Auf die Schnelle: Gute Unterhaltungsliteratur, gebraucht, Teil 50
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zeit, wieder einmal über Bücher von Frauen zu berichten, die über Frauen der Kunst schreiben. Das Gemeinsame ist, daß es sich um Biographien handelt, die original auf Deutsch erschienen sind. Der große Unterschied allerdings ist erst einmal, daß nur die Malerin des Blauen Reiter, Marianne von Werefkin, wirklich Künstlerin ist, während Peggy Guggenheim Kunst sammelte, die ihre Collection in Venedig bis heute zeigt.
PEGGY GUGGENHEIM und der Traum vom Glück von Sophie Villard
Wie habe ich mich auf dieses Buch gefreut, das erst im August herauskam und das ich sofort gelesen habe, aber bis heute nicht ‚richtig‘, also ausführlich rezensiert hatte, weil ich nur einen Verriß, wie es heißt, hätte schreiben können, was ich nicht gerne tue, weil jedes Buch Arbeit macht und – eine wichtige Erkenntnis – auch solche kitschigen Bücher Leserinnen finden. Der Ärger fängt beim Pseudonym an. Man muß sich, als ‚erfolgreiche deutsche Autorin‘ nicht unbedingt Sophie Villard nennen, weil die Assoziation ans Französische ja gewollt wird, auf mich aber nur 'gewollt' wirkt. Und schlimmer noch. Gerade bin ich auf deren Webseite gegangen und da steht doch tatsächlich: "Hier in meinem Café am linken Seine-Ufer, wo es nach Kaffee und Croissants duftet, erzähle ich Ihnen von realen, spannenden Frauen, die in ihrem Leben viel bewegt haben und uns auch heute noch beeindrucken....“
Da wird also so getan, als ob eine Französin aus Paris über Frauen in Paris schreibt. Jetzt versteht man auch besser, warum Peggy Guggenheim (1898 in New York - 1979 Italien) i keine richtige Biographie auf den Leib geschrieben wird, sondern es hauptsächlich um die Jahre der US-Amerikanerin in Paris (1937-1941, dann 41/42 N.Y.) geht. Wie erfunden das alles wirkt, wenn die Autorin die Gedanken der Kunstmäzenin, die eine Nichte des viel reicheren Solomon Guggenheim mit seinem Museum in New York ist, niederschreibt und in wörtlicher Rede die Gespräche wiedergibt, wie sie sich sie vorstellt, ist das einfach peinlich, was noch schlimmer wird, wenn sie der, sich über ihr unglückliches Leben mit Männern immer wieder beklagenden Frau, alle möglichen Männer ins Bett legt.
Daß die Guggenheim aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse für Künstler, vor allem für arme Künstler dann wieder ein gefundenes Fressen war, also zur attraktiven Frau wurde, wird nicht weiter thematisiert. Das also ist alles schrecklich. Auf der anderen Seite wird dem Leser ein sogenanntes name-dropping vorgeführt, von James Joyce, über Samuel Beckett zu den heute berühmten französischen Künstlern, von denen sie den meisten Bilder abkauft, von manchen sogar unsympathisch äußerst günstig, weil diese vor den Nazis fliehen mußten, so daß man sich fragt, an welchen Leser, nein, an welche Leserin Sophie Villard eigentlich denkt. Diejenigen, die mit den Künstlernamen etwas anfangen können, sind die Informationen auf jeden Fall interessant, aber die würden so ein Gesülze nicht lesen; aber wer die Maler nicht kennt, kann sie hier auch nicht kennenlernen, weil deren Kunst keine Rolle spielt, was auch bei so vielen Künstlern gar nicht ginge.
Hallo: Unbedingt die Memoiren von Peggy Guggenheim lesen: ICH HABE ALLES GELEBT. Die ist sensationell
MARIANNE VON WEREFKIN. Die Russin aus dem Kreis des Blauen Reiters von Brigitte Roßbeck
Eine richtige Biographie dagegen ist diese über die Malerin, die mit Peggy Guggenheim nur eins gemeinsam hatte: kein Glück mit Männern. Aber hier geht es nicht darum, sondern ihrem persönlichen Lebensweg zu folgen. Das muß mit dem Russischen Kaiserreich beginnen, wo sie 1860 in der Nähe Moskaus geboren wird. Sterben wird sie in der Schweiz, wo sie 1938 hoch geachtet, aber alleinstehend starb.
Ich hatte diese Biographie herausgeholt, als im letzten Jahr das Wiesbadener Museum eine wirklich hervorragende Präsentation dieser letztlich doch unterschätzten Künstlerin zeigte. Denn gerade in ihrem Fall ist der biographische Hintergrund extrem wichtig, weil ihr Zusammenleben mit dem sie überstrahlenden Alexej Jawlensky für sie persönlich künstlerisch Einbuße bedeutete. Obwohl man das auch genau umgedreht sehen kann, denn die Kontakte, die sie zusammen mit Jawlensky in der expressionistischen Künstlervereinigung Blauer Reiter pflegte, hießen auf jeden Fall, viele Anregungen zu bekommen und insgesamt eben eine längere Zeit eine Einheit von Leben und Werk zu genießen.
Was an dieser Biographie wirklich erstaunlich ist, sind die vielen Quellen, auf die die Autorin zurückgreifen und sie dokumentieren kann. Es sind nämlich das erste Mal Tagebuchaufzeichnungen ausgewertet worden und eine Menge bisher unbekannter Briefe von und an die Werefkin. Eine wirklich runde Sache, zu der dann gehören könnte, daß man sich den Katalog der Wiesbadener Ausstellung besorgt, über die ich im August eine ganze Serie von fünf Artikel veröffentlicht hatte.
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Cover
Info:
Sophie Villard, PeggyGuggenheim und der Traum vom Glück, Penguin Verlag 2020
ISBN 978 3 328 10488 9
Brigitte Roßbeck, Marianne von Werefkin. Die Russin aus dem Kreis des Blauen Reiters, Siedler Verlag
ISBN 978 3 8868ß 913 4
Berichterstattung über die Wiesbadener Ausstellung über Marianne von Werefkin 2020
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