Über den wichtigsten Teil des Verdauungstrakts, ein Buch von Giulia Enders im Ullstein-Verlag
Hanswerner Kruse und Redaktion
Berlin (Weltexpresso) – Man konnte die junge Medizinstudentin schon in verschiedenen Talkshows bewundern, wie ihr die Mitgäste an den Lippen hingen, wenn sie die unglaublichsten Geschichten von dem Organ erzählte, über das zu sprechen für die meisten Pfui Gack ist, während es Giulia Enders geradezu liebevoll preist.
Hanswerner Kruse hat das humorvolle Sachbuch „Darm mit Charme“ der blutjungen Medizinerin Giulia Enders für uns gelesen. Der Rezensent konnte es bis zur Lektüre nicht fassen, dass sich solch ein solides, wenn auch komisches Buch über Ausscheidungen seit einiger Zeit auf den Bestsellerlisten tummelt.
Das lebenswichtige Herz und das bewunderte Hirn, schreibt die Autorin, genießen hohes Ansehen.“Der Darm aber, so glauben die meisten, geht höchstens mal aufs Klo. Sonst hängt er wahrscheinlich lässig im Bauch rum und pupst ab und zu. Besondere Fähigkeiten kennt man von ihm eigentlich keine.“ In ihrer Schrift schaut Enders nun genauer hin, was denn da so unter unserer Haut dauernd fließt, pumpt, saugt, quetscht, platzt und neu aufgebaut wird.
Die Ärztin beginnt das Buch mit dem Moment kurz vor dem Ende der Verdauung - der Auseinandersetzung zwischen dem äußeren und inneren Schließmuskel: Der innere Muskel, „ein solides Kerlchen“, interessiert sich einzig und allein dafür, dass es uns gut geht: „Drückt etwa ein Pups?“ Ginge es nach ihm, könnten doch alle jederzeit und überall pupsen. Aber da ist der äußere Muskel vor und checkt, in enger Kooperation mit dem Gehirn, die soziale Situation: Kann ich jetzt aufs Klo gehen? Darf ich hier überhaupt pupsen? Wenn das nicht geht, verschließt sich der äußere Muskel noch fester als zuvor. „Dieses Signal bemerkt dann auch der innere Schließmuskel und respektiert erst mal die Entscheidung seines Kollegen. Raus muss es irgendwann, nur eben nicht hier und jetzt auch nicht.“
Auf diese Weise geht die Autorin den ganzen Ess- und Verdauungsprozess durch und erklärt, wie unsere Organe das Essen aufnehmen, transportieren und verarbeiten, bis dann irgendwann das kleine oder große Häufchen mit den Resten im Klo liegt. Nebenbei erläutert sie auch noch, welche Konsistenz denn nun die richtige ist oder wie man am besten auf dem Klo sitzt. Das alles ist überhaupt nicht vulgär oder eklig, die Medizinerin meint, „der Darm hat eine Menge Charme!“ Selten kann man diese biologischen Prozesse so schnell lachend begreifen und, vor allem aber, behalten. Wohltuend unterscheidet sich die etwas schnodderige Sprache der Autorin von den meist abgehobenen Ansagen vieler Ärzte oder den drögen Verlautbarungen der Apothekenblätter.
<<<Dazu eine kleine Textprobe: „Wer gut mit seinen Ressourcen umgeht, übersteht auch harte Zeiten. Genau das ist das Lebensmotto von unserem Dickdarm. Er lässt sich für alles Übriggebliebene Zeit und verdaut gründlich zu Ende. Im Dünndarm kann in der Zwischenzeit schon die zweite oder dritte Mahlzeit aufgenommen werden – der Dickdarm lässt sich davon nicht beirren. Überbleibsel aus dem Essen werden etwa 16 Stunden lang gewissenhaft überarbeitet. Dabei werden Stoffe aufgenommen, die wir sonst in aller Eile verloren hätten…“>>>
So ganz nebenbei, aber gründlich, verdeutlicht Enders uns noch sämtliche Probleme der Verdauung, wie Verstopfung oder Unverträglichkeiten von Lebensmitteln und was man dagegen tun kann. Locker kapiert man das Immunsystem aber auch die Zusammenhänge zwischen gestörter Verdauung und Übergewicht, Depressionen sowie Allergien.
Das etwas hochtrabende Vorwort sollte man sich zunächst ersparen und stattdessen das Buch lieber irgendwo aufschlagen und querlesen. Und wenn Sie von der Lektüre auch so begeistert sind wie unser Mitarbeiter, dann empfehlen Sie es doch ihrem Arzt oder Apotheker.
Giulia Enders „Darm mit Charme“, Ullstein-Verlag. Englische Broschur, 285 Seiten, 16,99 Euro