Zwei historische deutschsprachige Kriminalromane, Teil 2/2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Regensburg im Jahr 1925 liegt einem schon näher als Oberösterreich 1890. Dabei sind es nur 35 Jahre, die aber durch den 1. Weltkrieg, das Ende der Kaiserreiche und die anschließenden Republiken in Deutschland und Österreich die Gesellschaften stärker veränderten als zeitlich üblich. Schließlich sind es die Zeiten der Großeltern und Urgroßeltern von heute, die man über Erzählungen mitbekommen hat. Wahrscheinlich hat keiner von damaligen Kriminalfällen erzählt, dabei ist SCHILLERWIESE ein so typischer wie eindringlicher Roman. Es geht um Frauenmord. Und um rechte Politik auch.
Wie von selbst fügen sich die Personen in einen erst versteckten, dann von Oberkommissär Wurzer aus München entdeckten Mord. Denn die auch im Nachhinein überaus sympathische Veronika Haberl, Vroni genannt, ist zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Denkt die Leserin. Dabei wird erst am Schluß klar, daß der Mörder es genau auf sie abgesehen hat. Denn die liebevolle Mutter eines kleinen Karl, den sie alleine aufzieht, so was nannte man damals abfällig Bankert, ist rundherum eine patente Frau. Derzeit ist sie Küchenhilfe im Lokal und dort so angesehen, daß sich der Wirt zwar wundert, als Vroni am nächsten Tag nicht auftaucht, aber noch lange auf sie gewartet hätte, ohne weiter zu murren. Doch sie kann nicht mehr auftauchen.
Sie hatte sich im Lokal früher freigenommen, damit sie einmal mehr Zeit mit Gustl, den sie erst kurz kennt, von dem sie aber weiß, daß er sie liebt – die vielen Briefchen voll von Liebe zeigen dies auch – verbringen kann. Doch der sonst so zuverlässige Kerl taucht nicht auf. Es wird dunkler und dunkler an diesem schönen baumreichen Ort, der einst die örtliche Richtstätte der Stadt war. Gerade, als ihr unheimlich wird, geschieht es. Sie wird ermordet und an einem Baum aufgehängt, so als ob sie Selbstmord verübt hätte, wo sie der Gustl vorfindet, als er verspätet eintrifft.
Sein erfolgreicher Bruder hatte ihm einen Termin bei seinem Gutsbesitzer verschafft, der ihn wirklich als Chauffeur beschäftigen will. Gute Nachrichten also, als Gustl eintrifft. Doch dann das Gegenteil und genau beim Anblick der toten, von ihm wirklich geliebten Vroni entscheidet sich sein Schicksal in die tödliche Richtung. Statt sofort zur Polizei zu gehen, den Mord zu melden, denn daß sich die Vroni nicht umgebracht hat, weiß er so genau wie alle, die sie kennen, hat er sofort Angst, für den Mörder gehalten zu werden. Seine Gedanken fliegen, einige haben sein Gspusi mit der Vroni mitbekommen. Aber gibt es Beweise? Ach ja, die Briefe, die er schrieb. Die muß er sich aus der Wohnung holen und dann sofort abhauen auf’s Gut, wo die neue Stelle auf ihn wartet. Es wird doch noch alles gut. Er muß nur handeln.
Während die Leserin noch zögert, ob solche Handlungen wirklich für eine innige Liebesbeziehung sprechen, macht Gustl alles noch viel schlimmer. Er fällt bei seinem Vorhaben auf und als er mehrmals versucht, in das Wohnhaus, in dem Vroni und Söhnchen Franz ganz oben in einer schäbigen Dachkammer hausen, ist ihm klar, er muß weg.
Gustl ist zwar wichtig, aber nicht die Hauptperson. Dieser Krimi wird von der Familie von Anna Kreitmayr, der Nachbarin von Vroni, bevölkert und in Schwung gehalten. Annas Mann Walter ist der Jugendfreund der beiden im Krieg gefallenen Brüder, für ihre Eltern wie der eigene Sohn. Annas Eltern aus München sind nach Regensburg zu Besuch gekommen und der Wurzer ist ein erfahrener Kriminaler, der bald mitbekommt, daß hier etwas nicht stimmt. Das ist interessant gemacht, wie eigentlich das Familienleben der Kreitmayrs im Mittelpunkt steht, was aber der Aufklärung des Mordfalls dient.
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Info:
Lotte Kinskofer, Schillerwiese, Ars Vivendi, März 2024
ISBN 978 3 7472 0599 0