Serie: Maximilian Schell, Ich fliege über dunkle Täler. Erinnerungen, aus dem Hoffmann und Campe Verlag, Teil 1/3

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zur letzten Buchmesse hatte Verlagsleiter Günter Berg die Erinnerungsbiographie vom Schauspieler, Regisseur, Zeichner, Kunstsammler, Autor und Weltmann Maximilian Schell angekündigt und zu einer eigenen Pressekonferenz eingeladen, die kurzfristig abgesagt wurde, weil beide, Verlag und Autor, sich mit der Fertigstellung mehr Zeit lassen wollten. Gestern kam der Band nun per Post. Es ist ein wunderbares Buch geworden.

 

Warum uns diese Erinnerungen unter die Haut gehen und wir – statt des Tages andere Arbeit zu tun - uns den Luxus erlaubten, einfach weiterzulesen, das haben wir uns sehr ernsthaft gefragt, denn das Buch hat eigentlich gar nichts ausgesprochen Sensationelles an sich und in sich. Aufbauend wirkt es erst einmal, weil es bestimmte Unsitten und Ärgernisse von Autobiographien und Erinnerungsbüchern – das sind die Bücher, die nicht unbedingt linear das eigene Leben erzählen, sondern stark das personelle Umfeld oder die Zeit abbilden - , weil es also folgende Negativa nicht hat: Da gibt keiner an, weder mit seinen Leistungen, noch mit seinen Weggefährten. Da ist einer dezent, manchmal zu dezent, dann aber fallen ganz offene Worte und Wertungen über andere, die man immer nachvollziehen kann und die nie als Häme rüberkommen, es auch einfach nicht sind. Da wird nichts dramatisiert, da wird kein Schein errichtet, sondern das einfache Sein und sein davon Erzählen genügen.

 

Ach, es ließen sich noch so viele Positiva dazu aufzählen, was alles in diesem Buch nicht stattfindet. Den Leser interessiert natürlich mehr, was drinnen steht, von was und über wen Maximilian Schell berichtet, von dem jeder als erstes weiß, daß er der Bruder der jahrzehntelang in Deutschland gerühmten Schauspielerin Maria Schell ist und zweitens fast jeder weiß, daß er, der 1930 in Wien geboren wurde, in den Vereinigten Staaten Karriere machte, wo er immer als 'deutsches Gesicht' galt, auch wenn er Schweizer ist und für seine Rolle eines Verteidigers im amerikanischen Film DAS URTEIL VON NÜRNBERG von 1961 im Folgejahr zum einen den Oscar, zum anderen den Golden Globe erhielt. Seinen Oscar hat er im Frankfurter Filmmuseum stehen, was man hierzulande schätzt und wovon er auch berichtet.

 

Hätte Maximilian Schell auf dieser Alm in Kärnten, wo er heute wieder lebt und sich seit Kindertagen so zu Hause fühlt wie nirgends sonst auf der Welt, einer Welt, die ihm andererseits durchaus ein wohnlicher Ort wurde, ob in Wien, in Zürich, in München oder Los Angeles, hätte er, der Sammler dort keinen Platz gefunden für das auffällige Ding, den Oscar? Nein, darum geht es nicht. Maximilian Schell sammelt etwas anderes. Er sammelt Autographen, er sammelte Kunst und sammelt sie wieder und er sammelt Menschen, die ihm über den Weg laufen oder deren Weg er kreuzt, was er verlängert, wenn er kann, denn immer wieder verliert er auch den einen oder anderen – und weiß, so geht es einem ja auch, eigentlich gar nicht, warum der Kontakt abbrach.

 

Seine Erinnerungen sind ein Gemisch aus diesen Autographen und den Menschen seines Lebens. Dabei sei gleich davor gewarnt, daß, wer erwartet, daß dieser attraktive Mann – mein Gott, wie oft sieht er auf den Bildern so richtig gut aus, wirklich, warum haben wir das eigentlich früher nie so gewürdigt? – nun hier die Liebe und Lust zu Wort und zu Personen kommen läßt, sich diese geschnitten haben. Die Frauen seines Lebens werden hier einfach unterschlagen. Nur einmal eine kurze Erwähnung von Ehefrau und Kind. Dies ist eher ein lebensphilosophisches Buch denn eines über seine Liebesabenteuer. Schon schade, aber das, was man liest, entschädigt einen. Es handelt von interessanten, zerrissenen, ganzen, problematischen, mutigen, traurigen, verrückten, harmlosen, immer aber im künstlerischen Umfeld von Bühne, Film, Malerei und Musik lebenden Menschen und auch von der gegenseitigen Beziehung zu ihnen, seitens Schell. Fortsetzung folgt.

 

P.S. Man hätte sich schon vom Verlag ein Register gewünscht, ein Namensregister, auch eines der Filme und angesprochenen Theateraufführungen.

 

Maximilian Schell, Ich fliege über dunkle Täler. Erinnerungen, Hoffmann und Campe 2012ISBN 978-3-455-50178-0