heute die unsichere Ellie. Erst durch ihre Recherche über die große Liebe findet sie zu sich selbst. Und wir, wir Leser fragen uns, wann haben wir eigentlich unseren letzten Liebesbrief geschrieben oder bekommen?
Jojo Moyes „Eine Handvoll Worte“, Rowolth Verlag, Englische Broschur, 591 Seiten, 14,99 €