BroilerAnna Mai bringt bei adriadne eine Krimihandlung von jungen Leuten zwischen Großstadt und ländlichem Umland

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Es sei ein Krimi-Debüt, liest man im Vorspann über die Autorin, die ansonsten in ihrem Beruf als für eine Umweltorganisation Verantwortliche sicher ganz andere Arten von Texten schreiben muß – vermuten wir. Denn, wie der Titel schon vermuten läßt, haben wir es hier mit einem Pendant der ländlich bayerischen familiären Provinz- oder auch Eberhoferkrimis zu tun, wo es jetzt großstädtisch preußisch mit ländlichem Einschlag und jungen Leuten zugeht, die in Wohngemeinschaften leben und sich das kriminelle Geschehen quasi nebenbei ergibt, nur deshalb, weil sie als Bürgerinnen ihren Umweltprotest auch durch Aktionen verdeutlichen.

 

So beginnt es – und natürlich muß die Leserin schmunzeln – mit einer Broileraktion! Muß man sich noch öffentlich darüber freuen, daß es dieses DDR-Sprachgewächs geschafft hat, auch heute verstanden und benutzt zu werden? Auf jeden Fall wartet Antonia »Toni« Hansen in der Tiefgarage einer brandenburgischen Bank auf das Auftauchen der Chefin des Hühnerleben und -sterbens unter miesen Bedingungen, Frau Scherer. Gegen diese Inhaberin richtet sich die geplante Aktion gegen die Massentierhaltung der Hühner, deshalb die Gockelmasken sowie Farbeimer mit Pinsel. Mit Toni warten Arman und Leonie. Doch Frau Scherer taucht nicht auf, nur ihr Fahrer öffnet schon die Tür des schwarzen Mercedes. Und dann geht alles schneller als die Polizei erlaubt. Auf einmal taucht ein schwarz gekleideter Mann auf, der um sich schießt, den Chauffeur niederschießt, ihn in den Kofferraum bugsiert und dann mit der endlich gekommenen Frau Scherer davonfährt. Letzteres steht dort nicht, aber ergibt sich in der Folge, in der klar wird, daß Frau Scherer von diesem Mann erpreßt wird und Angst hat, die sie mit forschen Sprüchen überdeckt. Doch es geht übel aus. Aber erst später.

 

Gleichzeitig haben wir erfahren, daß Klimaktivistin Toni arbeitslos ist und bei einem Anwalt für Umweltfragen das Vorstellungsgespräch wütend verläßt, weil dieser ausgerechnet Frau Scherer und ihren Fleisch- und Wurstgroßhandel vertritt. Als sie unterwegs auch noch deren sexistische Fleischfreßwerbung plakatiert erblickt, ist alles zu viel. Sie rastet aus. Der Ofen ist aus. Man muß jetzt wirklich was tun.

 

Das denkt auch die vor zwei Jahren im Landkreis Oder-Spree eingesetzte Polizistin Nina Hempel, die gleich zwei Probleme hat. Sie ist zu Größerem berufen, will echte Polizeiarbeit leisten, hat aber wenig motivierte Kollegen, die sie zum Kaffeekochen degradieren und sie erst mal auflaufen lassen, als sie was Kriminelles zu entdecken geglaubt hat. Das ist nur das eine. Das andere ist ihr netter Freund. Ja, genau, er ist zu nett und zu rücksichtsvoll, stellt sie ungerecht fest, haßt sich für solche Lieblosigkeit, weshalb sie ihm ständig versichert, ihn zu lieben, was sie doch auch tut, nur will sie solche Bindung nicht, wie die Aussicht auf eine Hochzeit, als sie den von ihm versteckten Ring entdeckt und ahnt, was auf sie zukommt.

 

Da hat man längst schon ein stilistische Manöver der Autorin verstanden. Sie verwickelt ihre beiden weiblichen Protagonistinnen in derartige Widersprüche, daß die, zwischen diesen gefangen, immer erst spät reagieren. Spät, auch zu spät, dann aber gewaltig. Doch dazwischen sitzen sie in den von ihnen selbst gegrabenen Löchern und wissen, sie dürfen in Berlin nicht auftauchen. Nichts wie hin in das Gästehaus, das frei wird. Ganz in der Nähe bei der Oma. Wie kam das eigentlich mit dem Laster, den sie verfolgen? Und wieso steht der versteckt im Hof bei der Oma. Ein weiteres Zentrum, das immer zentraler wird ist der Dorfkrug, wie die Dorfkneipe heißt, wo das Drama kulminiert und nachdem sich herausgestellt hat, daß es eigentlich gar nicht um gefrorenen Hähnchen geht, sondern sich in ihren Eingeweiden die Substanz in Plastikbeuteln versteckt ist, die als Rauschgift, Drogen etc. gefährlich und verboten ist, wird klar, warum brutale Morde geschehen und gefährliche Kerle unterwegs ist.

Aha, es ging also darum, daß etwas naive, aber gutwillige junge Umwelterklärer Umweltsündern die Leviten lesen wollten, dabei aber einem Verbrechen auf die Spur kamen, das Menschenleben kostet, woraufhin sie mit vielen Fehlschlägen aber nicht locker ließen und die faulen Erbsen ins richtige Körbchen, ins Gefängnis oder den Tod, brachten. 

Vergessen wir die Polizistin Nina nicht. Denn die zeigt, daß sie einerseits den richtigen Riecher hat, aber andererseits aus Furcht vor familiärer Abhängigkeit sich selber lähmt. Aber auch dafür findet die Autorin eine Lösung.

Foto:
Umschlagabbildung

Info:
Anna Mai, Broilerkomplott,
Paperback, 10.03.2025
Argument Verlag mit Ariadne
272 Seiten
ISBN 978 3 86754 280 7