Das Café Hawelka in Wien in bester Kaffeehaustradition


Anna von Stillmark


Wien (Weltexpresso) - Das Buch „Das Hawelka“ ist eine gute Vorbereitung, um im Wiener Inneren Bezirk, dem I., über den Graben kommend, einzubiegen in die schmale und ruhige Dorotheergasse, die durch das Dorotheum, dieses wunderbare Auktionshaus, das leider den Freiverkauf immer mehr einschränkt – da konnte man nämlich auch zwischen drinnen so manches Schnäppchen gleich mitnehmen -   am anderen Ende der Gasse schon bekannt war und nun durch das Jüdische Museum in der Mitte der Straße noch prominenter wurde, als es durch das Hawelka schon war. Wir betreten gleich nach dem Graben durch die doppelte Flügeltüre die Nummer Sechs, nur interessiert niemanden die Nummer, denn jeder tritt ein ins „Hawelka“.

 

Und darum ist auch der umgekehrte Weg durchaus der richtige. Erst sollte man sich im Hawelka aufhalten, dort wird man schon so neugierig auf die Geschichte und die Geschichten, daß man sich dann gerne durch Sonja Mosers Buch durchliest, das sie im Auftrag der Familie Hawelka geschrieben hat. Warum aber das Hawelka im April in allen Zeitungen vorkam, das hat mit dem sagenhaften Senior des Hauses zu tun: Leopold Hawelka wurde am 11. April 2011 hundert Jahre!

 

Er lebt nicht nur noch, sondern er arbeitet auch noch. Wie wenige gibt es nur noch, die aus eigener Erfahrung berichten können, wie es war, der Erste Weltkrieg und danach. Aus Mistelbach kommt er, der Leopold, und wer diese Gegend über Floridsdorf und die Donau hinaus nicht kennt, der weiß nicht, daß dort harte Bauernschädel jahrhundertelang ihr Überleben organisierten. Leopold zog es nach Wien, wo er einen Tag nach seiner Hochzeit mit Josefine, mit ihr ein Kaffeehaus aufmachte. „Café Alt Wien“ war ein Name, der zog, aber die beiden zog es in die Dorotheergasse, wo zuvor eine Bar residierte und wo sie ohne viel zu verändern und ohne Brimborium ihr „Café Leopold Hawelka“ eröffneten.

 

Und gleich wieder schlossen. Denn der Mann in den besten Jahren wurde zur Wehrmacht eingezogen. Das alles kann man auch im Buch nachlesen. Aber zum Geburtstag gab es in Wien viele lebendige und direkte Informationen von und über den Jubilar. Schon im Herbst 1945 machten die Hawelkas ihr Café wieder auf und in ihm bewegte sich all das, was das Wien der Nachkriegszeit zu einem menschlich-politischen Dschungel machte, was der Kultfilm „Der dritte Mann“ so anschaulich vorführt. Nach dem Staatsvertrag am 5. Mai 1955, zuvor war Österreich in die vier Besatzungszonen eingeteilt, Wien auch,  kam dann alles in geregelte Bahnen.

 

Und nun entwickelte sich das Hawelka zum Künstlertreff. Dabei war die Konkurrenz groß, denn die Wiener und ihre Kaffeehauskultur haben eine bewegte Geschichte. Im Café Griensteidl, Treffpunkt von Jung Wien Ende des 19. Jahrhunderts,  war Peter Altenberg zu Hause gewesen. Tatsächlich schrieb er seine Kolumnen und Kurzgeschichten am Café tisch. Auch Felix Salten und Karl Kraus waren Stammgäste. Alle überlebten den Abbruch des Hauses, man zog weiter ins Café Central,  Peter Altenberg  und viele andere und Alfred Polgar kam auch. Im Herrenhof hielten die Herren Hof, Hermann Broch, Robert Musil, Franz Werfel und Josef Roth, das war die Creme der österreichischen Literatur. Auch dieses schloß 1960.

 

Im Café Museum konnte man Oskar Kokoschka treffen und im Café Bräunerhof hielt Thomas Bernhard Hof, dann gab’s noch die Cafés Diglas, Korb, Prückel, Sperl, Jelinek, Industrie, Dommayer, das Café Landtmann am Albertinaplatz und vor allem das Hawelka in der Dorotheergasse, das also neuer Treffpunkt für Künstler wurde. Erst kamen die Literaten, Heimito von Doderer soll der erste gewesen sein, zusammen mit Friedrich Torberg, Elias Canetti, Hans Weigel, Hilde Spiel, dann kamen die bildenden Künstler, Ernst Fuchs, Friedrich Hundertwasser und Alfred Hrdlicka auf einmal war es einfach Mode, dorthin zu gehen, um unter sich zu sein: Helmut Qualtinger, Oskar Werner, aber auch Nikolaus Harnoncourt und André Heller.

 

Eine Spezialität des Hauses sind die warmen Buchteln, die man auf Deutsch Dampfnudeln nennt, die aus Hefeteig sind, was auf Österreichisch Germ heißt und die ab 22 Uhr serviert werden. Eingeführt und selbst hergestellt hatte sie Josefine Hawelka, die vor sechs Jahren starb, und deren Geheimrezept nun der gemeinsame, auch schon pensionierte Sohn Günter verwaltet. Längst sind schon die Enkel Amir und Michael geschäftsführend tätig. Das hält den Senior Leopold nicht ab, mindestens zwei Stunden täglich auf seinem Stammplatz im Café dabei zu sein, der inzwischen längst selber so berühmt ist, wie seine berühmten Gäste.

  

Literatur:

Sonja Moser, Das Hawelka. Geschichte & Legende, hrsg. von der Familie Hawelka, Pichler Verlag 2009

Wien und seine Kaffeehäuser. Ein literarischer Streifzug durch die berühmesten Cafés der Donaumetropole, hrsg. von Petra Neumann, Wilhelm Heyne Verlag 1997