Bernhard Aichner TOTENFRAU, erschienen bei btb und als Lesung im 'der Hörverlag', Teil 1
Elisabeth Römer
Hamburg (Weltexpresso) – Sonst lese ich eigentlich lieber, als daß ich höre. Aber diesmal mußte die eine CD im mp3-Format Stunde für Stunde dran glauben, wie im Rausch verfolgt man den Todesrausch dieser Blum, einer nach dem Hörensagen bildschönen Frau, und bleibt immer auf ihrer Seite, der eiskalten Supermörderin.
Und das liegt einfach an den letzten Worten auf der CD, die ihr Mann sie vor 8 Jahren gefragt hatte: „Du weißt, daß ich auf Deiner Seite bin. Immer. Egal, was passiert. Aber Du mußt mir jetzt die Wahrheit sagen. Ich will wissen, ob Du einen Grund hattest, ob sie es verdient haben. Ich will nur, daß Du mir sagst, daß Du es tun mußtest.“ Wir müssen Blum das gar nicht erst fragen, denn Bernhard Aichner schreibt seine Geschichte so, daß wir ständig im Bilde sind, eigentlich Blum stellvertretend für uns diese unangenehme Arbeit übernimmt, die ganz Bösen aus der Welt zu schaffen und dies noch auf eine so diskrete Weise tut, daß von ihnen nichts mehr übrig bleibt.
Allerdings verhilft Blum ihre normale Arbeit zum Know how der Beseitigung ihrer Opfer. Sie ist Leichenbestatterin, unterhält als Chefin ein Bestattungsunternehmen in Innsbruck, dem schönen Tirol, nahe Italiens und der Schweiz. Für sie ist es normal, mit einem Leichenwagen durch die Gegend zu fahren und äußerst selten, daß einer die Leiche auch sehen will, was gerade in dem Moment auf der Autobahn passiert, als sie zu schnell gefahren, angehalten wird von einem eher abartigen Polizisten, der unbedingt die Wasserleiche sehen will, die sie in den Sarg lügt. Da kennt er Blum nicht und wir lernen sie immer besser kennen. So was von Kaltschnäuzigkeit und gedanklicher Brillanz, die die Gedanken und Lüste des anderen schon vorher im eigenen Kopf analysiert und blitzschnell Lösungsmöglichkeiten offeriert. Hier schlägt sie dem Polizisten vor, sie doch in Innsbruck im Institut zu besuchen, wo sie ihm die allerschlimmsten Leichen auf einen Schlag servieren wird, woraufhin er – schon leichenaufgegeilt – zustimmt und auch die Anzeige plus Führerscheinentzug aus der Welt ist.
Um was es überhaupt geht? Um eine Frau, die sich wehrt, die zwischen Liebe und bedingungsloser Fürsorge und Vertrauen einerseits und der Rache für entwürdigte, verletzte und getötete Menschen sehr gut zu unterscheiden weiß und dann danach handelt. Blum muß man sie anreden, weil ihr Adoptivvater einen Wagnerfimmel hatte und sie zu seiner Brünhilde machte, was sie haßt. Der österreichische Autor Bernhard Aichner zeigt sich schon in dieser Namenswahl als so schlau wie belesen und gebildet. Mit keinem Wort geht er darauf ein, aber wer die Wotan-, Fricka- und Brünhildeauseinandersetzungen kennt, der ist hier schon auf dem richtigen Weg, daß die in der Oper innige Verbindung zwischen Vater und Tochter auf der Basis des Legitimen beruht, während sich Ehefrau Fricka mit dem Legalen dann aber durchsetzt und Brünhilde deshalb verstoßen wird.
Das macht nun Blum in ihrem Leben wett, in dem kaum etwas legal zugeht, aber wir ihr Absolution für ihre Handlungen erteilen, weil sie so recht hat, mit dem, was sie tut. Leider, leider können wir vieles nicht so deutlich aussprechen, denn es geht um einen Krimi, einen echten Reißer, das, was man Thriller nennt, weil man immer wieder geschockt und gebannt einfach weiterhören muß. Also, es geht um einen Krimi, wo man Wichtiges nicht verraten darf, weil dann der Hörer oder Leser diese durch Inhalt und Form aufgebaute Spannung gar nicht mehr erleben könnte. Das darf nicht sein.Drum reden wir ein bißchen drumherum.
INFO I:
Bernhard Aichner, Totenfrau, btb Verlag
ISBN 978-3-442-75442-7
Bernhard Aichner, Totenfrau, mp3 vollständige Lesung von Christian Berkel, der Hörverlag, Laufzeit 8 h 28 min
INFO II:
Dem SprecherChristian Berkel wollen wir unseren Respekt ausdrücken. Das Beste was man über einen Sprecher sowieso sagen könnte, wäre, daß man ihn gar nicht gemerkt habe. Das klingt nur nicht so nett, soll aber ausdrücken, daß man so vom vom Sprecher Gelesenen gefesselt wurde, daß man atemlos zuhörte. Und Letzteres stimmt nun wieder. Was uns trotzdem auffiel, war, daß wir ja immer wieder Blums Stimme hören, wobei Berkels Stimme dann in die Höhe geht und heller und leichter wird. Durchaus etwas manieriert. Aber passend. Doch fiel uns dabei auf, daß in der Regel Bücher, die von Frauen handeln, von Frauen als Ichpersonen gelesen werden. Hier ist es anders, kommt aber der Intention, diese Blum als beherrschte, überlegene Person wirken zu lassen, entgegen, wobei wir genauso mithören, wie die Geister in ihrem Inneren toben.
INFO III:
Am Mittwoch, 14. Mai findet in HAMBURG in derBuchhandlung Cohen + Dobernigg, Sternstraße 4 eine Lesung des Autors statt.
