NARBENKIND von Erik Axl Sund bei Goldmann (Buch) und dem Hörverlag (mp3 CD), Teil 1

 

Elisabeth Römer

 

Hamburg (Weltexpresso) – Tja, wie das so ist mit den Fortsetzungen. Vom ersten Teil KRÄHENMÄDCHEN waren wir hellauf begeistert, was sich in zwei Artikeln niederschlug (vgl. untere Links). NARBENKIND ist beileibe nicht schlecht, aber wir haben uns ganz schön mit all dem literarischen Personal herumgeschlagen an mißbrauchenden Vätern, blinden Müttern und den armen geschundenen Töchtern.

 

Wirklich schwierig, da den Überblick noch zu behalten, denn die einzelnen Töchter, die auftauchen, müssen erst den Eltern zugeordnet werden, haben aber auch innerhalb der Gruppe jeweils eine Hackordnung und mehr und mehr stellt sich heraus, daß das dichte soziale Gewebe, das entsteht, einer einzigen Schule, einer einzigen Schulklasse entspringt. Es gab schon damals die Gewinner und die zahlen es den in ihren Augen Unbedarften auf üble Weise heim. Ein einziger Sündenpfuhl wird diese schwedische Provinzstadt, die uns Erik Axl Sund – Sie erinnern sich, diese Kunstfigur besteht aus den Schreibkollegen Hakan Axlander Sundquist Tontechniker, Musiker und Künstler und Jerker Eriksson, dessen Produzent seiner Elektropunkband – zum Fürchten vorstellt. Und weil die Schülerinnen damals einen anderen Nachnamen trugen, kommt auch die Namensvielfalt noch hinzu und ist sie mal dadurch gemildert, weil eine mit dem Mädchenname xy dann auch noch einen Mann mit demselben xyNamen geheiratet hat, dann wird es erst recht kompliziert.

 

Das hört sich dann so an: Hannah Östlund und Jessica Friberg. Schulkameradinnen von Charlotte Silfverberg, Fredrika Grünewald, Regina Ceder, Henrietta Dürer, Annette Lundström und Victoria Bergman an der humanistischen Lehranstalt Siguna. Die Vergangenheit holt einen immer wieder ein. Und Gleiches wird mit Gleichem vergolten.“ (S. 486) Es dräuet düster, nicht nur in den Lehranstalten, nicht nur in der Provinz, sondern auch mit Hilfe der Sprache, die unaufhörlich das absolut Böse ankündigt, als ob einem die Leichenberge, zu denen man die Toten auf Toten inzwischen aufschichten könnte, nicht genug wären.

 

Wir sind also, wie Sie merken, beim Lesen und Hören etwas – aber nur etwas! - widerspenstig geworden, weil uns der Namen genauso zu viel wurde wie der Zufälle. Und wenn es dann eine Sofia Zetterlund als Psychologin gleich zweimal gibt, eine alte und eine junge, beide aber nicht miteinander verwandt sind, wir zudem hören, daß insgesamt 13 Sofia Zetterlunds als Trägerin des gleichen Namens in Schweden wohnen, da schüttelt man schon etwas unwillig den Kopf. Und man schüttelt ihn gleich weiter, wenn man die Kommissarin Jeanette Kihlberg im Blick hat, die nämlich nicht das im Blick hat, was unmittelbar dicht bei ihr passiert. Blickdicht sozusagen ist sie geworden, was vielleicht auch mit dem Verdrängungsprozeß zusammenhängt, mit dem sie ihren ungetreuen Ehemann, der sich eine andere sucht, ad acta legt. Und falls Sie finden, wir redeten hier ein bißchen herum, haben Sie ins Schwarze getroffen. Stärker allerdings ins Rote: ins Blut. Fortsetzung folgt.

 

 

FAZIT:

 

Spielte im ersten Teil die Gegenwart die Hauptrolle, so wird im zweiten Teil immer wieder die Vergangenheit vor 25 Jahren zur Folie, auf der sich diese Gegenwart spiegelt. Vor 25 Jahren und in Siguna. Der Münchner Thomas M. Meinhardt hat schon das KRÄHENMÄDCHEN so harmlos gelesen, so selbstverständlich, daß wir alles vor Augen haben, was passiert und seine Stimme als Künder von Wahrheiten wahrnehmen, nicht aber als zusätzliches dramatisches Element. Und daran tut er gut. Die Geschichte ist derartig, früher sagte man abartig, ein Begriff, den man nicht mehr gerne benutzt, so daß jede zusätzliche Dramatik in der Stimme zu viel gewesen wäre und der sachliche Ton, in dem er die Vergangenheit referiert, genau der richtige ist, das schreckliche Geschehen in seinem Schrecken eiskalt und knallhart zu erfahren.

 

INFO:

 

Erik Axl Sund, Narbenkind, Psychothriller, Goldmann Verlag, September 2014

 

Erik Axl Sund, Narbenkind, ungekürzte Lesung, 2 mp3-CD, ca. 14 h 19 min , Sprecher: thomas M. Meinhradt, der Hörverlag, September 2014.