Daniel Holbe GIFTSPUR, erschienen im Verlag Knaur, Teil 2
Günther Winckel
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Schon als Motto des gut 450 Seiten starken Bandes wird Theophrast von Hohenheim zitiert, der 1538 einen vielsinnigen Spruch über Gift von sich gab, wozu dann paßt, daß im Krimi sich ein gewisser Paracelsus meldet: allerdings modern per Email und Verfremdung Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Allerdings wissen nur wenig Leute, daß diese beiden ein und dieselbe Person sind und leider geht der Autor im Buch weiter auf seine historische Bezugsperson nicht ein. Oder haben wir das überlesen? Denn man liest auf einmal viel zu schnell, wenn man mit der neuen, alten Kommissarin Sabine Kaufmann – neu, weil Daniel Holbe sie adoptiert hat, alt, weil sie schon bei Andreas Franz eingeführt wurde - , durch das Gebiet zwischen Frankfurt und Wetterau eilt, mal in ihrem Wagen, einem umweltsicheren Renault Twizy, der halt Strom braucht, der nicht immer verfügbar ist, und der Blechschüssel ihres neuen, ihr noch unbekannten Kollegen Ralph Angersbach, der einen dunkelgrünen Lada Niva fährt, der für Sabine keine Federung mehr hat, und dann im Wald auch noch beim Mörderverfolgen verreckt. Der nun wiederum lehnt das Elektroauto ab, schließlich sei er keine Ölsardine. Die Schuldigen bekommen sie trotzdem, dieses Pärchen wie Max und Klärchen.
Dazu kommen wir noch, aber hören Sie sich erst einmal das an, was die aus privaten Gründen an die neue Dienststelle in Bad Vilbel versetzte Kommissarin zu tun hat : „Sabine gab erneut ein Update an die Kollegen. 'Wöllstadt, Okarben, Burg-Gräfenrode', schloss sie. Überall dorthin konnte Elsass mit seinem Motorrad derzeit gelangen. Fieberhaft überlegte sie, welcher Punkt strategisch am sinnvollsten erschien.“ (S. 376) Ist doch kein Wunder, daß Ortskundige die Wegestrecken, von denen es täglich neue gibt, geradezu in sich hineinschlürfen. Die immer um alles Mögliche sehr bemühte Sabine Kaufmann hat sich also ganz neu ein Elektroauto zugelegt, der für sie neue Kollege dagegen hat auf einmal eine Stiefschwester geerbt. Also, lieber Autor, das ist schon etwas herkömmlich wie auch neudeutsch, mit den Autos die Charaktere ihrer Fahrer anzudeuten, bzw. beweisen zu wollen.
Da sind wir jetzt aber weit abgekommen von Paracelsus und dem Gift, von dem wir uns auch nur deshalb zu sprechen wagen, weil der Titel GIFTSPUR heißt und der kriminalistische Hauptreiz im Buch eben der ist, daß erst der eine Tote einfach tot ist und dann der nächste auch, und der Superpathologe namens Professor Hack, genannt Hackebeil,der übrigens doppeldeutige Wortspiele liebt und von seiner Tätigkeit als Knochenjob spricht, erst einmal den natürlichen Tod bescheinigt, aber in der Spur bleibt, genau in der Giftspur und dann etwas ganz Gemeines herausfindet: Todesursache ist ein Gift, das sich sogar jeder besorgen kann und daß dann das Herz aushebelt, was aber nach natürlichem Herztod aussieht. Bei ansonsten totaler Gesundung aller inneren Organe. Aber wer das war, der das Gift verabreichte, das den Herztod bringt, das verraten wir natürlich nicht. Auch wenn der Autor mit Verdächtigen wie einem Mann namens Herzberg uns wohl auf den Arm nehmen will.
Nun aber endlich Paracelsus. Der wurde am 17. Dezember 1493 – ein Jahr nach der Entdeckung Amerikas! - in Einsiedeln in der Schweiz geboren und starb am 24. Dezember 1541 im heute österreichischen Salzburg. Der Alleskönner war Arzt, Astrologe, Mystiker, Alchemist, Laientheologe und Philosoph. Berühmt wurde er wegen seiner Ablehnung der damaligen rein theoretischen Schulmedizin, was er in seinen auf Deutsch gehaltenen Vorlesungen in Basel – Latein war üblich – deutlich beim Namen nannte. Eine seiner berühmten Aussprüche ist: Das Gift sitzt im Darm und gehört zu seinen Weisheiten, die erst heute so richtig wahrgenommen werden, aber beispielsweise im Panchakarma der Ganzheitsmedizin Ayurveda schon immer galt. Auch bei den Ägyptern und den Römern übrigens.
Warum wir uns so bei ihm aufhalten? Weil er im Krimi zwar auftaucht, aber sein Geheimnis mit ins Grab nahm, daß er wohl selber an einer Quecksilbervergiftung starb. Ist das nicht wieder einmal fast übernatürlich, daß einer, den man als Giftaufklärer kennt, selber an einem Gift starb was nie aufgeklärt wurde und erst heute bekannt ist? Schon, aber mit Holbes Krimi hat das überhaupt nichts zu tun. Was wir eben bedauern, weil er uns mit seinem Motto Anlaß gab, unsere eigenen Paracelsusschwarten aus dem Regal zu holen und uns festzulesen.
Also, um was es bei GIFTSPUR geht? Um die Gegenwart. Um einen, der mit frühkapitalistischen Methoden einen Biogroßbetrieb in der frankfurtnahen hessischen Provinz Wetterau – übrigens der Kornkammer der Alten Römer, die den Limes extra nach Norden ausweiteten - aufgezogen hat. Bio-Großunternehmer Ulf Reitmeyer wird angemessen unangenehm eingeführt, dann ist er tot und bleibt auch als Leiche ein Unsympathling, denn er hat erst seinen Nachbarbetrieben – Landwirtschaft und Viehzucht – Kredite gegeben und ihnen die Produkte abgekauft und wenn Probleme auftraten, das Geld angefordert und sie vor die Alternative gestellt: Insolvenz oder an ihn für ihn günstig verkaufen. Klar, daß er sich so Feinde machen muß.
Auch privat ist dieser Herr kein Edelmann. Kann ja sein, daß er seine verstorbene Frau echt und ehrlich geliebt hat, aber seine gegenwärtige Gespielin Vera Finke, die auch seine ganz frühere war, die verlädt er ganz schön. Das finden wenigstens wir. Verdächtig wird sie deshalb auch noch. Aber damit ist sie nicht alleine. Daniel Holbe gelingt es spielend, das ganz Umfeld verdächtig zu machen, ganz zuvorderst diese merkwürdig gefühlskalte Tochter Claudia, die erst Tochter, dann Adoptivtochter, dann wieder leibliche Tochter ist. Man macht schon was mit und leidet mit den Personen. Nur mit diesem Knecht – herrlich, dieses Wort wieder einmal in einem Buch der Gegenwart zu lesen - Gunnar Volz ist nicht gut Kirschen essen.
Ach was, mehr verraten wir jetzt nicht. Und das Wichtigste, daß Sie als Frankfurter oder Provinzhesse das Buch goutieren werden, das haben Sie sicher schon gemerkt.
INFO I:
Daniel Holbe, Giftspur, Kriminalroman, Knaur Verlag 2014, Erscheinungstermin 3.3., Knaur TB | 978-3-426-51374-3
INFO II:
Die Buchpremiere fand standes- und ortsgemäß am 1. März in Bad Vilbel statt.
Weitere Lesungen im März:
Donnerstag, 13. März, Leipziger Buchmesse
Mittwoch, 26. März, Fränkisch-Crumbach
Freitag 28. März, Maintal
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