KrimiZEIT-Bestenliste in ZEIT und NordwestRadio für Juni 2014, Teil 2

 

Elisabeth Römer 



Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ach, und schaut man genau hin und vergleicht die Listen der letzten Monate, dann vermißt man auch WÜSTE DER TOTEN von Urban Waite, erschienen im Knaur Verlag. Da warten wir die nächste Liste ab und schreiben gegebenenfalls einen Nachruf. Es geht um Drogen und um New Mexico.



Aber  nach wie vor möchten wir gerne wissen, warum nicht wenige Bücher nur kurz auf der Liste bleiben, wenngleich es selten ist, wie mit Sascha Arango geschehen, daß ein neuer Krimi hervorragend plaziert ist, dann im nächsten Monat fehlt, dann wieder auf die Liste kommt. Daß David Peace mit GB84 von Liebeskind nicht mehr dabei ist, hat mit der langen Verweildauer zu tun. Denn lange hielt dieser Krimi den ersten Platz, rutschte dann im April vom ersten auf den achten Rang und ist nun der neuen wegen ausgemustert, bleibt aber für Leser attraktiv.



Was Oliver Bottini angeht - schon wieder ein deutscher Krimi, was bei der Plazierung auf der KrimiZEIT-Bestenliste sowieso selten geschieht und dann auch noch wiederholt auf Platz 1! - so ist auch dieser von ungewöhnlicher Art, was sich nicht so sehr auf die Handlung bezieht, sondern das es um internationale Waffengeschäfte geht und weite Teile des Romans in Algerien spielen, wobei Landschaft und Leute Mitträger der Handlung sind. Ja, das Licht auch, das in einem Nebensatz vorkommt. In diesem Buch haben Sie – eher unerwartet – auch die Liebe, vor allem den Haß und die Gier auf das große Geld und das große Säubern durch Waffen. Daß ein BKA-Mann im Mittelpunkt steht, sorgt dafür,daß wir uns in Interna besser auskennen lernen. Bitte in der Mai-Ausgabe nachlesen.



Auf Platz 2 hält sich Ross Thomas, denn wir von anderen Krimis her schätzen. Wir gaben über sein neues Buch lobende Worte des Krimi-Papstes Tobias Gohlis weiter. Seine FETTE ERNTE aus dem Verlag Alexander hat uns jedoch noch nicht erreicht, weshalb wir eine Kommentierung auf das nächste Mal verschieben müssen. Aber es sieht ja so aus, daß er auf der Liste bleibt. Von Dominique Manottis AUSBRUCH von Argumente/Ariadne ist dies auch zu erwarten. Sie hält Platz 3, den sie das letzte Mal auf Anhieb besetzte, weshalb Sie bitte im Mai nachschlagen sollten, denn wir finden die Französin auch deshalb so außerordentlich, weil sie mit jedem Roman eine neue Zeit, einen anderen Ort, ein anderes Thema so behandelt, als ob sie darin aufgewachsen sei.



Überhaupt sind diesmal nur wenig Neue. Sie folgen auf Platz fünf, sechs und zehn und tatsächlich sind es sogar zwei deutsche Krimis und ein amerikanischer. Auf Platz 5 also Tom Hillenbrand mit DROHNENLAND von Kiepenheuer & Witsch (KiWi) und auf Platz7 folgt Benjamin Percy mit ROTER MOND, erschienen bei Penhaltigon. Beide Krimis kommentieren wir das nächste Mal. Über Platz 7 MAIROBI HEAT von Mukoma wa Ngugi von Transit können wir nur sagen: „Lesen“, denn diese Verbindung zwischen Afrika und Amerika bringt Unglaubliches ans Licht. Für Deutsche ist Afrika da unten im Süden und die USA weit weg im Westen. Warum aber die Verbindungen nichts mit Geographie zu tun haben, liegt an den Amerikanern, deren Wurzeln in Afrika sind. Ein tolles Buch, bitte die alten ausführlichen Besprechungen lesen.



Auch zu Platz 8 IN ALMAS AUGEN von Daniel Woodrell fällt uns nichts Neues mehr ein. Das vierte Mal ist dieser Krimi, den wir viel lieber einen Roman nennen, auf der Liste und dem Verlag Liebeskind ist ob seiner häufigen Plazierung für die Auswahl seiner Kriminalromanautoren zu gratulieren. Mit Sascha Arangos DIE WAHRHEIT UND ANDERE LÜGEN, auf Platz 9 hatten wir schon begonnen und den 10. Rang schließt TRIBUNAL ab, von André Georgi aus dem Suhrkamp Verlag, über den wir das nächste Mal berichten.



Auffällig, daß diesmal nur eine Frau auf der Liste vertreten ist, vier deutsche Autoren, vier Krimis aus dem Englischen, je einer aus dem Französischen und Spanischen. Tja,die Skandinavier haben es schwer auf der KrimiBestenListe und was ist überhaupt in Rußland und China los, von den vielen kleinen Ländern ganz zu schweigen.



Die KrimiZEIT-Bestenliste Juni 2014

Veröffentlichung am Donnerstag, den 5.6.2014

 

 

Lfd.

Nr.

Rang

Vor-monat

Titel

1

1

(1)

Oliver Bottini: Ein paar Tage Licht

DuMont, 512 S., 19,99 €

Algerien/Deutschland. Deutscher Ingenieur von Islamisten entführt! BKA-Mann Eley und algerische Militärs suchen fieberhaft. Parallel in D: Politgerangel um Rüstungsexport. Interkulturelle Liebschaften, demokratische Terroristen – ausgefuchster Politthriller, erhellend durch Möglichkeitssinn.

2

2

(2)

Ross Thomas: Fette Ernte

Aus dem Englischen von Jochen Stremmel

Alexander, 344 S., 14,90 €

Washington D.C. Bevor er das Komplott aufdecken kann, von dem er auf der Club-Toilette gehört hat, wird Ex-Präsidentenberater Gilmore umgelegt. Höchst geschickt forschen seine Erben nach. Grotesker Witz, stilvolle Briganten, große Schwindel: Ross Thomas hatte es drauf wie kaum einer.

3

3

(3)

Dominique Manotti: Ausbruch

Aus dem Französischen von Andrea Stephani

Argument/Ariadne, 256 S., 17,00 €

Mailand/Paris 1987-88. Carlo, Kämpfer der Roten Brigaden, und der Kleinkriminelle Filippo fliehen aus dem Knast. Carlo stirbt, Filippo gewinnt die Herzen der Linken mit seiner Romanversion der Ereignisse. Bis die Realität die Aufstiegsträume kalt erwischt: illusions perdues.

4

4

(5)

Leonardo Padura: Ketzer

Aus dem Spanischen von Hans-Joachim Hartstein

Unionsverlag, 656 S., 24,95 €

Havanna/Amsterdam 1939, 1648, 2007. Paduras Triptychon breitet jüdische Geschichte, Rembrandts Kunst und kubanische Jugendrevolte zwischen zwei Kriminalfällen aus, vertrauter Ermittler: Mario Conde. Ohne Ketzer, die die Normen brechen, keine Freiheit: Interkontinental aktuell.

5

5

(-)

Tom Hillenbrand: Drohnenland

KiWi, 422, 9,99 €

Europa, nahe Zukunft. Wo Flachland war, ist Meer. Trotz viraler Totalüberwachung: Europaabgeordneter Pazzi wird ermordet. Er war nicht der einzige, entdeckt Kommissar Westerhuizen. Intelligent imaginierte Science-Fiction aus der schönen neuen Überwachungswelt.

6

6

(-)

Benjamin Percy: Roter Mond

Aus dem Englischen von Michael Pfingstl

Penhaligon, 640 S., 19,99 €

Oregon/USA. Lykaner sind mit dem Wolfs-Virus infizierte Menschen, Wesen zweiter Klasse, entrechtet und medikamentös domestiziert. Dass der Mensch seinesgleichen der Wolf ist, wusste bereits die Antike. Aktualisiert und verschärft erzählt es Percy als Epos der USA von heute: eine Klasse für sich.

7

7

(4)

Mukoma wa Ngugi: Nairobi Heat

Aus dem Englischen von Rainer Nitsche

Transit, 176 S., 19,80 €

Maple Bluff, Wisconsin/Nairobi. Der Fall einer toten Blondine vor der Haustür des ruandischen Menschenrechtlers Professor Joshua führt Detective Ishmael von Wisconsin nach Nairobi. Dort lernt er mehr über Identität, Gewalt, Geld und Gewissenlosigkeit, als ihm lieb ist. Starkes Debüt.

8

8

(9)

Daniel Woodrell: In Almas Augen

Aus dem Englischen von Peter Torberg

Liebeskind, 192 S., 16,90 €

West Table, Missouri 1929. Alma, die Magd, hat miterlebt, wie Bankier Glencross sich in ihre Schwester Ruby verliebte und sie verriet. Alma weiß auch, wie es zu der Explosion kam, bei der 42 Menschen starben. Familiengeschichte aus einer Stadt, die fast ein Jahrhundert lang schwieg.

9

9

(5*)

 

* April 2014

Sascha Arango: Die Wahrheit und andere Lügen

C. Bertelsmann, 304 S., 19,99 €

Irgendwo in Norddeutschland. Sie sind ein perfektes Paar: Henry gibt den glamourösen Starautor, seine Bestseller schreibt Martha. Bis sie, Opfer einer Verwechslung, über die Klippe geht. Henry navigiert sein Rettungsboot auf Sicht. Ein Ripley light aus deutscher Feder - wer hätte das gedacht?

10

10

(-)

 

André Georgi: Tribunal

Suhrkamp, 316 S., 14,99 €

Den Haag/Višegrad 2005. Jasna Brandič ermittelt für das Haager Tribunal gegen Kriegsverbrecher Kovać, ergebnislos. Ein Hinweis lockt sie nach Bosnien: Kovać‘ Adjutant Branko kann gefasst werden. Jasna kehrt zurück in die Kriegshölle. Der beste Polithriller zum jugoslawischen Bürgerkrieg.

 

 

 

INFO I:

 

Die monatlich erscheinende Krimi-Bestenliste existiert seit März 2005, als sie erstmals auf der Leipziger Buchmesse, damals noch als KrimiWelt-Bestenliste vorgestellt wurde. Von März 2011 an wird sie regelmäßig an jedem ersten Donnerstag des Monats in der Wochenzeitung DIE ZEIT als KrimiZEIT-Bestenliste veröffentlicht.

 

Vorgestellt wird die KrimiZeit-JahresBestenliste

- im NordwestRadio am Donnerstag, den 5. Juni 2014 mit Tobias Gohlis gegen 9.20 Uhr im Nordwestradio Journal sowie später in den Sendungen der Buchpiloten nachzuhören unter http://www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/index.html -

in der Wochenzeitung DIE ZEIT am 5. Juni 2014 und unter www.zeit.de/krimizeit-bestenliste

 

 

Monatlich wählen siebzehn auf Kriminalliteratur spezialisierte Literaturkritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus der Masse der Neuerscheinungen die zehn Titel aus, denen sie viele Leser wünschen. Das Beste vom Besten: Immerhin erscheinen übers Jahr verteilt inzwischen über 1800 Kriminalromane auf Deutsch. An jedem ersten Donnerstag im Monat geben Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Sie halten nach dem literarisch interessanten, thematisch ausgefallenen, besonderen Kriminalroman Ausschau. Die besten Zehn werden mit Bibliographie und Kurzbeschreibung hier veröffentlicht.

 

 

 Die Jury setzt sich zusammen aus: 

 

Tobias Gohlis, Hamburg, Kolumnist DIE ZEIT, Moderator und Jury-Sprecher der KrimiZEIT

Volker Albers, Hamburg, Hamburger Abendblatt, Herausgeber „Schwarze Hefte“
Andreas Ammer, „Druckfrisch“, Dlf, BR

Gunter Blank, Sonntagszeitung

Thekla Dannenberg, Perlentaucher
Fritz Göttler, München, Süddeutsche Zeitung
Michaela Grom, Heidelberg, SWR
Lore Kleinert, Bremen, Radio Bremen
Kolja Mensing, Berlin, Tagesspiegel
Ulrich Noller, Köln, Deutsche Welle, WDR
Jan Christian Schmidt, Berlin, Kaliber 38
Margarete v. Schwarzkopf, Köln, NDR
Ingeborg Sperl, Wien, Der Standard
Sylvia Staude, Frankfurt/M., Frankfurter Rundschau

Jochen Vogt, Elder Critic, NRZ, WAZ
Hendrik Werner, Bremen, Weser-Kurier
Thomas Wörtche, »Penser Pulp bei Diaphanes«, »culturmag«, »DRadioKultur«

 

In der Regel kommentieren wir die von der Jury neu plazierten Krimis. Alle weiteren plazierten Krimis der Vormonate entnehmen Sie bitte unseren Krimi-Besprechungen in den vormonatlichen Artikeln, die Sie in der RUBRIK BÜCHER auf dem Titel oder unter dem Autorennamen im Archiv finden. Das Prozedere der Platzverteilung ist ganz einfach. Dreimal darf ein Kritiker aus der Jury einen Roman benennen. Wenn das gut verteilt ist, kann ein Buch einige Monate überwintern, dann hat es nur noch die Chance, in der Jahresbestenliste wieder aufzutauchen, die jeweils Ende Dezember herauskommt und die wir für 2013 ebenfalls kommentierten.

 

JahresBestenliste 2013

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/2343-leichendieb-der-brasilianerin-patricia-melo-von-tropen-bei-klett-cotta-auf-platz-1

 

INFO II:

Auf der LEIPZIGER BUCHMESSE wurde die KrimiZEIT-Bestenliste am Stand von AUSGEZEICHNET vorgestellt. Tobias Gohlis sprach mit Friedrich Ani und Conny Lösch über die KrimiZEIT-Bestenliste und Qualität in der Kriminalliteratur.

Am Freitag, 14. März 2014, Stand 13/Ausgezeichnet in der Glashalle, 16:00 Uhr.