kassandraAm 1. Dezember jährte sich zum zehnten Mal der Todestag der Schriftstellerin Christa Wolf, Teil 5

Juliane Schätze

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Christa Wolfs Bekanntheitsgrad hat inzwischen internationale Dimensionen, führt zu Lesereisen im östlichen und westlichen Ausland, zur Aufnahme in nationalen und internationalen Literaturinstitutionen, einschließlich des Auftritts als Gastdozentin am „Writer in Residence-College“ in Oberlin/Ohio/USA.

1976 beteiligt sie sich federführend an den Protesten gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns aus der DDR. Das Protestschreiben wird allerdings von Stephan Hermlin verfasst. Unterzeichner sind das Ehepaar Wolf, Stefan Heym, Volker Braun, Franz Fühmann, Sarah Kirsch, Günter Kunert, Heiner Müller, Jurek Becker und Robert Havemann. Da der „Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienst“ (ADN) der DDR den Abdruck ablehnt, gehen Hermlin zum französischen Nachrichtendienst „Agence France Presse“ (AFP) und Heym zum britischen „Reuter“ und lassen durch diese die Protestresolution, in der gefordert wird, die Ausweisung zu überdenken, verbreiten. Es folgen Parteiausschlüsse für Jurek Becker und Sarah Kirsch, strenge Rügen für Stephan Hermlin und Christa Wolf und Hausarrest für Robert Havemann.

Diese Ereignisse führen bei Christa Wolf zur totalen inneren Abkehr von der SED und dem Schriftstellerverband, der die Verbreitung der Resolution über die Westmedien missbilligt. Sie tritt aber nicht aus der Partei aus, weil im Freundeskreis die Meinung herrscht, dass es sinnvoller ist, sich ausschließen zu lassen. Stattdessen reagiert sie mit Abwesenheit von wichtigen Veranstaltungen des Schriftstellerverbandes. Sie nimmt am Internationalen P.E.N.-Kongress in Stockholm teil, statt am VIII. Schriftstellerkongress der DDR.

Auf diesem Kongress gab die mit ihr befreundete Anna Seghers das Amt der Vorstandspräsidentin des Schriftstellerverbandes ab und Hermann Kant wird neuer Präsident. Kant erkennt in einem Gespräch mit Christa Wolf, trotz aller Beteuerungen und nicht zu Unrecht ihr geschicktes Taktieren. Dass sie im Schriftstellerverband nicht mehr arbeiten will, lässt sich so zwar verschleiern, ist aber unverkennbar.

Mit den politischen Auseinandersetzungen wächst auch ihre Skepsis gegenüber dem Wissenschaftsbetrieb, der Technik- und Fortschrittsgläubigkeit. Diese Entwicklung sei eine Weiterführung von Ideologie und mache belletristische Literatur überflüssig. Ein aus wissenschaftlicher Sicht perfekter Mensch brauche keine Literatur, weil Konflikte nicht auftreten. Eine Entwicklung erfolge aber über die Lösung von Konflikten.

Ihr Schreibstil der subjektiven Authentizität gibt in Ost und West den Zeitgeist wieder. Sinnsuche und -findung treffen den Nerv der Zeit. Im Osten, besonders bei der Stasi, wird das sehr skeptisch als Protest und Kompromiss, sich nicht gänzlich gegen die DDR aufzulehnen, gesehen.

Die Beobachtung und Überwachung durch die Stasi betreffen die ganze Familie und bleiben nicht unerkannt. Literarisch erfasst sie das im Essay „Was bleibt?“, gibt es aber nicht zur Veröffentlichung frei. Stattdessen beginnt sie die Arbeit an der Erzählung „Kassandra“ und begibt sich mit ihrem Ehemann zu Recherchen nach Griechenland.

Fortsetzung folgt

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Info:
Die Serie zu Christa Wolf
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