KrimiZEIT-Bestenliste in ZEIT und NordwestRadio für November 2013, Teil 3

 

Elisabeth Römer

 

Hamburg (Weltexpresso) – Sie bekommen schon mit, daß die Buchmesse – behaupten wir mal – solch einen Wirbel veranstaltet hat, daß die KrimiBestenListe gleich sieben neue Titel besetzt. Da sind wir nicht nachgekommen mit dem Lesen, wollen aber nun neue vorstellen und fangen mit dem dritten Platz an, den endlich wieder einmal ein deutscher Krimi einnimmt.

 

Wir beschweren uns nämlich immer wieder mal bei der KrimiZEIT-Bestenliste – oder mokieren uns in unserer Kommentierung darüber – daß der englischsprachige Kriminalroman wohl per se sakrosankt und darum die begehrten Listenplätze besetzt. Waren es früher vor allem die aus dem amerikanischen Raum, so ist inzwischen längst das Mutterland des Krimis – Großbrittanien – wieder häufig vertreten, aber immer stärker auch Australien, woher diesmal zwei der zehn Titel kommen.

 

Wir freuen uns über Platz 3 für Friedrich Ani aus dem Droemer Verlag, weil wir den Bayern Tabor Süden – jawohl, so heißt der inzwischen private Ermittler und den Bayern sagt man ja sowohl Stumpfsinn wie Sturheit nach, letzteres zeichnet diesen Süden aus – schon aus vielen Romanen kennen und schätzen. Diesen noch nicht, weshalb wir Andreas Ammer sprechen lassen: „ „Jemand ist verschwunden, auf diese Formel lassen sich die meisten der Anischen Tabor-Süden-Romane bringen. Welch welthaltigen Wahnsinn und einsamkeitsverliebten Tiefsinn Ani aus dieser einfachen Konstellation zieht, verblüfft jedes Mal wieder.“ Es geht erneut um die Münchner/bayrische Naziszene, die Süden wie von selbst als Widersacher anzieht.



Auf Platz 4 vom siebten Rang emporgeklettert Robert Wilson mit STIRB FÜR MICH von Page&Turner, einen spannenden Krimi aus London/Mumbai, über den wir im 1. Teil ausführlich berichteten. Auf Platz 5 Lee Child mit 61 Stunden von Blanvalet, den wir noch nicht haben, aber jetzt schon wissen, daß wir einigermaßen süchtig den nächsten Fall diesen strengen Ex-Militärpolizisten Jack Reacher verfolgen werden, weil Lee Child mit diesem Typen wirklich ein ganz eigener Mensch gelungen ist, der noch mit den Werten und dem Dasein von gestern die neuesten kriminellen Taten und Täter erwischt. Diesmal soll es um einen Latino-Drogenboß gehen, der seltsamerweise Plato heißt, was ihm bei Reacher auch nichts nützt, vermuten wir mal. Und hoffen. Wir fanden übrigens die Verfilmung eines Reacher-Romans mit Tom Cruise richtig gut, weil schnörkellos wie die Vorlage, was uns selbst erstaunte.



Bei Platz 6 mit DIRTY OLD TOWN von Garry Disher können wir nun mitsprechen. Es geht um Wyatt, so heißt sein dünnaufgeschossener intelligente Verbrecher, der in seinem siebten Fall nach 1991 es mit der Finanzwelt zu tun bekommt, die aus der Alten Welt in die Neue überschwappt, wobei es ja eigentlich um Juwelen gehen sollte, denn in diesem Geschäft ist der innerlich finstere, aber äußerlich völlig unauffällige Franzose Alain Le Page zu Hause. Ach, was, einer wie er, findet sich überall zurecht, hat aber sein Domizil für alle unsichtbar – denkt er – in Frankreich.

 

Was die Geschichte spannend macht, sind einerseits die Kumpane,mit denen sich Wyatt umgibt - wobei die Frauen natürlich etwas Spezielles sind, nicht nur die eine Frau!,sondern auch eine wie Ma Gadd mit ihrem törichten Neffen -, andererseits das Thema, von dem der Normalbürger gar nichts mitbekommt: Wertpapiere. So nennt man all die auf Papier gehandelten Aktien, Schuldverschreibungen, Anleihen, Fondanteile, Optionen etc., die für den Unkundigen nur Papier und den Fachmann ein Millionen-Milliarden Vermögen sind. Um ranzukommen an die Mappe mit den Papieren im Köfferchen, wird einer in London ermordet, die Wertpapiere tauchen aber woanders auf und so geht es hin und her, wo die Bande doch nur versucht hat einen Juwelenkoffer zu klauen. Das Tolle an diesem Roman ist die Welt von Klein und Groß, wie hier Kleingangster auf einmal mit etwas zu tun haben, wovon sie keine Ahnung haben, was den Wert angeht, und sich furchtlos mit denen anlegen, die in der großen Welt zu den großen Verbrecherbanden zählen. Speziell auch diese Lydia Stark, aber ganz speziell der Schluß, der es im harten Männerkampf zu Sternstunden bringt.

 

Die nächsten drei neuen Krimis auf den Plätzen 7 bis 9 wollen wir nur nennen und das nächste Mal die Geschichten erzählen. Auf  Platz 7 folgt SAG ES TUT DIR LEID von Michael Robotham (original 2012: Say You’re Sorry) aus dem Verlag Goldmann, Tom Rob Smith, ein alter Bekannter, legt mit OHNE JEDEN ZWEIFEL bei Manhattan einen neuen Krimi vor, der nicht mehr um den Ermittler Leo Demidow spielt, sondern ein ganz neues Thema bringt. Und auf Christopher Brookmyre und DIE HOHE KUNST DES BANKRAUBS, erschienen bei Galiani Berlin, freuen wir uns schon deshalb, weil die Geschichte zwischen Schottland und Mexiko ein besonderes Krimipersonal verspricht: eine superschlaue Zirkustruppe.

 

Platz 10 nimmt TÖDLICHE OHNMACHT von C.S. Forester ein, bei dtv erschienen und in Folge 2 von November als Krimi von Frauen gewürdigt, die zeigen, wie man es nicht machen darf.

 

 

 

 

Die KrimiZEIT-Bestenliste November 2013

 

Lfd.

Nr.

Rang

Vor-monat

Titel

1

1

(1)

Jerome Charyn: Unter dem Auge Gottes

Aus dem Englischen von Jürgen Bürger

Penser Pulp bei Diaphanes, 286 S., 16,95 €

New York/Texas 1988. Isaac Sidel ist designierter Vizepräsident der USA. Die Bronx wird an die Army verscherbelt. Um sie zu retten, fightet Sidel mit dem letzten jüdischen Gangster. Band 11 des größten Crime-Mythos der Gegenwart. Charyn lesen ist Rausch.

2

2

(-)

Ana Paula Maia: Krieg der Bastarde

Aus dem Portugiesischen von Wanda Jakob

A1 Verlag, 222 S., 18,80 €

Brasilien. Eine Tasche voll Koks, eine Beinprothese, ein bigotter Profikiller, ein Pornodarsteller, eine Starregisseurin, ein Pudel, eine Boxerin im Danse grotesque des brasilianischem Großtstadtalltags. Zum Schreien präzis choreographiert. Furioso!

3

3

(-)

Friedrich Ani: M

Droemer, 366 S., 19,99 €

München. Der Geliebte einer Lokaljournalistin ist verschwunden. Tabor Süden und seine Kollegen aus der Detektei geraten in die Spinnennetze bayerischer Nazis. Ihre Recherche führt in einen Strudel der Vernichtung. Ungeheuer.

4

4

(7)

Robert Wilson : Stirb für mich

Aus dem Englischen von Kristian Lutze

Page&Turner, 542 S., 14,99 €

London/Mumbai. Alyshia, Tochter eines indischen Millardärs mit Geheimdienst- und Verbrecherkontakten, wird entführt. Eine Strafaktion gegen den Vater? Kidnapping-Consultant Boxer navigiert auf Sicht im Meer globaler Verwicklungen. Bös verzwickt.

5

5

(-)

Lee Child: 61 Stunden

Aus dem Englischen von Wulf Bergner

Blanvalet, 448 S., 19,99 €

Gefängnisstadt Bolton, South Dakota. Schneesturm, tödliche Kälte. Jack Reacher beschützt eine Kronzeugin. Die lokale Polizei ist durch Ausbrecher abgelenkt. Ziel aller Umtriebe: ein geheimes Lager der Air Force. Bizarr, doppelbödig, hoher Suchtfaktor.

6

6

(-)

Garry Disher: Dirty Old Town

Aus dem Englischen von Ango Laina u. Angelika Müller

Pulp Master, 332 S., 13,80 €

Melbourne. Erneut hat sich Profi-Verbrecher Wyatt mit Angebern und Gierschlünden eingelassen. Ein simpler Überfall auf einen Juwelier wird zum Kampf um Beute, Rache und eine starke Frau. Der hartgesottene Wyatt verblüfft durch Empfindsamkeit.

7

7

(-)

Michael Robotham: Sag, es tut dir leid

Aus dem Englischen von Kristian Lutze

Goldmann, 480 S., 14,99 €

Oxford und Umgebung. Vor drei Jahren wurden zwei Mädchen entführt. Eins konnte fliehen. Das andere hat die Kampusch-Rolle: überleben in der Macht eines Psychopathen. Psychologe Joe O’Loughlin bringt die erstarrten Ermittlungen auf Trab.

8

8

(-)

Tom Rob Smith: Ohne jeden Zweifel

Aus dem Englischen von Eva Kemper

Manhattan, 384 S., 19,99 €

London/Südschweden. Marks Mutter entkommt der schwedischen Psychiatrie. Sie berichtet dem Sohn Verstörendes. Gehört ihr Mann, sein Vater, zu einem Kartell von Kinderschändern? Oder leidet sie an Verfolgungswahn? Arme Familie!

9

9

(-)

Christopher Brookmyre: Die hohe Kunst des Bankraubs

Aus dem Englischen von Hannes Meyer

Galiani Berlin, 384 S., 14,99 €

Glasgow/Mexiko. Superschlaue Zirkustruppe raubt Bank aus. Antiterrorspezialistin Angelique verknallt sich in den Boss der Trickster. Als feindliche Insiderin hilft sie ihm beim großen, zweiten Coup, gegen ihren Willen. Romantisch, tolles Verwirrspiel.

10

10

(5)

 

C. S. Forester: Tödliche Ohnmacht

Aus dem Englischen von Britta Mümmler

dtv, 280 S., 14,90 €

London/Sussex. Im 1935 geschriebenen, erst 2011 entdeckten Roman erweist sich Käptn-Hornblower-Erfinder Forester als Meister des psychologischen Noirs. Familiengewalt, Notwehr – einfühlsam aus damals außergewöhnlicher weiblicher Perspektive. Eine Sensation.

 

 

 

INFO:

 

Die monatlich erscheinende Krimi-Bestenliste existiert seit März 2005, als sie erstmals auf der Leipziger Buchmesse, damals noch als KrimiWelt-Bestenliste vorgestellt wurde. Von März 2011 an wird sie regelmäßig an jedem ersten Donnerstag des Monats in der Wochenzeitung DIE ZEIT als KrimiZEIT-Bestenliste veröffentlicht.



Vorgestellt wurde die KrimiZeit-JahresBestenliste

- im NordwestRadio am Donnerstag, den 7. November 2013 mit Tobias Gohlis gegen 8.50 Uhr im Nordwestradio Journal und in den Sendungen der Literaturzeit, nachzuhören unter http://www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/index.html

in der Wochenzeitung DIE ZEIT am 7. November 2013 und unter www.zeit.de/krimizeit-bestenliste

Monatlich wählen achtzehn auf Kriminalliteratur spezialisierte Literaturkritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus der Masse der Neuerscheinungen die zehn Titel aus, denen sie viele Leser wünschen. Das Beste vom Besten: Immerhin erscheinen übers Jahr verteilt über 1200 Kriminalromane auf Deutsch. An jedem ersten Donnerstag im Monat geben Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Sie halten nach dem literarisch interessanten, thematisch ausgefallenen, besonderen Kriminalroman Ausschau. Die besten Zehn werden mit Bibliographie und Kurzbeschreibung hier veröffentlicht.



 Die Jury setzt sich zusammen aus: 

Tobias Gohlis, Hamburg, Kolumnist DIE ZEIT, Moderator und Jury-Sprecher der KrimiWelt

Volker Albers, Hamburg, Hamburger Abendblatt, Herausgeber „Schwarze Hefte“
Andreas Ammer, „Druckfrisch“, Dlf, BR

Gunter Blank, Sonntagszeitung

Thekla Dannenberg, Perlentaucher
Fritz Göttler, München, Süddeutsche Zeitung
Michaela Grom, Heidelberg, SWR
Lore Kleinert, Bremen, Radio Bremen
Thomas Klingenmaier, Stuttgart, Stuttgarter Zeitung
Kolja Mensing, Berlin, Tagesspiegel
Ulrich Noller, Köln, Deutsche Welle, WDR
Jan Christian Schmidt, Berlin, Kaliber 38
Margarete v. Schwarzkopf, Köln, NDR
Ingeborg Sperl, Wien, Der Standard
Sylvia Staude, Frankfurt/M., Frankfurter Rundschau

Jochen Vogt, Elder Critic, NRZ, WAZ
Hendrik Werner, Bremen, Weser-Kurier
Thomas Wörtche, Berlin, Kolumnist, Plärrer , culturmag, DradioKultur

 

 

In der Regel kommentieren wir die von der Jury neu plazierten Krimis. Alle weiteren plazierten Krimis der Vormonate entnehmen Sie bitte unseren Krimi-Besprechungen in den vormonatlichen Artikeln, die Sie unter Kultur. Bücher oder unter dem Autorennamen im Archiv finden. Das Prozedere der Platzverteilung ist ganz einfach. Dreimal darf ein Kritiker aus der Jury einen Roman benennen. Wenn das gut verteilt ist, kann ein Buch einige Monate überwintern, dann hat es nur noch die Chance, in der Jahresbestenliste wieder aufzutauchen, die Ende Dezember herauskommt. und die wir für 2012 ebenfalls kommentierten. 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/1208-der-beste-krimi-2012-bleibt-von-fred-vargas-die-nacht-des-zorns-aus-dem-aufbau-verlag



http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/1208-der-beste-krimi-2012-bleibt-von-fred-vargas-die-nacht-des-zorns-aus-dem-aufbau-verlag