falkDer Wiederaufbau der hessischen Justiz am Beispiel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main,“ zu dessen 75. Jubiläum, Teil 1/3

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Georg D.Falk, Jahrgang 1949, war bis 2014 Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ist seit 2006 Mitglied des Hessischen Staatsgerichtshofes und legt diesen 531 Seiten dicken, absolut notwendigen Band vor, an dem er von 2014 bis 2017 arbeitete, der im selben Jahr von der Historischen Kommission für Hessen als 86ster Band veröffentlicht wurde.

Es ist schon seltsam, daß die meisten Deutschen zwar die Plätze von Fußballmannschaften in der Bundesliga, samt Absteiger und Aufsteigerritualen kennen, nicht aber die – zugegeben sehr komplizierte – Gerichtsbarkeit in den verschiedenen parallelen oder hierarschisch aufeinander bezogenen Gerichten. Jeder denkt da erst mal an ‚richtige Gerichte‘, was Ordentliche Gerichte heißt, um die es gleich gehen wird, aber es gibt auch die Arbeitsgerichte, Finanzgerichte, Sozialgerichte, Verwaltungsgerichte. Innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterscheidet man auf der parallelen Ebene drei Bereiche: streitige Zivilgerichtsbarkeit (wenn zwei sich streiten), freiwillige Gerichtsbarkeit (Vormundschaft-, Nachlaßsachen etc.) und Strafgerichte, wenn Strafgesetze verletzen werden und gegen Rechtsbrecher vorgegangen wird, damit der Rechtsfrieden wieder eintritt,.

In der hierarchischen Struktur, den Instanzen, folgt nur bei Strafsachen dem Amtsgericht das Landgericht, gegen dessen Entscheidungen/Urteile Revision beim Bundesgerichtshof möglich sind.

Alle Verbrechen gehen ans Landgericht, an das Oberlandesgericht alle Straftaten gegen den Staat, wie z.B. NSU-Prozeß. Für Urteile der Amtsgerichte kann Berufung beim Landgericht erfolgen.

Für die erstinstanzlichen Urteile des Oberlandesgerichts (OLG) und grundsätzlich der Landgerichte ist der Bundesgerichtshof die Revisionsinstanz.. .

Das Buch von Falk begleitet, analysiert und bewertet nun überhaupt zum ersten Mal den Aufbau der hessischen Justiz nach der Nazi-Diktatur am Beispiel des OLG. Konkret wird nach der NS-Belastung von Richtern gefragt, die beim Aufbau in drei Zeitzonen 1946-49, 1953, 1960 eingesetzt wurden. NS-Belastung durch NS-Recht, bzw. NS-Unrecht ergibt sich in der Tätigkeit an Sondergerichten, politischen Strafsenaten, Erbgesundheitsgerichten, Kriegsgerichten oder den“Eingangsinstanzen der ordentlichen Gerichtsbarkeit“.

Für die oberen Zeiträume trägt Georg D. Falk die, soweit möglich, Biographien der in den genannten Zeiträumen am OLG tätigen Richter zusammen. Roman Poseck, Präsident des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main und Präsident des Staatsgerichtshofes des Landes Hessen stellt im Geleitwort fest: „Seine Untersuchung gerade des Wirkens dieser Richter in der NS-Zeit zeigt eindrucksvoll die gesamte Bandbreite richterlichen Handelns in einer menschenverachtenden Diktatur von Widerstand über Anpassung, Anbiederung, Unterordnung bis hin zum fanatischen Glauben an das NS-Regime und der Bereitschaft zum offensichtlichen Justizmord.“ Falk räumt damit auch mit der Mär auf, daß „die Richter“ damals nicht anders hätten handeln können.

Die Entwicklung ist dann disparat und fußt auf einer gezielten Entnazifizierungspolitik gegenüber dem OLG. Nach 1945 kommt nämlich durchaus ein größerer Anteil jüdischer Richter wieder ans OLG – im Gegensatz zum in Mainz ansässigen LANDGERICHT, wie der 2012 durch den Deutschen Buchpreis ausgezeichnete Roman von Ursula Krechel mit unsäglichem Fremdschämen des Lesers deutlich macht, wo ein aus dem Exil zurückgekehrter jüdischer Richter ins Abseits gestellt wird, weil er gegenüber NS-Tätern nicht objektiv sein könne, während wohl die ganzen übernommenen NS-Richter diesen gegenüber objektiv seien. Unglaublich. Von daher ist es wichtig, daß Falk eben auch die leidvollen Jahre dieser jüdischem Richter im Exil darstellt, die persönlich teils unter den schwersten Bedingungen überlebten, aber teils ihre Familien verloren, ihre Eltern...

Allerdings blieb die Haltung der Hessischen Landesregierung sowohl kritisch gegenüber NS-Belastung, wie positiv gegenüber jüdischen Rückkehrern zu sein, innerhalb der drei westlichen Besatzungszonen einzig, wurde auch durch die BRD-Politik der Reintegration von NS- und SS-Angehörigen nicht unterstützt, sondern eigentlich konterkariert, blieb aber als Tendenz erhalten.

Wie dies in den drei Zeitzonen differiert, soll der nächste Artikel aufzeigen.

Fortsetzung folgt

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Info:
Georg D.Falk, Entnazifizierung und Kontinuität. Der Wiederaufbau der hessischen Justiz am Beispiel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, 86ste Veröffentlichung der Historischen Kommission für Hessen, Marburg 2017
ISBN 978 3 942225 38 0