Jack-Reacher-Storys bei Blanvalet
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Da bin ich doch wirklich drauf reingefallen. Als ich in eine Zeitung vom neuen Jack Reacher las, den ich vor vielen Jahren erst kontinuierlich besprach, dann alle Jahre im Sammelpack die neuerschienen und eigentlich war mit dem Verlag ausgemacht, daß der neueste Jack Reacher, den ja Lee Child jährlich raushaut und der jeweils schon Jahre zuvor in den USA erschienen ist, mir direkt zur Besprechung zugeschickt wird. Also da war ich verwirrt. Ein neuer Jack Reacher, von dem ich nichts weiß? Kein Wunder, doch das sah ich erst beim Auspacken des Buches.
Es ist gar kein neuer, als kein weiterer Band der Serie nach dem letzten auf Deutsch veröffentlichten – unsere letzte Besprechung galt dem Band 21 DER ERMITTLER - , sondern eine Sammlung von Kurzgeschichten, die sogar schon 2018 auf Deutsch erschienen sind. Inzwischen sind – siehe unten – vier weitere Jack Reachers erschienen und versprochen! Sie werden gelesen und rezensiert.
Oft habe ich schon eine Eloge auf diesen so speziellen Jack Reacher angestimmt, denn er ist auch deshalb etwas Besonderes, weil Autor Lee Child ihn zu einer Zeit zu seinem Serienhelden erkor, als dessen psychologisches Profil noch gar nicht en vogue war, weil diese einsamen Helden, die sich erstmals ohne moderne Errungenschaften wie Handy und Internet, ohne Bankkarte und Personalausweis und vor allem ohne festen Wohnsitz, nur mit einer Plastiktüte in der Hand mit den Überlandbussen durch die Weiten Amerikas schlägt, damals nicht angesagt war.
Child hat also eine Figur geschaffen, deren Wirkung und Wirklichkeit erst später wia im richtigen Leben eintrat. Gewissermaßen war Child und mit ihm Jack Reacher seiner Zeit voraus! Und so ganz antimodern konnte Jack Reacher auch nicht bleiben. Denn gleichzeitig hat die Zeit ihn auch eingeholt. Denn inzwischen hat Reacher immer wieder ein Handy, fährt einen Wagen und ist sogar mit einem Koffer gesichtet worden. Aber als einsamer Rächer mit dem Blick für gesellschaftliche Notwendigkeiten und einem Gerechtigkeitsgefühl, das ihn zum Handeln zwingt, bleibt er sich treu.
Mit Geschichten, also den Jack-Reacher-Storys ist es so, daß jede, wirklich jede einzelne von ihnen die oben beschriebenen Charakterzüge ihres Helden deutlich zeigt und das, obwohl die Geschichten völlig unterschiedlich lang sind. ZUVIEL ZEIT hat mit 74 Seiten schon die Länge einer Novelle. HITZEWELLE sogar 78 Seiten, aber gegen Ende werden die Geschichten immer kürzer, EIN KERL KOMMT IN EINE BAR hat nur acht Seiten, KEIN RAUM IN DER HERBERGE nur sechs. Am Anfang, vor der Inhaltsangabe der 12 Geschichten, ist verzeichnet, wann die einzelnen Storys veröffentlicht wurden, eine ist sogar eine Erstveröffentlichung, viele nur als „e-only“. Die frühesten sind aus dem Jahr 2011, die letzte erschien 2018.
Mit den Geschichten kommt man gleichzeitig weit herum in den Vereinigten Staaten. In der kürzesten mit den sechs Seiten, aus dem Jahr 2012, ist Weihnachten im Schnee. Im billigst aussehenden Motel bekommt er noch ein Zimmer, zahlt – wie immer – bar. Die anderen Gäste mußten wegen der Schneeverhältnisse die Reise unterbrechen. Und es werden immer mehr, die die Fahrt unterbrechen müssen. Längst gibt es keine Zimmer mehr. Da sieht er ein Paar, sie hochschwanger und verweint. Was sie tun wollen, fragt Reacher nach. Im Auto schlafen, ist die Antwort. Daß kann Reacher nicht zulassen, da würden sie ja erfrieren: „Ich schlafe in Ihrem Wagen und Sie kriegen mein Zimmer.“ Erst wollen sie nicht annehmen, dann überwiegt die Freude und Reacher ist schon längst an der nächsten Tankstelle und findet einen Tanklaster mit Milch, der weiterfahren muß, damit diese nicht sauer wird.
Immer siegt bei Jack Reacher die Moral, die Mitmenschlichkeit, gerade, wenn die Konsequenz für ihn unbequem wird. Völlig anders die achtseitige Geschichte, in der man seine Rundumaufmerksamkeit bewundern kann. Er kann nicht anders, sagt er sich selber, als alles um sich herum zu speichern und zu hinterfragen. In dieser Bar, wo ihm erst die junge Frau auffällt, die eine Flasche Bier nach der anderen kippt. Er hält sie für eine Russin, auch die anderen Gäste kommen ihm russisch vor. Wir sind Zeugen, wie seine Einschätzung durch Aktionen in eine völlig andere Richtung gehen, ja das Gegenteil der Fall ist: aus dem potentiellen Opfer, der jungen reichen Russin, wird die Entführerin. Eine wirklich tolle Story! Deshalb so spannend, weil man die Methoden des Jack Reacher genau kennenlernt und auch, welche Zwangshandlungen oft dahinterstecken, die aber immer zu einem guten Ende führen.
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Umschlagabbildung
Info:
Lee Child, Der Einzelgänger. Jack-Reacher-Storys, Verlag Blanvalet 2018
ISBN 978 3 7341 0878 5
JACK-REACHER-Serie
(ERSCHEINUNGSJAHR)
1. Größenwahn
Original: Killing Floor
2. Ausgeliefert
Original: Die Trying
3. Sein wahres Gesicht
Original: Tripwire
4. Zeit der Rache
Original: The Visitor
5. In letzter Sekunde
Original: Echo Burning
6. Tödliche Absicht
Original: Without Fail
7. Der Janusmann
Original: Persuader
8. Die Abschussliste
Original: The Enemy
9. Sniper
Original: One Shot
10. Way Out
Original: The Hard Way
11. Trouble
Original: Bad Luck and Trouble
12. Outlaw
Original: Nothing to Lose
13. Underground
Original: Gone Tomorrow
14. 61 Stunden
Original: 61 Hours
15. Wespennest
Original: Worth Dying For
16. Der letzte Befehl
Original: The Affair
17. Der Anhalter
Original: A Wanted Man
18. Die Gejagten
Original: Never Go Back
19. Im Visier
Original: Personal
20. Keine Kompromisse
Original: Make Me
21. Der Ermittler
Original: Night School
22. Der Bluthund
Original: The Midnight Line
23. Der Spezialist
Original: Past Tense
24. Die Hyänen
Original: Blue Moon
25. Der Sündenbock
Original: The Sentinel
26. (noch nicht erschienen)
Original: Better Off Dead
27. (noch nicht erschienen)
Original: No Plan B
28. (noch nicht erschienen)
Original: The Secret