Deutscher PEN solidarisiert sich mit Sorben

 

Felicitas Schubert

 

Darmstadt (Weltexpresso) - Der deutsche PEN nimmt den Internationalen Tag der Muttersprache am 21.2. zum Anlass, auf die Anliegen der Sorben aufmerksam zu machen, deren Sprache und Kultur dem Abbau von Braunkohle und Kaolin zum Opfer fallen sollen.

 

 

Zwar garantieren Internationales Recht sowie die Landesverfassungen von Brandenburg und Sachsen den Sorben – seit dem frühen Mittelalter in der Lausitz ansässig – wie auch schon zu DDR-Zeiten einen Minderheitenschutz; auch in der Verfassung der Weimarer Republik war er definiert. Doch wurde der Tagebau von Braunkohle, bereits seit den zwanziger Jahren intensiv begonnen, in der DDR ausgeweitet und nach der friedlichen Revolution trotz heftiger Proteste weitergeführt:Die Zerstörung sorbischer Dörfer in der Ober- und Niederlausitz dauert an, damit verbunden sind Zwangsumsiedlungen und der unwiderrufliche Verlust traditioneller Kulturräume.Eine »Liste verschwundener Orte« zählt mehr als 136 Dörfer auf, die bisher dem Kohlebergbau weichen mussten, vgl. unter www.verschwundene-orte.de.

 

»Die Energiewirtschaft … zerstört weiterhin Dörfer und gewachsene Siedlungsräume, die einmalig zum materiellen Weltkulturerbe gehören sollten“, so Benedikt Dyrlich, PEN-Mitglied und Vorsitzender des Sorbischen Künstlerbundes. „Bis heute können wir Sorben nichts gegen die rabiaten Verwüstungen unserer Lebens-, Traditions- und Kulturräume durch die Wirtschaft tun, da das Bergbaurecht und andere Gesetze der Bundesrepublik Deutschland die gemeinschaftlichen Grundlagen der Existenz der sorbischen Sprache und Kultur in der Lausitz nicht schützen.«

 

Hinzu kommen drastische Kürzungen in der Kulturförderung durch Bund und Länder, so dass der Stiftung für das Sorbische Volk für 2014 Fördermittel in Höhe von einer Million Euro fehlen werden, falls der Bund und infolgedessen auch Sachsen und Brandenburg bei den derzeitigen Kürzungsplänen bleiben. Benedikt Dyrlich: „Jede Kürzung ist ein großer Einschnitt in die sorbische kulturelle Substanz. Was einmal an unseren kulturellen Werten verloren geht, ist unwiederbringlich verloren.“

 

Der deutsche PEN, der neun Schriftsteller sorbischer Sprache zu seinen Mitgliedern zählt, darunter neben Dyrlich auch Kito Lorenc und Róža Domašcyna, unterstützt die Minderheit der Sorben in ihrenkulturellen Interessen. Die Zerstörung einer einzigartigen Sprach- und Kulturlandschaft für den Abbau eines technisch überholten und ökologisch bedenklichen Energieträgers ist nicht hinzunehmen.

 

Hier ein Gedicht von Róža Domašcyna auf Sorbisch - der Gebrauch des Sorbischen wurde 1937 in Nazi-Deutschland verboten – sowie in deutscher Übersetzung.

 

Njeprašej so

(w distrikće)

za Edith Penkowu

 

komu njesłuša kraj wopraša so kocor

tomu kiž za njón čerwjeneho krošika dać trjebał njeje

tomu kiž ludźom pjenjezy a justicne akty darił njeje

tomu kiž žadne rostliny ze šlebjerdkami woznamjenił njeje

tomu kiž filtrowe studnje do lěsa zesadźał njeje

tomu kiž štomiska jako biomasu za wobswětolěpšu

energiju wužił njeje

tomu kiž kulturne šćežki přez wjeski sćahnyć dał njeje

tomu kiž brošurki a žiwe pohladnicy wo nich šěrił njeje

tomu kiž wjeskam na dopomnjeće kamjenje postajił njeje

tomu kiž rěčne kursy poskićił a słowničk do weba stajił njeje

tomu kiž swjedźeń za so pozhubjowacu rěč wuhotował njeje

tomu kiž šulski dom na kóncu hišće hinak wužił njeje

tomu kiž w nowinje w tutej rěči swójske wabjenje

wozjewjał njeje

tomu kiž dźěle drasty za wjesny ansambl kupił njeje

tomu kiž w njej do spěwa a rejki kazać trěbne měł njeje

tomu kiž sej ze sektom připił a aplawděrował njeje

tomu kiž sej čorny kašćik natwarił njeje

tomu kiž swoje tolerje do njeho klinkotać dał njeje

tomu kiž na to swojej duši do njebjes skočić dał njeje

tomu kiž je přeco hišće tu

 

Róža Domašcyna (2011)

 

Sprich: wörtliches

(im distrikt)

für Edith Penk

 

wem gehört das land fragte der kater

dem der es für einen roten heller durchaus erworben hatte

dem der den leuten geld und justizakten gab

dem der seltene waldpflanzen mit rotweißen bändern versah

dem der filterbrunnen in den wald setzte

dem der baumriesen als biomasse für umweltgerechte

energie nutzte

dem der eine kulturroute durch die abzutragenden orte anlegte

dem der broschüren und lebende postkarten darüber verbreitete

dem der den orten zum gedenken beschriftete steine aufstellte

dem der sprachlehrgänge anbot und ein wörterbuch ins web stellte

dem der ein fest für die schwindende sprache ausrichtete

dem der das schulgebäude zuletzt noch umnutzte

dem der eigenwerbung in der zeitung in dieser sprache betrieb

dem der kleiderteile für die dorfspielgruppe orderte

dem der darin das singen und tanzen förderte

dem der sich dazu mit sekt zutrank und applaudierte

dem der einen schwarzen kasten baute

dem der seine taler darin klingen ließ

dem dessen seele darauf in den himmel sprang

und wem gehört das land nun?

 

Róža Domašcyna (2011)

 

 

 

INFO:

 

Das PEN-Zentrum Deutschland ist eine der weltweit über 140 Schriftstellervereinigungen, die im PEN International vereint sind. Die drei Buchstaben stehen für die Wörter Poets, Essayists, Novelists. Der PEN wurde 1921 in England als literarischer Freundeskreis gegründet. Schnell hat er sich über die Länder der Erde ausgebreitet und sich als Anwalt des freien Wortes etabliert – er gilt als Stimme verfolgter und unterdrückter Schriftsteller.