Selbstporträt“ von Helene und Wolfgang Beltracchi im Rowohlt Verlag

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ja, das nehmen sie ihm übel, diesem üblen Kunstfälscher, daß er dann auch noch aus dem Aufruhr um seine Fälschungen einschließlich der Verurteilung zu zusammen 10 Jahren Gefängnis, zwei Bücher auf den Markt bringt, die ihn selbst vermarkten, seine Kunstfälschung wie sein Leben und seine Liebe.

 

Schon im Film konnte man die in sich ruhende Art des Wolfgang Beltracchi bestaunen. Da ist einer mit sich im Reinen oder so durchtrieben, daß er so etwas darstellen kann oder so dumm, daß er nicht merkt, was er tut oder so harmlos, daß er als Schalk der Nation gelten kann, den die einen zum grandiosen Verbrecher stilisieren, was andere als Lausbubenstreich werten möchten – und dann immer Eulenspiegeleien zu etwas sagen, was doch was anderes ist und wie war das eigentlich mit dem Hauptmann von Köpenick? Der wurde doch bejubelt.

 

Also, da ist von Anfang an, wenn Wolfgang Fischer – ja etwas anstrengend, immer wieder darauf hinzuweisen, daß er seine Helene erst 1992 traf und nach der Eheschließung ihren Namen annahm - also, wenn Wolfgang Fischer, auch hier sanftmütig und nicht aufdringlich sich als katzenliebendes – Katzen schützen wollendes und selbst liebes - Kind beschreibt, da ist so etwas von der Herstellung, ja Fabrizierung eines Selbstbildes dabei, dem wir gar nicht widersprechen wollen und können, daß es anders gewesen sei und dennoch immer durch die Blume hindurch lesen, daß dieser Wolfgang ein harmloser Knabe, ein liebevoller Sohn, ein verständiger jüngerer Bruder ist.

 

Geschwätzig? Nein, das kann man auch nicht sagen, aber das Buch liest sich weg wie nichts, weil mit geläufigen Worten eine Nachkriegsjugend, erst auf dem Land, geschildert wird, die viele erlebt haben, unspektakulär. „Die fünfziger Jahre waren eine Zeit der Armut, aber auch des Wiederaufbaus. In meiner Erinnerung gehören dazu die Schlager von Rudi Schuricke, Peter Alexander und Vico Torriani, die mein Vater häufig summte, beim Rasieren oder wenn er seine Bilder malte.“ (Seite 19) Der Vater war nämlich Kirchenmaler und Restaurator. „An langen Winterabenden hatte ich zudem Zeit zu zeichnen. Wenn mein Vater seine Kopien von Picasso oder van Gogh malte, saß ich bei ihm und fertigte Zeichnungen von seinen Vorlagen an.“ (Seite 27) Ach so, sozusagen mit der Vatermilch aufgesogen, das Kopieren?

 

Auch die Geschichten von der Verwandtschaft werden von Beltracchi amüsant unters Volk gebracht und man erlebt auch den Schreiber als einen eher zurückgenommenen Typen denn einen aufdringlichen Prahler. Wie im Film entstehen ihm beim Erzählen mündlich oder schriftlich die Pointierungen wie von alleine. Er ist ein skurriler Typ, dem ständig Skurriles passiert. Aber durchaus wagemutig, auch als Jüngling. Mit 15 Jahren macht er sich auf, um Picassos Heimat in Katalonien zu suchen. „Mit Pflastermalerei wollte ich das nötige Geld verdienen, um in den Süden zu gelangen.“ Er drückt sich ordentlich, ja gewählt aus und hat Rosinen im Kopf: „Weil ich irrigerweise glaubte, in Luxemburg lebten nur reiche Leute, kam mir der Gedanke, dort erst einmal Geld für die Weiterreise zu verdienen; mit Postkarten von populären Gemälden hatte ich mich für die Arbeit präpariert.“ (Seite 43)

 

Schon zehn Seiten weiter ist die Kindheit abgeschlossen und seine WANDERJAHRE beginnen und er wird zu dem musikliebenden, zeichnenden und malenden Hippie, der die Frauen liebt und sie ihn, und der für den Vater nächtelang London-Ansichten im Stil von Derain malt. „Alles Bilder, die diese Maler durchaus hätten malen können. ..Leicht bewegte ich mich in der Bilderwelt der Maler und bekam ein Gefühl für ihre Zeit. Mit dem Studium der Gemälde begann auch die Faszination für das Leben derer, die sie gemalt hatten, und für die kulturelle Umwälzung zu Beginn des Jahrhunderts. Erstmals las ich Bücher von Carl Einstein, Max Jacob, Guillaume Apollinaire. Eine Leidenschaft hatte mich gepackt und sollte mich nie mehr loslassen...(Seite 61)

 

Damit ist das Szenario beschrieben, in dem bald darauf noch im Nachklang der Studentenbewegung und der Demonstrationen sich Aussteiger aus der Gesellschaft mit Kunst, Musik und Drogen durch Wohngemeinschaften durchschliefen, und das Leben zum großen Experiment wurde: „Es wurde diskutiert, gekifft, getanzt und gevögelt. Wir wollten bewusster leben...“(Seite 64) Das Hippieleben macht uns beim Lesen dann nicht so an, aber langsam und allmählich geht’s ums Eingemachte und das Fälschen beginnt auf leisen Schritten und wir werden fachkundig, wie man erst osteuropäische Fälschungen, meist idealisierte italienische Landschaften erkennt, denn im Gegensatz zu den meisten sieht Wolfgang Fischer genau hin und wir mit ihm.

 

Auf sein Privatleben geht er damals nur kurz ein. Er heiratet 1987 Petra, weil sie ein Kind von ihm erwartet. Ehrensache. Der Sohn heißt Manuel. Und der Vater fälscht, verdienen tun dabei hauptsächlich der Kunsthandel und Otto, der vermittelt. Dann trennen sich die Wege, der Sohn bleibt beim Vater und das nimmt man diesem Typen wirklich ab, daß er gutherzig den Vater gibt, seine und des Sohnes Existenz aber durch Betrug finanziert. Und dann ändert sich das Leben, ändert sich alles. Und wie zur Bestätigung ergreift nun Helene die Feder, die offiziell Mitverfasserin ist: „Lange, blonde Haare, eine eindrucksvolle Nase, ein freches Grinsen und auffallend schöne Hände: Das waren die Eindrücke, die sich einstellten, als ich Wolfgang Anfang 1992 in Köln zum ersten Mal sah.“ (Seite 261)

 

Ab jetzt geht es um das Glück der beiden einschließlich Tochter Franziska, Manu bleibt eh beim Vater, und es geht ums Fälschen, was aber erst nach dem Erfinden einer großväterlichen Sammlung in den Rheinlande, Sammlung Werner Jäger, zu dem großen Coup wird, der im Prozeß von 2011 dann verhandelt wird, wo man von einem Betrugsgewinn von 20 bis 50 Millionen Euro ausgeht....das spätestens lesen Sie jetzt wie von alleine weiter.

 

INFO:

Heute, am 6. März läuft der Film von Arne Birkenstock BELTRACCHI – DIE KUNST DER FÄLSCHUNG an. In unserer Filmkritik finden sich viele Passagen, die sich auch auf die gewonnenen Eindrücke in beiden Büchern beziehen, in der Rezension jedoch nicht wiederholt werden sollen, weshalb die Filmkritik Teil der Buchbesprechungen ist und umgekehrt.

Schon vor dem Film sind im Januar im Rowohlt Verlag diese beiden Bücher des Ehepaares erschienen

Helene und Wolfgang Beltracchi, Selbstporträt, Rowohlt Verlag 2014

Helene und Wolfgang Beltracchi, Einschluss mit Engeln