Serie: Auf die Schnelle: Gute Unterhaltungsliteratur, gebraucht, Teil 41
Hanno Lustig
Köln (Weltexpresso) – Hier binde ich zwei Männer zusammen, die eigentlich überhaupt nichts miteinander zu tun haben, bis auf die Tatsache, daß sie für viele Leser eine Institution geworden sind. Der eine in Griechenland und überall dort, wo seine Werke verlegt wurden, der andere zumindest in Jamaika und England und damit in der gesamten englischsprachigen Welt. Dadurch gibt es eine weitere Ähnlichkeit, die nämlich, über nationale Grenzen hinaus zu denken, zu schreiben und zu leben.
TAGEBUCH EINER EWIGKEIT. Am Set mit Angelopoulos von Petros Markaris
Was Petros Markaris angeht, fängt das Durcheinander schon mit seiner Geburt an. Er wird 1937 in Istanbul geboren, war sogar auch einmal Türke, ist aber der Sohn eines armenischen Kaufmanns und einer griechischen Mutter, hat dann hauptsächlich in Athen gelebt, aber in Wien studiert, so daß er alle vier Sprachen spricht und sogar in dreien schreibt. Daß er in Deutschland durch seinen Ermittler Kostas Charitos berühmt ist, ist auch seinem verdienstvollen Verlag Diogenes zu verdanken, der überhaupt, wenn ein Autor bei ihm ist, sich intensiv um die schriftstellerische Karriere kümmert. Daß verhältnismäßig viele internationale Krimiautoren im Haus Diogenes zusammenkommen, nur nebenbei.
In diesem Band von knapp 300 Seiten geht es um etwas ganz anderes. Um seine Zusammenarbeit mit dem griechischen Regisseur Theo Angelopoulos ( 1935 – 2012), wozu ich sagen muß, daß ich Petros Markaris zwar schätze, aber ein tiefer Verehrer des Regisseurs bin. Damit habe ich mit Markaris etwas gemeinsam. Denn das ganze Buch hindurch, das seine Zusammenarbeit, ach was, schildert, wie ihm Angelopoulos das Drehbuchschreiben beibringt, ist seine tiefe Verehrung für den Filmmeister zu spüren, die ich auch empfinde. Leider sind die Deutschen keine Cineasten, wie die Franzosen beispielsweise, wo auch dieser griechische Regisseur tief betrauert wurde. Jetzt muß ich aufpassen, nicht über die Filme von Angelopoulos zu schwärmen, vor allem seinen Filmen über das 20. Jahrhundert, sondern bei dem Film zu bleiben, der im Mittelpunkt dieses Buches steht: Die Ewigkeit und ein Tag. Der 137 Minuten lange Film war das Ereignis der Filmfestspiele von Cannes 1998 und gewann die Goldene Palme. Warum er auch in Deutschland ein Erfolg wurde, hatte auch mit der männlichen Hauptrolle, die Bruno Ganz verkörperte, zu tun.
Beim Lesen der Alltäglichkeiten, die die Zusammenarbeit mit Angelopoulos bestimmen, es beginnt mit dem 9. März 1996 und endet am 31. März 1998, erscheint auch Bruno Ganz, dem Markaris Kränze windet. Daß er ein so unprätentiöser und liebenswerter Schauspieler war, wird erneut bestätigt. Doch das Eigentliche sind die komplizierten Vorgänge, bis ein einvernehmliches Drehbuch zu Stande kommt, wo die Akribie und Weitsicht des Regisseurs überzeugt, aber Markaris auch ein treuer Diener seines Herrn ist. Ein sehr angenehmes und für Filmfreunde absolut notwendiges Buch!
Rührend auch ein Brief von Petros Markaris an Theo Angelopoulos, fünf Jahre nach dessen Tod. Und erschreckend, wie er den Regisseur an dessen Film DER SCHWEBENDE SCHRITT DES STORCHES von 1991 erinnert, übrigens mit Marcello Mastroianni und Jeanne Moreau, in dem Angelopoulos und noch stärker bei den Drehaufnahmen betonte, „die Migrationsproblematik sei die große Frage unserer Zeit“. Das war vor 30 Jahren!
Wie oft denken wir bei solchen Büchern, hätte der Verlag doch den Mut besessen, den Film auf DVD in der Umschlagsklappe mitzuverkaufen. Vielleicht hätte man das Buch auch mit und ohne Film anbieten können, denn da in Deutschland Theo Angelopoulos nicht so gängig ist, wie beispielsweise Woody Allen, mit dem ihn auch nichts verbindet, wäre das eine sogenannte Win-Win Situation, denn ein Buch, das seinen Inhalt auch als Film präsentiert, ist einfach attraktiver. Ja, die Rechte, wir wissen. Aber wir sind auch ziemlich sicher, daß es gar nicht probiert wurde, dem Buch den Film beizulegen.
Foto:
Cover
Info:
Petros Markaris, Tagebuch einer Ewigkeit. Am Set mit Angelopoulos, Diogenes Verlag 2019
ISBN 978 3 257 07063 1