romyund der Weg nach Paris von Michelle Marly, Aufbau Taschenbuch

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Was denken die Deutschen heute von Romy Schneider, die als harmloses junges Mädchen mit jugendlichem Liebreiz in den drei Sissi-Filmen eine Ikone der Deutschen wurde und deren Liaison mit Alain Delon, deretwegen sie nach Paris ging, sie in Frankreich zu einer erwachsenen Frau und anrührenden Schauspielerin machte, was hierzulande lange mit Häme erwidert wurde, ein Leben dann mit beruflichen Erfolgen, aber bitterem privatem Unglück, tragisch mit einem Wort einschließlich des frühen Todes mit fast 44 Jahren, nicht mit 42 Jahre, wie auf Seite 414 steht.

Ich kenne alle Filme von Romy Schneider und auch die teils sehr guten Filme über sie, wie der letzte „3 Tage in Quiberon“ von Emily Atlef, der ein Schmuckstück der Berlinale 2018 war. Wenn ich also ein Buch über Romy Schneider lesen will, ist das meinerseits einmal das nicht nachlassende Interesse an der flirrenden Schauspielerin, die ein das normale Menschenmaß übersteigendes privates Unglück erlebte, aber als Schauspielerin immer besser wurde. Doch mit „ROMY und der Weg nach Paris“ kann ich einfach nichts anfangen! Ich habe es aber trotzdem aus Respekt für die Schauspielerin bis zu Ende gelesen. Ich kann deshalb damit nichts anfangen, weil ich es als respektlos und leider auch seicht empfinde, wie hier eine Person zur literarischen Figur wird, deren Denken und Fühlen in entsprechender wörtlicher Rede hingeschrieben wird, natürlich völlig frei, denn das ist alles erfunden.

Erst einmal nimmt die Autorin Michelle Marly - hinter der sich Micaela Jary verbirgt, deren Vater der Filmkomponist Michal Jary ist, eine bekannte Figur der Nachkriegszeit-, die wie sie im Nachwort nachlegt, Romy Schneider im Tessin oft gesehen hatte, wo die jeweiligen Eltern Sommerhäuser besaßen, dies wohl als Qualifizierung, obwohl es nur für die frühe Romy Schneider gilt und sie zudem über die Qualität der Bekanntschaft schweigt. Die Autorin hat sich wohl auf quasi-biographische Romane spezialisiert, wie es die Ankündigungen über ihre bisherigen Bücher über Coco Chanel, Edith Piaf und Maria Callas nahelegt, wobei es keine ‚richtigen‘ Lebensdarstellungen sind, sondern jeweils ein bestimmter Zeitrahmen, bzw. Ereignisse ausschmückend erzählt werden.

Das sind im Falle von Romy Schneider die Daten vom 10. April 1958 bis 9. Mai 1962. Am 10. April landet sie mit ihrer Mutter Magda Schneider, einer eher mittelmäßigen Schauspielerin, in Paris, wo sie am Flughafen von den ihr noch unbekannten jungen Schauspielern Alain Delon,mit dem sie dann ein Paar wurde, das Zentrum des Buches, und Jean-Claude Brialy abgeholt wurde, mit denen sie ihren ersten französischen Film drehen würde. Alles, was dort und in der Folge an wörtlicher Rede, gedachten Gedanken, phantasierter Gefühle auf 407 Seiten erzählt wird, kann man am besten mit Romy Schneider auf Seite 13 ausdrücken: „Das ist alles so peinlich“, zischte Romy zwischen zusammengebissenen Zähnen zurück.

Damit ist zum Buch als ernsthafte Literatur alles gesagt.

Warum ich weitergelesen habe, ist nicht nur Pflicht, sondern auch – und deshalb schreibt die Autorin ja über Romy Schneider und andere prominente Frauen, die mit beruflichem Erfolg persönliches Mißgeschick trugen – das Interesse, welche grundsätzliche Lebensänderung durch diesen ersten französischen Film für die damals noch beliebteste deutsche Jungschauspielerin eintrat, die gerade deshalb für die bundesdeutsche Biederkeit sozusagen als französische Dirne, auf jeden Fall als undeutsch gebrandmarkt wurde. Für mich hätten unbedingt die damaligen Pressekommentare noch sehr viel stärker berücksichtigt werden sollen, weil sie zwar nichts über die Künstlerin aussagen, aber viel über die deutsche Publizistik der Zeit, die schreibt, was sich verkauft.

Ich gehöre zu denen, die die filmische Sissi-Trilogie von Ernst Marischka ab Dezember 1956 kalt ließ, in die Millionen Zuschauer pilgerten, Sissi, die später auch in einem Zusammenschnitt in einen einzigen Film den amerikanischen Markt eroberte, die erst heute den jugendlichen Zauber, der mir damals unecht und kitschig war, als schauspielerisches Niveau anerkennen. Aber seit dem Weggang nach Paris empfand ich Achtung vor dem Mut, sich – eigentlich ja nur wegen eines Mannes – auf ein Land, dessen Sprache man nicht spricht, so einzulassen, wie es dann der Fall war. Von daher kann man die langen Passagen zum künstlerisch wichtigsten Ereignis dieser Jahre, eine tragende Rolle in der Tragödie „Schade, daß sie eine Hure ist“ von John Ford aus der englischen Renaissance, die der italienische Star Luchino Visconti auf die Pariser Bühne brachte und worin Romy Schneider glänzte, interessiert lesen. Das muß man sich mal vorstellen, in kurzer Zeit nicht nur die Sprache zu erlernen, sondern sie dann noch in einem Bühnen-Französisch sprechen zu können, weshalb ich die Passagen mit der Sprachlehrerin, die ihr das beibringt, am interessantesten fand, auch wenn das natürlich im Detail erfunden ist, aber sicher hat die Autorin über solches Sprachlernen recherchiert.

Interessant auch der August 1960, wo Romy Schneider auf Bitte von Fritz Kortner, der nächsten Regieikone, in Hamburg an „Die Sendung der Lysistrata“ als Myrrhine mitwirkt, neben Barbara Rütting als Lysistrata, auch Ruth-Maria Kubitscheck ist dabei. Ich kann mich an den größten bundesdeutschen Fernsehskandal aller Zeiten noch erinnern, den die moderne Version des antiken Stoffes, wo die Frauen von Athen und Sparte durch andauernde Verweigerung des Beischlafs ihre Männer zwangen, den Krieg zu beenden, auslöste. Daß damals, was nie wieder geschah, der Bayerische Rundfunk sich bei der Ausstrahlung aus der ARD mit einem eigenen Programm ausklinkte, zeigt, wie geradezu kleinbürgerlich bieder der Aufruhr war, in dem Romy Schneider ihre Brust nackt zeigte.

Seltsam, daß das Verhältnis des Stiefvaters, des umtriebigen Kölner Geschäftsmanns Hans Herbert Blatzheim im Buch so blaß bleibt, daß die vermutete Veruntreuung all der Gelder, die Romy Schneider in ihren Sissi-Jahren, zu denen ja weitere erfolgreiche Filme kamen, im Buch nicht geklärt wird. Stattdessen wird er ihr – sehr seltsam – im Koffer die angekündigten eine Million Deutsche Mark von Marischka antragen, damit sie den vierten Sissi-Film trägt, was sie entschieden ablehnt, so zuwider sind ihr inzwischen die süßlichen Rollen. Aber da sie als junges unbedarftes Mädchen ihren Stiefvater vertraglich bevollmächtigt hatte, alle Geldgeschäfte in ihrem Namen zu erledigen, hatte sie keinen Einblick in ihre eigene finanzielle Situation und hat wohl nie richtig mit ihm abgerechnet.

Daß sie dann mit erheblichen Schulden starb, die ja eine erfolgreiche internationale Schauspielerin wurde, zeigt, daß ihre Eltern sie eben nicht auf ein eigenständiges Leben vorbereitet hatten, sondern sie bevormundet hatten und die junge Kuh gemolken hatten, wie es nur ging. Darüber hätte ich gerne mehr gelesen, aber diese Aufarbeitung wird völlig ausgespart. Auf der einen Seite zu viele Nebensächlichkeiten, ja Belanglosigkeiten, auf der anderen Seite zu wenig Information. Trotzdem wird das Buch Leserinnen finden. So ist das halt.

Info:
Michelle Marly, ROMY und der Weg nach Paris , Aufbau Taschenbuch 3523, Aufbau Verlag 2021
ISBN 978 3 7466 3523 1