SBP21PortraitsMM1Schweizer Buchpreis 2021, Teil 1

Felicitas Schubert

Basel (Weltexpresso) - Wie immer ist die Auswahl zum Schweizer Buchpreis, dem dritten deutschsprachigen Nationalpreis, als letzte in. die Öffentlichkeit gekommen. Der Schweizer Preis wird ja auch erst nach dem Deutschen Buchpreis, verliehen, der als erster am Vorabend der Buchmesse kommt, gefolgt vom Österreichischen Buchpreis. Die Modalitäten der einzelnen Preise sind völlig unterschiedlich, weshalb man immer wieder darauf eingehen muß. Zuerst aber die ausgewählten Fünf, denn die Schweizer fangen nicht mit einer größeren Liste an, aus der sie auswählen, wie die Deutschen und Österreicher, sondern bringen jeweils fünf Werke ins Rampenlicht, aus denen dann der Preisträger durch die Jury gewählt wird.

Martina Clavadetscher, Thomas Duarte, Michael Hugentobler, Christian Kracht und Veronika Sutter stehen auf der Shortlist des Schweizer Buchpreises 2021.

Die Begründung der Jury

Martina Clavadetscher: «Die Erfindung des Ungehorsams» (Unionsverlag)

Drei Frauen und die Frage nach künstlicher Intelligenz stehen im Zentrum des zweiten Romans von Martina Clavadetscher. Iris, die in Manhattan ungeduldig auf die nächste Dinnerparty wartet. Ling, die in einer Sexpuppenfabrik in China künstliche Frauenkörper auf Herstellungsfehler kontrolliert. Und Ada Lovelace im alten Europa, die visionäre Pläne für neuartige Maschinen entwickelt. Ein Roman über den Kern der Dinge, der durch seine thematische Aktualität und sprachliche Kraft besticht.


Thomas Duarte: «Was der Fall ist» (Lenos Verlag)

Ein Sachbearbeiter einer Stiftung erscheint nach Mitternacht auf einem Polizeiposten und erzählt, wie sein Leben aus den Fugen geraten ist. Er wird finanzieller Unregelmässigkeiten verdächtigt, lässt eine illegal arbeitende Frau im Büro wohnen, deren Lebensberichte ihrerseits Teil der Geständnisse sind. In seinem Debütroman «Was der Fall ist» entfacht Thomas Duarte ein funkelndes Erzählfeuerwerk und entlarvt dabei ernsthaft wie ironisch die Absurditäten unserer Arbeitswelt.


Michael Hugentobler: «Feuerland» (dtv)

Thomas Bridges, der Ziehsohn eines englischen Missionars, wächst Mitte des 19. Jahrhunderts in Südamerika unter den Kindern der Yamana auf. Fasziniert und obsessiv legt er ein Wörterbuch ihrer reichen Sprache an, das später in die Hände eines deutschen Völkerkundlers gerät. Als die Nationalsozialisten in den 1930er Jahren beginnen, Bibliotheken zu plündern, gilt es, das Nachschlagewerk unter allen Umständen in Sicherheit zu bringen. Eine subtil erzählte Geschichte zwischen kolonialen und nazistischen Verheerungen, die ohne Helden auskommt.


Christian Kracht: «Eurotrash» (Kiepenheuer & Witsch Verlag)

In einer listig arrangierten Autofiktion unternimmt der Erzähler mit Namen Christian Kracht eine Reise mit seiner achtzigjährigen alkohol- und tablettensüchtigen Mutter: von Zürich in die alte Heimat Gstaad und wieder zurück. Dabei möchten sie viel von dem Geld
verschenken, das die Familie im Beziehungsgeflecht von Altnazis in der BRD angehäuft hatte. So frech und spektakulär kann nur Christian Kracht die «Aufarbeitung» einer Familiengeschichte misslingen lassen.

EUROTRASH steht AUCH AUF DER ZWANZIGER LISTE und jetzt auch der SECHSERLISTE ZUM DEUTSCHEN BUCHPREIS 


Veronika Sutter: «Grösser als Du» (Edition 8 Verlag)

Sie heißen Gloria, Helen oder Gino und sie leben mit einem Geheimnis. Scham und Verleugnung hindern sie, über das zu sprechen, was hinter ihren Wohnungstüren passiert. «Größer als du» versammelt 15 lose verbundene Erzählungen, die zwischen den Frauenstreiks von 1991 und 2019 angesiedelt sind. Es sind Stücke über Beziehungen und Momente, wo Liebe in Gewalt kippt. Mit präzisen Schnitten und überraschenden Wendungen bringt Veronika Sutter Licht in die dunklen Geschichten.


Die Unterschiede zu den anderen deutschsprachigen Buchpreisen

Es ist sehr seltsam, daß in Deutschland die Buchpreise der anderen deutschsprachigen Länder öffentlich kaum Resonanz finden, kaum öffentlich bekannt werden und schon gar nicht diskutiert werden. Dabei geht es nicht um den jeweiligen Buchpreisträger, der am Schluß gekürt wird. Die Namen und deren Bücher werden schon in den Feuilletons dann erwähnt. Aber die personelle Breite, aus der erst ausgewählt wird, wird genauso wenig zum Thema wie die unterschiedlichen Modalitäten, wie man überhaupt berechtigt ist, sich am jeweiligen Buchpreis zu beteiligen. 

Darum in aller Kürze: nur der Deutsche Buchpreis ist voraussetzunglos, was die Personen angeht. Er ist aber inhaltlich eingengt auf Romane, ist also ein reiner Romanpreis, wobei dieser Roman im Original auf Deutsch (wo auch immer) im genannten Zeitraum erschienen sein muß. Und Buchpreis hat einen Ablauf, in dem aus den eingereichten Romanen als erster Schritt zwanzig ausgesucht werden in der von uns LANGE LISTE genannten Auswahl, was in Deutschland gestern auf die KURZE LISTE mit sechs Romanen eingengt wurde,
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/23257-die-letzten-sechs-gstrein-helfer-kracht-kunst-sanyal-strubel
von denen einer den Deutschen Buchpreis erringt. Noch einmal: eigentlich ist der Deutsche Buchpreis ein Romanpreis, kein Autorenpreis!

Der Österreichische Buchpreis ist inhaltlich am weitesten gefaßt. Neben Romanen können es alle literarischen Formen sein, Essays, Gedichte...Zusätzlich gibt es einen Debütpreis, der drei Personen nominiert. Für den Österreichischen Buchpreis gibt es eine Zehnerauswahl, die am 7. Oktober auf fünf Titel reduziert wird, der Österreichische Buchpreisträger wird dann auf der BUCH WIEN präsentiert.
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/23116-13-titel-nominiert

Ein großer Unterschied liegt in der Berechtigung der Teilnahme. In der Schweiz sind das alle in der Schweiz veröffentlichten Romane sowie Werke von in der Schweiz lebenden Ausländern, aber auch alle von Schweizern in anderen Ländern auf Deutsch veröffentlichten ROMANE und KURZGESCHICHTEN, auch ESSAYS. 


Die Jury 2021

Die fünfköpfige Jury hat aus den insgesamt 92 eingereichten Titeln eine Nominationsliste mit fünf Werken zusammengestellt. Aus dieser Nominationsliste bestimmt die Jury die Preisträgerin oder den Preisträger des Schweizer Buchpreises 2021. Die Entscheidung wird von der Jury schriftlich begründet. Die Mitglieder der Jury sind in ihrer Entscheidungsfindung unabhängig.

Die Mitglieder der Jury des Schweizer Buchpreises 2021 sind:

Tommy Egger (Buchhändler, Buchhandlung im Volkshaus)
Sieglinde Geisel (Kulturjournalistin, NEU)
Daniel Graf (Kulturredakteur Republik, Jury-Sprecher)
Annette König (SRF-Literaturbloggerin)
Hubert Thüring (Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, Universität Basel)


Die Auszeichnung ist mit insgesamt 42‘000 Franken dotiert. Der oder die Preisträger:in erhält 30‘000 Franken; die vier anderen Finalist:innen erhalten jeweils 3‘000 Franken.

Die öffentliche Preisverleihung findet am Sonntag, 7. November 2021 um 11 Uhr im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals BuchBasel im Theater Basel statt.

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Info:
Die Sponsoren und Partner

Der Schweizer Buchpreis wird unterstützt von der Emil & Rosa Richterich-Beck Stiftung, der Forlen Stiftung, dem Schweizer Bücherbon sowie rund 30 Partnerbuchhandlungen. Die Lesetour der Nominierten wird unterstützt von der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia.

Die Termine

Die öffentliche Preisverleihung findet am Sonntag, 7. November 2021 um 11 Uhr, im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals BuchBasel im Theater Basel statt.
Der Eintritt ist frei. Besucher:innen benötigen ein COVID-Zertifikat und einen amtlichen Ausweis. Die Platzanzahl ist beschränkt. Gratis-Tickets können ab sofort unter www.buchbasel.ch gebucht werden.