SIBIRISCHER WIND von Ilja Albrecht bei blanvalet, Teil 2
Elisabeth Römer
Hamburg (Weltexpresso) - Doch, doch, lesen Sie selbst. Zuerst kamen wir nicht so recht in den SIBIRISCHEN WIND hinein. Wieder eine schreckliche Gewalttat, die das Leben eines Kindes vorherbestimmt. Wieder ein Psychotyp, der seine eigenen Traumata in seiner Lehrzeit beim FBI durch sensible Polizeiarbeit im Innendienst mitbewältigt.
Wieder einer, dessen Privatleben in einer Edelkneipe stattfindet, die ihm zum Eß- und Wohnzimmer wird und dann der ganzen Crew. Wieder eine Villa am Wannsee, wo ein Industriemagnat professionell erschossen, aber zuvor ganz unprofessionell mit roher Gewalt massiv verletzt wurde.
Und da darf schon am Anfang unser Krimileserverstand einsetzen. Wir schließen sofort, daß der Hintergrund der Tat etwas Organisiertes haben muß, aber auch eine persönliche Abrechnung bedeutet. Und zu diesem Schluß kommen auch die Ermittler, die zum erwähnten Team zusammengesetzt werden. Bei der Ermittlung kommt dann eins zum anderen. Die Teambildung erlaubt aber erst einmal dem Schreiber, die einzelnen Leute auf ihrem persönlichen Hintergrund detaillierter vorzustellen, wobei ihr Verhalten im Team dann ihre Persönlichkeit vorstellt. Das ist elegant gemacht. Gleichwohl hat die ganze Geschichte auch etwas Konstruiertes nach dem Modell: Man nehme...., so daß ein spannender Cocktail daraus wird.
Daß Ilja Albrecht zudem die Frauen so an der Spitze agieren läßt, ist auch einmal etwas Neues, was hoffentlich auch in Wirklichkeit Schule macht. Die eine Frau – Birte Halbach - ist Chefin im BKA, die andere - Eleonore Roellinghoff – zuständige Staatsanwältin. Zwei sehr unterschiedliche Charaktere, die gut zusammenarbeiten und ihren Zuarbeitern, dem von ihnen zusammengestelltem Team, ihre eigene Nervosität angesichts des die Politik und die Geheimdienste berührende Falls nicht verbergen, sofort aber kampfesmutig sich allen denen entgegenstellen, die ihre Untergebenen – das Team – fertigmachen wollen. Wie die BKA-Frau auf arrogante Männer sprachlich noch viel arroganter reagieren kann, das freut einen wirklich und man fragt sich, ob der Autor solche Redewendungen aus seiner eigenen beruflichen Praxis kennt.
Abgesehen davon, daß wir historisch über Zusammenarbeiten und Abneigungen der verschiedenen Geheimdienste viel gelernt haben – wir nehmen schlicht an, daß hier mehrfach geprüfte historische Genauigkeit vorliegt, war es dann ausgerechnet das Kapitel 11, das auf Seite 106 anfängt und uns viel zu lange bis Seite 134 dauerte, das uns packte und auch emotional in den Krimi reinzog. Solche Lesevorgänge gefallen uns, daß aus leichtem Widerstand soviel von einer Sache und einer Person zu hören, genau das Gegenteil wird: nämlich jetzt alles ganz genau wissen zu wollen. Mehr wollen wir zum Ablauf gar nicht sagen, der sich ab irgendwann von alleine liest.
P.S. Nur eins für die Fortsetzung und den Lektoren hinter die Ohren. Erstmals auf Seite 161 ertönt Kiran: „“Außerdem macht es ja Sinn.“ Und dann derselbe Unsinn galoppierend auf den Seiten 186, 187 und 202. Ausgerechnet dem sensiblen Kiran jubelt man sprachlich unsensibel falsches Deutsch unter. Auf Deutsch heißt es wie seit jeher, Sinn ergeben, Sinn haben, sinnvoll sein. Den amerikanischen Ausdruck 'to make sense', darf und kann man nicht mit 'machen' übersetzen, denn im Gegensatz zum echten Machen, dem 'to do', wird dies additiv verwendet, so wie umgangssprachlich im Deutschen: „drei und drei macht sechs“, wo ja auch die 'drei' die 'sechs' nicht machen, sondern ergeben.Um so schlimmer, wenn es nicht mal ein Übersetzungsfehler, sondern gleich falsches Deutsch ist.
Foto: der Autor, der hier so grimmig schaut, wie sein Ermittler Bolko beschrieben wird
INFO:
Ilja Albrecht, Sibirisches Wind, Verlag blanvalet, Juli 2014