Haruki Murakami, Die Pilgerreise des farblosen Herrn Tazaki aus dem Dumont Verlag

 

Helmut Marrat

 

Hamburg (Weltexpresso) - Hin und wieder wird behauptet, es gebe nur zwei Arten von Schriftstellern. Die erfolgreichen und die weniger erfolgreichen. Wobei man sicherlich untersuchen sollte, woran sich "Erfolg" misst? Sind es die hohen Auflagen? Oder ist es eher häufiges Kritikerlob? Oder beides zusammen?

 

 

Der japanische Schriftsteller Haruki Murakami (Jahrgang 1949)gehört zu den erfolgreichen. Und zwar in beiderlei Hinsicht. Er findet eine große Zahl an Lesern und er gilt seit Jahren als Anwärter auf den Literaturnobelpreis. Mit seinem jüngsten Buch liefert er jetzt einen lesenswerten Roman. Fünf pubertierende Jugendliche - zwei Mädchen und drei Jungen - bilden eine Clique, in unterschwelligem sexuellem Verlangen und eines Tages nun verbünden sich vier und schließen das fünfte Mitglied aus. Plötzlich. Ohne Erklärung., so, als sei es überflüssig wie ein sechster Finger - ein Bild, das der Autor verwendet, ohne sich spezifisch an Tschechow anzulehnen.

 

Derjenige, es ist der Hauptakteur Tsukuru Tazaki, wird sich angesichts dieses schmerzvollen Erlebnisses lange tatsächlich überflüssig vorkommen.Er verfällt immer mehr und sehnt sogar den Tod herbei Hier setzt Murakami an. Später, Tsukuro lebt längst in Tokio, arbeitet als Ingenieur, der Bahnhöfe erstellt oder zumindest erneuert, wird er sich auf die Suche nach den Motiven seiner ehemaligen Freunde machen. Um zu begreifen. Spätestens da beginnen seine "Pilgerjahre" .

 

Er hat inzwischen eine junge Frau namens Sara (biblisch?) kennengelernt, die ihn ermutigt, seine Freunde aufzusuchen und zur Rede zu stellen. Sein "Erweckungserlebnis" soll ihn befreien und ihm eine Zukunft ermöglichen. Zukunft heißt, sich fortzupflanzen, doch da jener Tzukuro dazu bisher nicht in der Lage war, scheint es ihr geboten, der Ursache jenes Gebrechens auf den Grund zu gehen. Von den Fünfen leben drei noch in Japan, eine in Finnland, und ein Mädchen wurde vor geraumer Zeit Opfer eines Gewaltverbrechens.

 

Immer mehr wird jener zuerst so Farblose dabei sein Rätsel lösen, gewissermaßen Farbe gewinnen. Ein Höhepunkt ist seine Reise nach Finnland, wo es zu einem langen Gespräch mit der ehemaligen Kumpanin Kuro kommt, die sich längst umbenannt hat. Diese Szenen gehören zu den stärksten des Buches, sind der Schlüssel des Rätsels, und auch hier gilt: ausgesprochen flüssig geschrieben.

 

Murakami arbeitet in seinem Roman generell ein wenig erschöpfend mit Verästelungen und Symbolen und es bedarf einer gewissen Ausdauer, sie zu durchleuchten. Die Geschichte spielt in weiten Teilen in Japan, zudem, wie erwähnt, teilweise in Finnland, und im Untergrund herrscht " deutsche Musik, nämlich zur Hauptsache die von Franz Liszt ( Annèes de pelerinage= Pilgerjahre) und Beethoven. Also - und ist dies ein Zufall? - es geht um jene drei Länder, die im Zweiten Weltkrieg Verbündete waren.

 

Es ist anzunehmen, dass Murakami, der über Jahre in den USA und Europa lebte, mit den

"Pilgerjahren" seiner Heimat jenen sprichwörtlichen "Spiegel" vorhält, und davon auszugehen, dass sich die zahlreiche Leserschaft darin erkennt. Aber da die Geschichte obendrein eine zweier Liebender ist - jener Sara und Tszukuros -, sollten sich hiesige Leser ebenso einstellen.

INFO:

 

Haruki Murakami, Die Pilgerreise des farblosen Herrn Tazaki,, Dumont Verlag 2014