Edgar Reitz: Die andere Heimat 1843/44: CHRONIK EINER SEHNSUCHT im Verlag Schirmer/Mosel, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

München (Weltexpresso) – Gute Gelegenheit, den Gewinn der Goldenen Lola am Freitag in Berlin als Bester Film 2014 nebst Lolas für das Beste Drehbuch und die Beste Regie zu nutzen, um erneut auf DAS BUCH DER BILDER hinzuweisen, in dem der Verlag Schirmer/Mosel teilweise großformatig174 Filmbildern aus 119 Szenen des Films von Edgar Reitz herausgreift, die von ihm selbst ausgewählt und erläutert sind, wozu Michael Krüger ein Vorwort beigibt.

 

Zuerst noch Worte zum Film. Der 1932 geborene Edgar Reitz, der zusammen mit Gert Heidenreich auch das Drehbuch schrieb („gewonnen“), geht mit dem Begriff Heimat, Filme über Heimat – im strikten Gegensatz zum Heimatfilm – fast ein Synonym ein. Abgesehen davon, daß seine Trilogie DIE HEIMAT, ein Spielfilmzyklus in 30 Teilen mit der Gesamtlänge von 52 Stunden, 8 Minuten, der den Zeitraum 1919 bis 2000 umfaßt, nicht nur als Film beeindruckt und national und international Preise errang, wohnt ihm auch ein dokumentarischer Wert über das Leben und Erleben im 20. Jahrhundert inne, von dem spätere Generationen noch zehren werden.

 

Mit DIE ANDERE HEIMAT geht Reitz ins 19. Jahrhundert zurück, bleibt aber in Schabbach, seinem fiktiven Dorf im Hunsrück. Er erzählt in 230 Minuten die Geschichte der Familie Simon, dessen Hauptprotagonist, Sohn Jakob, uns sofort in Bann schlägt. Er ist derjenige, der sich die Welt durch Worte und Bilder erschließt, die Indianersprache lernt, weswegen er im Dorf der „Indianer“ geheißen wird, der überhaupt ethnologische Bücher liest und lässig ein Fremdwörterreservoir hat, daß selbst Heutige neidisch werden.

 

Wie stark Darsteller Jan Dieter Schneider als Jakob wirkt, sieht man auf Seite 11, wenn „Jakob mit Buch auf seinem Felsenausguck in Indianerpose“ zu sehen ist, was auf Seite 16 dann in der Totale mit den Baumwipfeln das Menschlein ganz klein werden läßt. Die Mitwirkenden sind ab Seite 221 aufgelistet. Sie sollte man sich zuerst ansehen und auf dem herrlichen zweiseitigen Farbfoto vom Filmteam in Originalkostümen oder Arbeitskleidung wiedererkennen. Dazu verhilft einem das farbige GRUPPENBILD DER SIMONS gleich zu Beginn, wo inmitten der neunköpfigen Familie unser intellektueller Jakob mit Hut sofort skeptischen Blicks herausragt, während Bruder Gustav brav, aber mit gespannter Aufmerksamkeit in die Kamera, in die Zukunft guckt.

 

Ganz Schabbach erwartet, daß Jakob in die weite Welt geht. Es ist aber sein Bruder Gustav, der mit Jettchen, die doch Jakob liebt, dann nach Brasilien aufbricht, was ohne Jakobs Schwärmen von der weiten Welt für beide keine Option gewesen wäre. Der Film zeigt uns die Familienkonstellation und was es bedeutet, zu gehen, wie zu bleiben. Schmerz und Freude, Sehnsucht und Erfüllung. Wir können nicht beurteilen, wie die wunderbaren Schwarzweiß-Fotografien auf jemanden wirken, der den Film nicht gesehen hatte.

 

Auf jeden Fall beglückt sofort das Bild der vorderen Innenseite, wo die Mädchen im Getreide spielen. Überbordende Lebensfreude beim Großwerden in der Natur. Wo kennen Kinder heutzutage, wo sie doch alles haben, noch solch Kreatürliches im Grase Wälzen? In der Tat können wir dann anhand der Bilder im TAFELTEIL nicht nur die Geschichte verfolgen, sondern erleben auch eine Kulturgeschichte des Wachsens, des Einfügen von Jungen in die Dorfgemeinschaft und ins Arbeitsleben. Doch das mit den sensationellen Werkzeugen und den Schmiedearbeiten von Gustav, zu denen Jakob Ideen liefert, kommt erst später. Fortsetzung folgt.

 

INFO:

Edgar Reitz, Die andere Heimat 1843/44. Chronik einer Sehnsucht. Das Buch der Bilder, mit einem Vorwort von Michael Krüger und texten von Edgar Reitz, 240 Sei9ten, 174 Abbildungen in Novatone und Farbe, Verlag Schirmer/Mosel

 

Die Meldung über den Gewinn der Goldenen Lola für DIE ANDERE HEIMAT als Besten Film des Deutschen Filmpreises 2914 sowie die Lolas für Drehbuch und Regie, beides Edgar Reitz finden Sie unter

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kino/2925-goldene-lola-fuer-die-andere-heimat-von-edgar-reitz

 

wo Sie auch die Links zur Filmbesprechung in Weltexpresso finden